anima Nr. 2/2002
Sommer 2002
Aus dem Inhalt:
Christine Beidl
Das Tier in der Theologie..........2
Christa Blanke..........................4
Theologin und
Geschäftsführerin der Animals' Angels
Reihe Philosophie
Susann Witt-Stahl
Ottfried Höffe:.........................7
My Way-Preis für Brigitte Bardot.....................9
Heilige und Tiere....................10
Das Tier in der
christlichen Heiligenlegende
Buchbesprechung Joseph Bernhart
Europäische Vegetarier Union
Offener Brief an die FAO........13
Vegetarische Notizen........14, 19
Konsumenten -Info...........15 -18
ABC - Bio ? - Leder -
Tierrechtskongreß...................20
Hunger....................................21
Indien: Tierfabriken?
Erwin Lauppert
Liebe deinen Fernsten.............24
Axel Munthe
Der Gorilla...............................25
Menschenaffen als
Versuchstiere..26
Erwin Lauppert
Zwetschgen und Terror...........27
Buchbesprechungen................28
Wilde Intelligenz - Das seufzende Schwein - Der Pflanzensprecher
Christiane Haupt und die Mauersegler
.......................29
Notizen...................................30
Seite 2:
Das Tier in der Theologie
Christine Beidl
Es war wohl unausbleiblich, daß auch Vertreter der christlichen Theologie
sich mit der Stellung des Tieres in der Schöpfung zu befassen beginnen -
ein Thema, das viele Jahrhunderte hindurch bagatellisiert und beiseitegeschoben
wurde.
Einer dieser Vorreiter neuer Denkansätze ist der britische Theologe Andrew
Linzey, der am 11.4.2oo2 im Seminarraum des Instituts für Moraltheologie
der Katholischen Fakultät in Wien einen Vortrag mit Diskussion zum Thema "Animal
Theology" gehalten hat, mit positiven und negativen Aspekten der christlichen
Tradition jenen gegenüber, die wir heute unsere Mitgeschöpfe nennen:
Respekt vor Leben (A.Schweitzer), Verantwortung gegenüber Tieren, Gerechtigkeit
gegenüber Tieren, Rechte der Tiere, Theologie der Befreiung.
Nachdenkenswert vielleicht auch eine Abwägung zwischen dem Gleichheits-Paradigma
des Agnostikers Singer, wobei der utilitaristische Standpunkt keinen vollen Schutz
des Einzelnen zugunsten des Allgemeinwohls bietet, während der christliche
Standpunkt auch aktive Eingriffe zugunsten des Einzelindividuums fordert.
Wohl jeder unter uns, dem die christliche Religion sei es aus Tradition oder
persönlichem Erleben, ein Anliegen ist, wird sich bereits schon häufig
mit einer Integration der Tierrechte in die christliche Theologie gedanklich
oder emotionell befaßt haben. Unbeschadet dessen, daß das Echo der
offiziellen Vertreter der "Großkirchen" oft alles andere als
ermutigend ist.
Obwohl sich ja die meisten Menschen - Tierschützer - eher an praktischen
Realitäten orientieren, was oft mit hohen persönlichen Opfern verbunden
ist, so Leere es doch auch höchst an der Zeit, sich mit den theologisch-philosophischen
Fundamenten zu befassen, einer Grundlagen-Ethik, die ja immer direkt oder indirekt
auf die praktischen Handlungsweisen ausstrahlt.
Es wäre schon daher dringend notwendig, um endlich ein Gegengewicht zu den
oberflächlichen und materialistischen Formulierungen und Definitionen ("Tierparagraphen")
des katholischen Katechismus zu schaffen, die viele Tierschützer in ihrer
Zuwendung zur Kirche irritiert und einige sogar zum Austritt bewogen haben.
Zu dieser Problematik gab es seit eh und je die widersprüchlichsten Tendenzen.
Grundlegende Aussagen zum Geheimnis des Lebens, seiner Entstehung aus der Materie
und seiner immer differenzierteren Leidensfähigkeit in den höher entwickelten
Formen ließen sich nur durch Ignoranz und Willkür beiseiteschieben.
Der Gedanke einer zum Teil extrem leidenden Schöpfung ließ sich kaum
vereinbaren mit dem Bild eines liebenden und barmherzigen Gottes. So gab es nie
eindeutige Aussagen über die Stellung des nichtmenschlichen Tieres in der
Schöpfung. Diese Frage wurde ausgeklammert, solange man eine (unsterbliche)
Seele nur dem Menschen zugestand. In extremster Form von Descartes und seinen
Anhängern in der Lehre von den, "Tiermaschinen". Eine realitätsfremde
Theologie suchte hier die Evidenz kaum abstreitbarer Tatsachen - daß Tiere
leidensfähige Wesen sind - dem Prokrustesbett vorgefaßter Theorien
anzupassen. Man distanzierte sich von der Verantwortung für das Tier. Noch
im 19.Jahrhundert lehnte Pius IX., der vor kurzem heiliggesprochen wurde, die
Gründung eines Tierschutzvereines in Rom ab mit der Begründung, daß der
Mensch keinerlei Verantwortung für Tiere trage.
Dabei ging und geht es nicht um die uns oft grausam scheinenden Gesetze des
jede
Minuäte auf unserem Planeten tobenden Überlebenskampfes der Natur,
kaum um Eingriffe des Menschen, der hier durch seine Übermacht ökologisches
Gleichgewicht zerstört und bestehende Arten in immer rasanterem Tempo ausrottet
oder die Kettenreaktion seiner Vergiftungsfeldzüge gegen "schädliche" Tiere
in der Nahrungskette - es ging lediglich um jene Tiere, die dem Menschen auf
Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, die er im täglichen Umgang, in der
täglichen Nutzung zu Sklaven gemacht oder zu Freunden erwählt hat.
in seinem ersten Ansatz ging es dem Tierschutz um die mißhandelten Pferde,
ausgesetzten Hunde, verhungerten Katzen, freilich auch sehr bald um Vivisektion,
Jagdmißbräuche, grausame Zustände in den Schlachthöfen bis
hin zum rituellen Schächten.
Das unsägliche Unheil einer Institution, die damals noch die Ethik-Normen
der Gesellschaft weitgehend zu bestimmen hatte, reicht bis in die heutige Zeit
und findet in der industriellen Landwirtschaft mit ihren Tierfabriken ihren verabscheuungswürdigen
Ausdruck.
Wer nun vielleicht gehofft hatte, daß sich die meinungsbestimmenden Organe
der Großkirchen inzwischen - schon allein durch die wissenschaftlichen
Ergebnisse der Verhaltensforschung, die Erkenntnisse der Genetik und die erstaunlichen
Forschungsergebnisse hinsichtlich der Intelligenz der Tiere und ihrer diesbezüglichen
Leistungen, eines besseren besonnen und zu einer gerechteren Einstellung dem
leidenfähigen Mitgeschöpf gegenüber durchgerungen, der sah sich,
anläßlich der Herausgabe des katholischen Katechismus, bitter enttäuscht.
Noch nie vorher waren die Tiere so sehr zu Ressourcen für den beliebigen
menschlichen Gebrauch, ja sogar zur bloßen Ware (Nahrungsmittel, Testinstrument,
Freizeitunterhaltung) herabgestuft worden, und wurde Tierquälerei früher
zumindest unter dem 5.Gebot ("Du sollst nicht töten") angeführt,
so fanden sich die spärlichen Passagen über Tiere nunmehr unter dem
7.Gebot ("Du sollst nicht stehlen") was sie endgültig zu Sachen,
zum Eigentum des Menschen stempelte. Tierliebe wurde ausdrücklich als menschenunwürdig
diffamiert.
Kein Wunder, daß die östliche Reinkarnationslehre hier eine weit plausiblere
Lösung bot und viele Christen sich ihr zuwandten. Dabei hätten und
haben- sich gerade im Christentum vielfältige Ansätze geboten, das Ahimsa (Schonung
alles Lebenden) aus einer passiven Gewaltlosigkeit durch aktive Hilfestellung
und Zuwendung noch in karitativem Sinn zu erweitern und zu erhöhen. Gerade
die Annahme eines "persönlichen" Gottes bedingt es, den Schöpfer
in seinen Geschöpfen zu erkennen, zu lieben und zu ehren. So kann die Selbstüberheblichkeit
des Menschen, verbunden .mit Mißachtung und Mißbrauch der Schöpfungsgeschwister,
getrost als "Blasphemie" gesehen werden.
Statt dessen wurde ein Plakat mit der Darstellung einer gekreuzigten Ratte
im Tierversuch von gewissen Theologen als blasphemisch verurteilt. Es handelte
sich
um die Verarbeitung eines Originalfotos. Die Pfötchen der Ratte waren ausgespannt
und mit Nadeln auf dem Labortisch fixiert.
Nein, nicht die Tierschinderei wurde verurteilt, sondern die Analogie zu dem
gekreuzigten Jesus.
Die unaufhörliche Klage der leidenden Kreatur, die Tag und Nacht nicht verstummt,
wäre einbezogen in das zentrale Geschehen vor 2000 Jahren: Gott leidet in
seiner Schöpfung. Einer Schöpfung, die er ihren eigenen Gesetzen ausgeliefert
und sich damit die Hände gebunden hat. Es wäre abwegig, hier noch Grenzen
setzen zu wollen: Zwischen dem geschundenen Menschen und der gequälten Kreatur.
Wann immer wir Macht über andere haben, dann steigt unsere moralische Pflicht
zur Barmherzigkeit proportional.
Wenn unsere Macht über Tiere uns irgendwelche Rechte gibt, dann nur
das
eine:
das Recht ihnen zu helfen
Andrew Linzey
britischer Theologe
Seite 10:
Mit zunehmender Erkenntnis werden die Tiere den Menschen immer näher
sein. Wenn sie dann wieder so nahe sind wie in den ältesten Mythen, wird
es kaum noch Tiere geben.
(Elias Canetti)
Heilige und Tiere
Das Tier in der christlichen Heiligenlegende
Eine Buchbesprechung
Christine Beidl
Zu den wenigen katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts, die sich "mit
der Frage nach dem Tier auseinandergesetzt haben: Nach seinem Sein und Wesen,
seiner Rolle in der Schöpfung, nach seinem Verhältnis zum Menschen
und nach der sittlichen Forderung an den Menschen in seinem Verhalten zum Tier,
schließlich nach dem Leiden des Tieres und seiner Erlösung" -
gehörte der Philosoph und Theologe Joseph Bernhart (1881 - 1969). Er ging
den Spuren der Beziehung zwischen Heiligen und Tieren in der christlichen Legende
nach und so entstand be-reits im Jahr 1937 sein Buch "Heilige und Tiere",
das 1997 neu aufgelegt wurde.
Etwas von dem versunkenen Mensch-heitswissen uralter Mythen und Märchen,
in dem die die Grenze noch fließend war zwischen Mensch und Tier, von Paradies,
Sündenfall und Erlösung spiegelt sich in diesen ergreifenden, rührenden
und er-staunlichen Geschichten und Berichten wider, die oft durch Zeitgenossen
bezeugt sind. Aber selbst wenn unser Zeitgeist an der Realität einzelner
Begebenheiten seine Zweifel haben mag, so drückt sich darin doch ein christliches
Grundwissen aus: Daß Gottesliebe und intensive Gott-verbundenheit sich
auch im Umgang mit der Schöpfung auswirken muß, und diese Liebe nicht
minder auch von nichtmenschlichen Geschöpfen empfunden, aufgenommen und
erwidert wird.
Trotzdem weist die Fülle der vorhandenen Berichte darauf hin, daß hier
auch ein realer Hintergrund zugrundeliegen muß: Auch der Wolf von Gubbio
des Hl.Franz war sicher ein "wirklicher" Wolf und nicht nur das Synonym
für einen übermütigen Junker, der von dem Heiligen bekehrt wurde.
Der Bogen dieser etwa 80 Legenden führt von den Anachoreten und Einsiedlern
der thebäischen Wüste über die Erzählungen irischer Mönche
bis hin zu Heiligen des Mittelalters ...
Diese Einsiedler der ersten christlichen Jahrhunderte, die sich bei einem fast
unfaßbar streng asketischen Leben der Meditation und dem Gebet widmeten,
fanden zu jener wortlosen Sprache zwischen Mensch und Kreatur zurück, wie
sie nach dem Schöpfungsmythos im Paradies ge-herrscht haben sollte, ehe
der Sündenfall des Menschen die ursprüngliche Harmonie zerstörte.
Um dies anschaulich zu machen, sollen hier unter den zahlreichen Begebenheiten
einige angeführt werden. Ziemlich bekannt ist die Legende des Hl. Makarios
(+ um 394) und der Hyäne, die auch Ernst Hello in seinen "Heiligengestalten" erwähnt.
Zu dem Einsiedler Makarios kam eine Hyäne, die ihm ihr Junges vor die Füße
legte und ihn bittend ansah. Er bemerkte, daß das Kleine blind war, und
heilte es. - Wenige Tage später kehrte die Hyäne zurück und brachte
ihm zum Dank für die Heilung ihres Kindes das Fell eines kurz vorher getöteten
Lammes. Makarios aber wollte das Geschenk nicht annehmen und machte der Hyäne
Vorwürfe, daß sie dafür geraubt und getötet habe. Nach vielen
Bitten der Hyäne, die sich vor ihn hinkniete und um Verzeihung bat, nahm
er das Fell an, sie mußte ihm aber (durch zweimaliges Kopfnicken) versprechen,
nicht mehr zu töten und ihre Nahrung auf bereits tote Tiere zu beschränken.
- Nach seinem Tod - so ist bezeugt - erhielt die Hl.Melanie das Fell, die es
in hohen Ehren hielt; es soll auch später noch aufgetaucht sein.
Der Hl.Pachomius soll sogar ein Krokodil gezähmt haben, das ihn auf seinem
Rücken über den Fluß trug.
In vielen Legenden aus der Thebäis kommen auch Löwen und andere Raubtiere
der Wüste vor - neben der Hilfe, die der jeweilige Einsiedler ihnen angedeihen
läßt, geht es auch immer darum, sie gewissen Moralvorstellungen zu
unterwerfen: Auch in der Wildheit der Tiere, dem gegenseitigen Töten sah
man ja eine Folge des menschlichen Sündenfalls und der Vertreibung aus dem
Paradies.
Allerdings weniger als theologische Reflexionen entscheidet in diesen Begegnungen
das Erbarmen, das spontane und zärtliche Mitgefühl mit der Kreatur
in Not und Bedrängnis und ihrem Anspruch auf Hilfe. In dieser Hinwendung
scheint es aber auch einen vergessenen Zusammenhang, zu geben mit der "Abtötung" per-sönlicher
Wünsche und Bedürfnisse und der von Franz v.Assisi später so geliebten "freiwilligen
Armut", die er seine Braut nannte. Diese Art der Selbstlosigkeit, die zu
großer innerer Freiheit und tiefer Verbundenheit mit Gott und seiner Schöpfung
führt, wird auch von den Tieren aufgenommen, die sich freiwillig dem Menschen
angeschlossen haben. So mag es nicht verwundern, wenn das Tier im Umgang mit
dem Heiligen bis zu einem gewissen Grad sich seinem Moralgesetz anzunähern
beginnt, ihm gehorcht und es zu bereuen scheint, wenn es einmal in seine wilde
Urnatur zurückfiel, wie etwa in der Geschichte von der Hyäne und vielen
anderen.
Auch die Legende wird immer dem Charakter einer Landschaft, eines Volkes angepaßt
sein: in der sonnendurchglühten Thebäis sind es andere Heilige und
andere Tiere als in den dichten Urwäldern des Nordens. Um die Mitte des
ersten christlichen Jahrtausends blühten Mönchstum und Einsiedlerwesen
in Irland, für dessen keltische Ureinwohner seit eh und je auch die unbelebte
Natur mit zahllosen Naturgeistern, Feen und Gnomen beseelt ist. Gerade hier mußte
auch eine Fülle von Beziehungen zwischen Heiligen und Tieren entstehen.
Häufig taucht - auch später noch und andernorts - das Motiv auf, daß Wildtiere,
die von Jägern und ihren Hunden verfolgt wurden, zu einem Heiligen flüchteten
und von ihm beschützt wurden.
Einmalig wohl durfte die Gründung eines Tierklosters durch den Einsiedler
Kyaran sein, der ein Freund des Hl.Patrick war und in seinem Auftrag in die Einöde
ging. Dort, an einem bestimmten Platz, der durch gewisse Zeichen zu erkennen
war, sollte er ein Kloster erbauen. An einem Brunnen ... handelte es sich dabei
um einen seit jeher "heiligen" Platz mit besonderer Ausstrahlung? Kurz,
es gab vorläufig keine Menschen hier und St.Kyaran baute mit Hilfe einiger
Tiere, die er um sich sammelte: Wildschwein, Fuchs, Dachs, Wolf, Hirschkuh -
eine Einsiedelei. Diese Tiere blieben bei ihm, unterstützten ihn bei seiner
Arbeit und gehorchten ihm als ihrem "Abt". Als der Fuchs eines Tages
die Schuhe des Heiligen gestohlen hatte, um sie zu verzehren, mahnte ihn der
heilige Mann: "Warum hast du das getan, Bruder, was sich für Mönche
doch nicht gehört? Sieh, unser Wasser ist so gut und ist für alle zu
haben, und auch Essen ist für alle da und wird an jeden ausgeteilt!" Der
arme Fuchs war sehr beschämt und fastete zur Buße, bis der Heilige
ihn wieder zum Essen aufforderte. - Später sammelten sich auch junge Menschen
um Kyaran und es entstand ein großes Kloster. Die Tiere aber blieben bei
ihnen zur Freude des Heiligen.
Sehr häufig waren bei diesen Einsiedlern und Mönchen liebevolle Beziehungen
zu Hasen, Rehen, Hirschen, Vögeln, aber auch wilden Raubtieren galt ihr
Mitgefühl und ihre Aufmerksamkeit. Im Winter war es eine Schar von Wölfen,
die vor Hunger heulten; St.Molua brachte sie voll Mitleid in das Gästehaus
wo er ihnen selbst die Füße wusch und zu essen gab. Die Wölfe
blieben dann bei ihm und bewachten seine Herden vor Dieben und anderen Raubtieren.
St.Marinus befreite nachts eine Bärin, die sich in Fallstricken gefangen
hatte - junge Mönche hatten diese gelegt, da sie um ihre Schafe fürchteten. "Du
Arme," sagte der Heilige mitleidig, "was machst du da? Nun rasch davon,
damit sie dich nicht erwischen!"
In Irland wird St.Kevin häufig mit einer Amsel auf seiner ausgestreckten
Hand dargestellt. Dies geschah so: Als er einst mit ausgebreiteten Armen betete,
legte eine Amsel ihre Eier in seine offene Hand.
Voll Geduld und Sanftmut verharrte er, ohne sie zu beschädigen, bis die
Jungen geschlüpft waren ... Er verbarg sich gerne in der Einsamkeit, in
Gebet und Gottesliebe, aber die wilden Tiere des Waldes kamen zu ihm wie zu einem
Freund und tranken Wasser aus seinen Händen.
Jede Auswahl kann immer nur willkürlich getroffen werden; so auch diese
wenigen Beispiele aus den etwa 80 Legenden, die Joseph Bernhart aus diversen
Quellen zusammengetragen und zum Teil selbst übersetzt hat. Die Spur des
Wunders führt weiter herauf über das Mittelalter - zu Anselm von Canterbury, Ägydius,
Joseph von Cupertino und natürlich Franz von Assisi - zwar der bekannteste,
aber keineswegs der einzige christliche Heilige, der in seiner besonderen Weise
die Tiere, ja die gesamte Schöpfung in die Erlösung miteinbezog. Die
Legendensammlung reicht bis ins 19.Jahrhundert herauf und schließt mit
einem Bericht über Filippo Neri und einen geheimnisvollen Hund, den "Großen,
Grauen, der immer dann auftauchte, wenn der Heilige sich in großer
Gefahr befand, und seine Verfolger in Angst und Schrecken versetzte.
Ein ausführliches Vorwort befaßt sich auch mit den vielschichtigen
Zusammenhängen dieser Legendenbildung zwischen Symbolik und Realität
und mit der speziell christlichen Sicht der Mensch-Tier-Beziehung gerade im Umgang
des heiligen Menschen mit der beseelten Schöpfung.
Bei dieser Rollen-Zuweisung des Tieres gegenüber dem Menschen fällt
vielleicht auf, daß das Tier als ein dem Menschen untergeordnetes Wesen
eingestuft wird - freilich auch im Sinne der Verantwortung des Menschen für
die leidende Kreatur und letztlich ihre Hineinnahme in die Erlösung (im
Sinne des bekannten Paulus-Ausspruches), wobei aber auch der Mißbrauch
des dem Menschen über die Mitgeschöpfe verliehenen Herrschaftsanspruches über
die Schöpfung als eine Folge seines Sündenfalles gesehen wird.
Gerade bei den "erlösten" Menschen kann sich diese Macht nur in
Güte und Barmherzigkeit gegenüber dem schwächeren Geschöpf
erweisen.
Joseph Bernhart hat seine Gedanken zu dieser Problematik dann auch in seinem
Spätwerk "Die unbeweinte Kreatur" in Reflexionen über das
Tier dargelegt.
Innerhalb der Kirche gehört er damit zu den wenigen Rufenden in der Wüste
... doch scheint es, daß auch hier immer mehr Stimmen laut werden, und
die Machthaber in den kirchlichen Hierarchien wären sicher gut beraten,
sich ihnen gegenüber etwas hellhöriger zu zeigen. Aber schon heute
läßt sich nicht übersehen, daß sich eine Abwendung von
verkrusteten anthropozentrischen Strukturen vorbereitet.
Wenn der Biograph des Hl. Franz von Fioretti spricht, könnte
man gerade diese wundersamen Legenden mit einem bunten Blumengeranke rings um
die steinernen Mauern der Weltkirche vergleichen, die von manchen Theologen mit
harter Hand wie Unkraut ausgerottet werden. Aber in ihrer Ablehnung des Wunders
verkennen sie die Zeichen einer Zeit, in der Sinnsuche und Glaubensbedürfnisse
oft die absonderlichsten Blüten treiben, das Geschäft pseudoreligiöser
Gruppen boomt und die entsprechenden Gurus auf den Plan ruft.
Wie kalt wäre ein Himmel ohne Tiere, und wo haben sie ihren Platz in einer
Gott-ist-tot-Theologie, die die eigenen Glaubensinhalte zielbewußt immer
mehr eliminiert? Nicht der Mensch ist das Maß aller Dinge. Vielleicht kommt
der Tag, an dem sich die Kirche wieder der ungehobenen Schätze ihrer eigenen
Vergangenheit besinnt.
Joseph Bernhart, Heilige und Tiere, Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn
1997, 249 S., 16 EUR (D)
Seite 24:
Liebe deinen Fernsten?
daß Hundefleisch so etwas wie eine Spezialität sei. Hund habe ich allerdings noch keinen einzigen gesehen. Entweder verstecken die Besitzer ihre Hunde aus gutem Grund oder das Hundefleisch wird importiert. schreibt ein heimischer Sportjournalist anläßlich der Fußball-Weltmeisterschaften aus Korea in einer auflagenstarken österreichischen Zeitung. Vielleicht zieht ein koreanischer Journalist in Österreich einen ähnlich scharfsinnigen Schluß, er habe hier noch keine Schweine gesehen, vermutlich würden sie aus gutem Grund versteckt oder importiert. Mit dem Verstecken der drei Millionen alpenländischen Schweine hätte er nicht unrecht. Mit dem Grund auch nicht. Denn die Haltung ist meist so mies, daß verstecken noch am besten ist. Ob es allerdings ein guter Grund ist?
Die Fußballspiele in Korea waren hierzulande wieder Anlaß über
die tierquälerischen Sitten der Asiaten herzuziehen. Die Empörung mag
ehrlich sein, trotzdem kann ich mich dabei eines unguten Gefühls nicht erwehren.
Es gibt da so hübsche Sprichwörter vom Balken und vom Splitter und
vom Kehren vor der eigenen Tür. Es ist hier so ähnlich wie beim spanischen
Stierkampf. Er findet in heimischen Tierschutzgazetten erheblich mehr Beachtung
als das gegenüber den Kampfstieren um vieles traurigere Los unserer Maststiere.
Gotthard M. Teutsch schreibt dazu in seinem Literaturbericht: (15 Stierkampf):
Im übrigen müßte jede Kritik aus der Bundesrepublik angesichts
der vielen Millionen lebenslang gequälter Nutztiere in einer Selbstanklage
enden. Wir wissen nicht, wie schwer der Tod in der Arena ist, den wir beklagen,
wir wissen aber, daß dieses Leid zeitlich begrenzt ist und daß die
Tiere vorher ein gutes Leben in relativer Freiheit hatten, um das sie jede Käfighenne
beneiden würde, wenn sie darum wissen könnte.
Ich möchte damit nicht sagen, daß empörte Briefe schreiben vollends
unnütz ist. Spanische Tierfreunde, die gegen den Stierkampf streiten, durch
Protestbriefe unterstützen ist sicher sinnvoll. Und es ist vielleicht nicht
ganz wirkungslos, wenn sie zahlreich sind und aus ihnen das glaubhafte Bedauern
spricht, ein Land mit solchen Usancen meiden zu müssen.
Doch stellen wir uns einmal vor, wie würde man hierzulande auf Protestbriefe
aus Korea gegen unsere Sitte Schweine zu essen, hochsensible Tiere, eher intelligenter
als Hunde, reagieren. Ich fürchte, man würde sich in Kenntnis koreanischer
Hundemahlzeiten gefrotzelt fühlen und sonst nichts. Im vergangenen Jahrhundert,
in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verdankten die Kärntner Slowenen
gewisse Minderheitenrechte der Intervention der Donauschwaben, denen die jugoslawische
Regierung ihrerseits unter Hinweis auf die Situation der Slowenen in Kärnten
gewisse Rechte verweigert hatte. Der beste Schutz für die eigene Minderheit
im fremden Land ist die freundliche Behandlung der fremden Minderheit im eigenen.
Und (auch wenn der Vergleich etwas hinkt) die beste Hilfe gegen Quälerei
im Ausland humane Behandlung der Tiere bei uns daheim. Dann wären unsere
Proteste wenigstens glaubwürdig.
Da ein Wandel in der Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung unseren Nutztieren
gegenüber, realistisch betrachtet, allerdings nicht in Sicht ist, könnten
wir wenigstens eines tun. Konsequent Hunde- und Katzenfelle und -leder aus Asien
boykottieren und in den Schuh- und sonstigen Ledergeschäften die Geschäftsleute
unnachsichtlich zur Herkunftsdeklaration zwingen. Oder noch besser überhaupt
auf Lederschuhe und Lederwaren verzichten. Die sind wirklich nicht lebensnotwendig.
Es gibt schließlich qualitativ hochwertige Schuhe aus atmungsaktivem
Kunststoff.
Erwin Lauppert
Zwetschgen und Terror
In seinen Geschichten aus der Waldheimat erzählt Peter Rosegger, wie er
sein erstes Trinkgeld als Schneiderlehrling anlegte. Für zwei
Kreuzer wurden Zwetschgen gekauft. Die nahm mir der Blaser Hansel hernach
weg, und zwar aus zwei gewichtigen Gründen: erstens, weil er die Zwetschgen
haben wollte und zweitens, weil er stärker war als ich.
Von der Terrorfront nichts Neues. Nach wie vor - weil wir Hanseln eben stärker
sind - der traditionelle brutale Alltagsterror gegen Hühner, Schweine, Kälber
und andere Nutztiere, gegen Versuchstiere. Dazu nach wie vor vorgeschobene Massentötungen,
um die aus dem oder jenem Anlaß aus dem Lot geratene hochsubventionierte überdimensionierte
Vieh- und Landwirtschaftsindustrie wieder auf gleich zu bringen.
Ein makabrer Trost: es geht auch vielen Menschen nicht anders. Ach wie rosig
schien die Zukunft vor einem halben Jahrhundert, 1945 als die Nazi-Mordmaschinerie
zerschlagen war. Seither sind so rund 500 Millionen Menschen an Hunger oder dessen
Folgen gestorben, unzählige Millionen in Machtkämpfen, hinter denen
häufig Großmächte standen, getötet worden, Völkermorde
zu Hauf.
Zurück zu den Tieren. Die Aktivisten der sogenannten ALF (animal liberation
front) eine Vereinigung, die es vermutlich gar nicht gibt, unter deren Namen
halt alle Gewaltakte, die empörte Einzeltäter begehen, zusammengefaßt
werden, reagieren seit langem vor allem im angloamerikanischen und nordischen
Raum mit Aktionen, die allerdings angesichts der Finanzkraft der großen
in Tierausbeutung involvierten Konzerne eher kleinen Nadelstichen ähneln
und höchstens für den einen oder anderen Familienbetrieb existenzgefährdend
sein können. Österreich blieb - abgesehen von ein paar Farbbeuteln
gegen Pelzgeschäfte und Uhu gegen deren Schlösser vor zehn oder zwanzig
Jahren - weitgehend friedlich.
Neuerdings, so unlängst ein österreichisches Wochenmagazin unter dem
Titel Terror, Tod und Tierliebe, setzten sich vor dem Hintergrund
des 11.September und der Ermordung Pim Fortuins auch die österreichischen
Behörden verstärkt mit der militanten Tierschutzszene auseinander. Bei
den Anschlägen im Jahr 2000 - sagt der Staatsschutzbericht - waren erstmals
Personen und Tiere Gefahren ausgesetzt. Die Zeitung spricht von rund 100
Aktionen (Farbbeutel inbegriffen) von etwa 100 bis 500 österreichischen
Tierschutzmilitionären.
Nun sind die Meinungen, was Terror ist, ja bekanntlich geteilt. Der 11.9. erweckte
in dem Viertel der Welt, der in Amerika den Hort der Freiheit sieht, Entsetzen
und Empörung, im zweiten Viertel Freude oder Genugtuung: endlich habe einmal
der Staat, dem sie vorwerfen, im Bombenschmeißen naziähnlich selbst
nicht zimperlich zu sein und Hunderttausende, wenn nicht Millionen meist Unschuldiger
zu Tode gebracht zu haben, das einmal am eigenen Leibe verspüren müssen.
Der Rest blieb gleichgültig.
Die, wie es so treffend heißt, herrschende Meinung hierzulande hält bekanntlich diejenigen, die sich vom Hansel ihre paar oder alle sieben Zwetschgen nicht wegnehmen lassen wollen, für bösartige Terroristen. Wir äußerten immer schon die Befürchtung, Terrorakte brächten nichts als mehr Polizeistaat. Die USA,. die Gegner ins Quasi-KZ sperren und sogar eigene Bürger gerichtsfrei in Schutzhaft nehmen, und die neue Antiterrorgesetzgebung bestätigen diese Angst.
Wäre der Peterl, hätte er den Zwetschgenräuber gekratzt, ein Terrorist
gewesen?
Die Frage bleibt, da er es nicht getan hat, offen. Uns bleibt Freude, daß er
so unbeschädigt blieb und in seinem Leben noch viel Gutes tun konnte für
Mensch und Tier.
Erwin Lauppert
Zurück zur anima - Zurück zur ÖVU-Homepage