Inhalt Nr.3/2005

Erwin Lauppert
# Einkaufen gehen statt Bomben werfen ....... 3

#Ein Sieg? ........... 4
Der Krieg gegen einen „Meerschweinchenbauern“ in England
Licht in die Labors – bessere Haltungsbedingungen – die Nahziele ändern!

Helmut F. Kaplan
#Wozu Tierrechtsphilosophie? ....... 8

Hans Christian Andersen
Geschichte einer Mutter ......... 9

Bücher .......... 12
Kinderbuch: Felix Mitterer, Superhenne Hanna gibt nicht auf
Koch- und Sachbuch: Blume-Steinmetz, Das Apfelbuch
Philosophie: Martin Balluch, Die Kontinuität von Bewußtsein
Jean-Claude Wolf, Tierethik
Recht: Binder, Das österreichische Tierschutzgesetz

#Leserbriefe .......... 15
Heimtiere?
Nochmals Pferdesport?

#Vegetarismus ....... 16

Gründe
Vegetarierin im Krankenkassen-Journal
Vitamin B12
Infos 17

#Bio ?
Schweinerei im Öko-Stall?
Konsumenteninfo der Gesellschaft für humane Nutztierhaltung

Schwarzes Brett ....... 19
Graz: Filmpräsentation 4.10.
Vegetarische Gastronomie

Miss Swiss ........... 20
Impressum 20

 

 

Einkaufen gehen statt Bomben werfen!

Peter Singer, einer der Begründer der Tierrechtsbewegung, hat es klar formuliert:
Die Leute, die Profit machen, indem sie Tiere (Anm. der Red.: oder Menschen) ausbeuten, brauchen nicht unsere Zustimmung, sie brauchen unser Geld.


Dieses Zitat aus Animal Liberation /Befreiung der Tiere, dem von Peter Singer vor dreißig Jahren geschriebenen Bestseller, ist – als Stehsatz im Repertoire der anima – unserem geschätzten Stammpublikum bestens bekannt.


Anlaß, es hervorzuholen, sind diesmal der jüngste Staatsschutzbericht und der über die englische Darley Oak Farm (auf der nächsten Seite), die von gewalttätigen, großteils jungen Leuten zugeschriebenen Aktionen handeln.


Unsere Vermutung: „Einkaufen“ brächte den Tieren mehr als Ställe anzünden und Jägerstände umschneiden. Einkaufen im Lebensmittelmarkt, im Drogeriemarkt usw. wie weiter unten erläutert.
Der Versuch, die Jugend zum „Einkaufen“ zu begeistern, stößt allerdings auf emotionelle und praktische Vorurteile. Doch die sind überwindbar.


Die praktischen: Zum Einkaufen braucht man Geld. Das haben die meisten jungen Tierrechtsaktivisten nicht. Doch weshalb nicht mit dem Geld anderer arbeiten, ganz legitim? Nicht wenige der heranwachsenden Tierschutzbewegten wohnen noch im Hotel Mama. Warum nicht den täglichen oder wöchentlichen Familieneinkauf übernehmen? Mama würde sich wohl über Mithilfe des Sprößlings im Haushalt, die nach statistischen Untersuchungen eher zurückhaltend sein soll, freuen. Und selbst wer schon außer Haus ist, könnte Einkäufe übernehmen. Die familiären Bande beschränken sich – hört man da und dort – bisweilen ohnedies auf die pünktliche Ablieferung der Schmutzwäsche beim geplagten Mütterlein.


Nun zum Emotionellen: Junge Menschen wollen, um ein Dichterwort zu zitieren, in ihrem kühnen Streben die Welt aus ihren Angeln heben. In ihrer gerechten Empörung über Quälerei rasche Ergebnisse sehen. Oder wenigstens action oder excitement, wie es neudeutsch heißt. Waren des täglichen Bedarfs ins Einkaufswagerl schichten, wie langweilig.


Tätigkeiten, die nüchterne Strafjuristen simpel Terrorismus benennen, scheinen dagegen wenigstens auf den ersten Blick dem Drang nach sichtbarer Weltverbes-serung eher entgegenzukommen als die gerade empfohlene kommerzielle Tätigkeit auf Konsumentenebene.


Geschwärzten Gesichts nächtens im Wald Hochsitze absägen, welch prickelndes Erlebnis. Indianerspiele sind nichts dagegen. Endlich nach mehrjähriger Belagerung oder in kühnem Handstreich auf einem Massentierstall die Fahne der Tierbefreiung hissen, ein herzbewegendes Gefühl.


Wer so denkt , weiß nicht wie „exciting“ Einkauf im Supermarkt sein kann. Natürlich, wer bloß den werbepsychogisch vorgegebenen Weg durch die Regalgänge trottet und reklamegesteuert Waren einlädt, dessen Pulsschlag erhöht sich höchstens, wenn die Kassa die Endsumme ausweist. Nur wer den Sinn des Unternehmens im Auge behält, die Handels-kette zu bewegen, konsumentenfreundlich zu agieren, klar darzustellen, ob die Ware tierische Bestandteile und welche enthält, (o-l-)vegetarische und vegane Produkte in die Regale zu stellen, oder wenigstens mit Freilandeiern erzeugte Nudeln und Keks, irreführende Reklame abzustellen etc. kann den erregenden Reiz des Einkaufs genießen. Es beginnt schon beim Entziffern der Zutatenliste.


Und dann: fragen. Die richtigen Leute – nicht die arme ausgebeutete Regalschlichterin. Wenn der Filialleiter händeringend die Zentrale anfleht, endlich die Produzenten dazu zu bringen, kundengerecht zu deklarieren und zu produzieren, dann ist das Ziel fast erreicht. Es ist schwierig. In größeren Märkten schon das Vordringen zum Leiter. Psychologie ist gefordert, Charaktere erkennen und je nach dem behandeln, das richtige Maß zwischen Höflichkeit und Härte, wieviel ist zumutbar, die eigene Belastbarkeit und die der Gesprächspartner taxieren. Wem Polizeiknüppel abgehen, der findet reichlich Ersatz in Form aufgebrachter Kunden. Wenn durch sein Fragen ganz ungewollt die Warteschlange vor der Kasse länger wird. Auch das Gemeinschaftserlebnis muß nicht zu kurz kommen. Es ist wegen der mitunter feindlich gesinnten Umwelt und um des Erfolgs willen empfehlenswert, zu mehreren ins Geschäft zu ziehen.


Mit einem Wort, die Aktion Einkauf heißt Erfahrungen und Techniken sammeln, Menschenkenntnis erwerben, ist Schulung fürs Leben, und alles ganz legal. Die in jungen Jahren erworbene Fertigkeit, Ställe abzufackeln, hilft dagegen später kaum weiter. Weder in Freiheit noch beim Sackerlkleben im Gefängnis. Und noch etwas, anders als im Wald beim Hochstand-Umschneiden bekommt man im Supermarkt weder FSME noch Borreliose, von den Zecken.


Übrigens, es gibt keine Altersgrenze. Also, warum es nicht versuchen?


Erwin Lauppert

Ein Sieg?

Der Krieg gegen einen „Meerschweinchenbauern“ in England
Kapitulation des Versuchstierzüchters nach sechsjähriger „Belagerung“


Ende August gab sich die Besitzer der Farm Darley Oaks im mittelenglischen Weiler Newchurch, der ständigen Angriffe radikaler Tierrechtsgruppen müde, geschlagen. Die seit dreißig Jahren betriebene Zucht von Meerschweinchen für Tierversuchslabors, verlautbarte die Bauernfamilie, werde mit Jahresende eingestellt. In Spitzenzeiten waren auf der Farm jährlich bis zu 90.000 Tiere „produziert“ worden.


Johnny Holmes, Sprecher der Kampagne Stop the Newchurch Guinea Pigs (SNGP), frohlockte: „Es ist ein Sieg für die Tiere und ein fundamentaler Sieg für die Tierrechtsbewegung“.


Ist es ein Sieg?

Vor gut einem Jahrzehnt konnten auch wir in der Steiermark einen Sieg verbuchen. Damals fuhren Transporte mit Hasen durch unser Land, von Ungarn nach Italien unsäglich grausam. Der rührige Verein Aktiver Tierschutz konnte in guter Zusammenarbeit mit der Exekutive, die er zu strengen Kontrollen animierte, diese Fuhren unterbinden. Mit dem Ergebnis, daß die Transporte statt dessen, nach wie vor unsäglich grausam, fürderhin durch Slowenien rollten, wo es zu jener Zeit keine Tierschutzkontrollen gab.


Zurück zu den englischen Meerschweinchen.
Gut zwanzig Jahre lang konnten die Farmer, die mit ihrer Meerschweinchenzucht eine Marktnische erkannt hatten, gute Gewinne machen, bis 1999 radikale Tierrechtler sie als Zulieferer der Tierversuchsfirma Huntingdon Live Sciences (HLS) – gegen die bereits eine scharfe Kampagne lief – entdeckten. Eines Nachts kamen Maskierte öffneten Ställe und fotografierten die Tierbehausungen (je zehn Tiere in kleinen Drahtkäfigen ohne Stroh und Rückzugsmöglichkeit). Die Fotos bewirkten eine Sympathiewelle für die kleinen Nager, vielen Menschen in England waren Meerschweinchen Kindheitsgefährten gewesen. Sonntags gegen die Farm zu demonstrieren, wurde langsam für Tierfreunde aus der Umgebung zur Tradition (schreibt beispielsweise die Melbourner Zeitung The Age).


Dann wurde die Gangart schärfer. Die Kampagnenorganisation „Rettet die Newchurch Meerschweinchen“ (SNGP) entstand. Eine kleine Gruppe im Dunklen (die üblicherweise als ALF - Animal Liberation Front bezeichnet wird) beschränkte sich nicht auf legitime Demonstrationen, sondern griff zu Gewalt. Es gab anonyme Drohbriefe, Telefon- und Stromleitungen wurde gekappt, Brandsätze fielen ins Gehöft, schwarze Listen wurden ins Internet gestellt, wer mit den Halls, der Eigentümerfamilie, in Verbindung stand, wurde unter Druck gesetzt, eine Stinkbombe ins Stammgastshaus der Halls, eine indirekte Morddrohung gegen die Raumpflegerin der Familie, Pädophilievorwürfe gegen den Heizöllieferanten. Die Farmer mußen die Milcherzeugung einstellen, weil die Molkerei sich nicht mehr traute, die Milch zu übernehmen. Der Zeitungszusteller wurde bedroht und gab auf, usw. Verängstigt brachen die Leute die Beziehungen zu den Meerschweinchenbauern ab. Im letzten Jahr, schreibt die Berliner TAZ, attackierten Tierschützer die Darley Oaks Farm an die 450 Mal, über 60 Leute wurden verhaftet. Die Polizei gab zur Sicherung der Farm und des Dorfes Hunderte Millionen Pfund aus (Anm. der Red: die Summe ist wohl stark übertrieben, in anderen Gazetten wurde ein Betrag von 500.000 Pfund jährlich bzw. 2,3 Millionen seit 1999 genannt (1 Pfund = ca 1,5 Euro).


Ein Höhepunkt im Krieg: das Grab der vor Jahren verstorbenen Schwiegermutter eines der Farmbetreiber wurde im vergangenen Oktober aufgebrochen und ein Teil der Gebeine verschleppt. Die offiziellen Vertreter der Kampagne verurteilten zwar entschieden diese Grabschändung, doch wer die Stimmung anheizt, muß sich auch Übergriffe anlasten lassen Zur Grabschändung bekannte sich übrigens eine als radikal bekannte Gruppierung Animal Rights Militia, die in einem mit andeutungsweisen Morddrohungen geschmückten Brief einen Tauschhandel Gebeine gegen Meerschweinchen vorschlug. Den möglicherweise letzhin entscheidenden Schlag erhielten die Halls vom Gericht, das statt einer gegen Tierschützer geforderten Verbotszone von etwa einer Meile nur rund 100 Meter zugestand.


Wir möchten hier die Aktionen nicht moralisch werten, wir haben uns oft genug gegen Gewalt ausgesprochen. Die Einstellung gegenüber Terror variiert, das ist nicht neu, des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer. Ob im Tierschutz oder in der hohen Politik.
So betrachten sich bekanntlich viele Israelis als Opfer grausamen blutigen Terrors, während viele Araber in den Selbstmordattentaten Notwehr, das verzweifelt Aufbäumen gegen eine um vieles blutigere terroristische naziähnliche Landnahme- Vetreibungs- und Ghettopolitik sehen; so meinen wie ebenfalls bekannt die meisten Nordamerikaner und auch viele Europäer abweichend von der herrschenden Auffassung im muslimischen Raum, die Zerstörung zweier Hochhäuser in New York, ein im Verhältnis zu den zahllosen in den letzten Jahrzehnten vorwiegend von amerikanischen Bomben vernichteten Häusern und Menschenleben eher kleines Ereignis, sei eine herausragend unmenschliche Terrortat, während sie ihre erwähnten eigenen Bomben vermutlich abweichend von den Be- und Getroffenen großteils positiv beurteilen.


Gleichermaßen gehen die Meinungen zu Tieren auseinander: Wer sind die Terroristen, diejenigen, die Lebewesen unter häßlichen Bedingungen aufziehen und mit ihnen Versuche betreiben, die die Tiere ausbeuten und quälen, oder diejenigen, die dagegen ankämpfen? Übrigens lehnen die sich der sogenannten ALF (Animal Liberation Front) zugehörig Fühlenden (die gewundene Formulierung, weil es die ALF als Organisation gar nicht gibt), Terror gegen Leib und Leben ab.
Der Moralphilosoph Peter Singer hatte Mitte der siebziger Jahre mit seinem zum Bestseller gewordenen Werk Animal Liberation (deutsch Befreiung der Tiere 1978) die Initialzündung für die moderne Tierrechtsbewegung gegeben, auch wenn später viele Tierrechtler seine utilitaristische Philosophie ablehnten.


Die angekündigte Auflassung der Meerschweinchenzucht, veranlaßte die englische Sunday Times zu einem längerem Interview mit Singer unter dem provokanten Titel Gottvater des Tierrechts-Mobs.
Singer berichtigte, er sei nicht der Schöpfer der Tierrechtsbewegung sondern bloß einer ihrer Geburtshelfer. Mit dem Vorwurf, welche Art von Monster er geschaffen habe, konfrontiert: Er bereue es nicht, Animal Liberation geschrieben und zur Tierrechtsbewegung beigetragen zu haben. Auch wenn er sich von einigen Elementen dieser Bewegung distanziere, insgesamt habe sie immens viel Gutes getan. Jede Bewegung einer bestimmten Größe ziehe auch Fanatiker an, das mache jedoch die Idee nicht ungültig.


Auf die Aktionen gegen die HLS-Lieferanen etc. angesprochen, wo würde Singer, ein Verfechter von Gandhis zivilem Ungehorsam, die Grenze ziehen? Er halte eine Briefkampagne, die Drohung die Verbindungen publik zu machen und vielleicht ein Aufruf an die Konsumenten ihre Produkte zu meiden, für vertretbar. Doch vor den Häusern ihrer Angestellten zu protestieren und sie zu beschimpfen und zu bedrohen, ginge zu weit. Soweit Singer.


Lassen wir die Moral, fragen wir nach dem Ergebnis. Hat die Kampagne gegen die Meerschweinchen-Farm, die in ihren Methoden früheren Aktionen, wie die gegen die Hillgrove-Katzenzucht und HLS entspricht, den Versuchstieren geholfen, ihre Lage verbessert?


Mehr als 500 führende Wissenschaftler unterzeichneten, kaum war die Schließung bekannt, allsogleich eine Unterstützungserklärung für Tierversuche in der medizinischen Forschung.
Die überregionale Presse pflegt derartige Kampagnen meist totzuschweigen. Anders bei der Kapitulationserklärung der Farmbetreiber. Die führenden englischen Blätter brachten Kommentare und auch in Deutschland, Österreich, und anderen Teilen der Welt blieb das Geschehen nicht unbemerkt. Grundtendenz der Beiträge ist allerdings Empörung und Wut, nicht über Versuchstierquälerei sondern über den Sieg der ALF und ihre Methoden, insbes. die Grabschändung, und die trotz neuer Antiterrorgesetze als lahm empfundene Haltung der eigenen Regierung. Und dazu die Angst, pharmazeutische und biochemischen Firmen, eine der wenigen Wachstumsbranchen, könne abwandern.


Und Frust über den mangelnden Mut der Angegriffenen. Die etablierte Geschäftswelt ist auch schuldig, schreibt etwa die Times: Große Citiybanken, die ganz glücklich sind, Waffenexport zu finanzieren, verlieren die Nerven, wenn sie HLS gegen Brandsätze und Baseballschläger schwingende Tierbefreier unterstützen sollen. Und die Schlußfolgerung der Times: Kampf dem Tierrechtsterror.
Dagegen kaum etwas über die Motive der Tierrechtler. Lediglich in einer Gazette die Vermutung eines Polizeioffiziers, das von der Labourregierung gebrochene Wahlversprechen, eine Kommission zur Prüfung des Versuchstierwesens einzusetzen, könne etliche in die Illegalität abgedrängt haben. Und die RSPCA, die Royal Society for the Prevention of Cruelty, kurz der führende konventionelle britische Tierschutzverein, sei enttäuscht, daß in der Erklärung der Wissenschaftler nichts über das Tierleid und Alternativmethoden stehe.


Eine Kosten- Nutzenrechnung:
Etliche hundert oder mehr Tierschutzaktivisten haben je etliche hundert Stunden geopfert, also ein Zeitaufwand von 50.000, 100.000 oder mehr Arbeitsstunden, viele vorübergehend in Polizeigewahrsam, nicht wenige für Monate oder vielleicht für Jahre im Gefängnis. Tausende Tierfreunde haben finanzielle, auch große Opfer auf sich genommen, um Aufklärung und Information zu finanzieren.
Der Erfolg: Ein kleiner Außenposten der Tierversuchsfestung gefallen, vielleicht schon durch einen neuen für die Tiere noch schmerzlicheren ersetzt. Die Front der Tierversuchsanhänger versteift, die Tierschützer in der öffentlichen Meinung unten, mehr Polizeistaat, auch gemäßigte Tierfreunde im Visier der Geheimpolizei, vielleicht telefonüberwacht, legale Aufklärungsarbeit durch neue Gesetze arg behindert.


Der Glaube, eine kleine gewaltbereite Gruppe ohne Rückhalt in der großen Mehrheit der Bevölkerung könne gegenüber Kapital und Staat siegen, ist realitätsfremd. Wo sind die Tupamaros, wo ist die RAF?
Wir alle wissen – dank mutiger „verdeckter Ermittler“ – wie es in vielen Tierversuchslabors zugeht. Manche erinnern sich vielleicht noch an die Versuchsanstalt in Münster vor zwei Jahren. Der Ruf, Licht in die Labors ist bisher ungehört verhallt.


Die Deutschamerikanerin Amy Liszt , die zu früh gestorbene begnadete Kämpferin für die Unterdrückten, hatte vor mehr als zehn Jahren in der gaia einen Aufruf veröffentlicht. Er stand vor einiger Zeit schon in der anima, doch er scheint uns gerade hier wichtig:


Tierversuche sagte Amy Liszt, sind eine vorübergehende Zeiterscheinung. Sie bezeugen ein unreifes, nutzorientiertes Verhältnis zur Natur. Den Tieren in den Tierversuchslabors geht es katastrophal. Sie verbringen 9/10 ihrer Zeit in den Käfigen, lediglich 1/10 geht in den Versuchen drauf. Wie lebt es sich wohl im Käfig? Was macht ein zusätzlicher Quadratdezimeter aus? Ihre Würde ist durch ihre Gefangenschaft unwiederbringlich zerstört. Ihre erzwungene Würdelosigkeit erlaubt es, daß sie anders als Haustiere behandelt werden: „Sie gehen sowieso ab in den Versuch.“ Wir kennen die Psychologie aus dem KZ.


Die Tiere, die jetzt im Labor sind, sind verloren. Kein Gesetz kann ihr Schicksal mehr ändern. Heißt das, wir sollen sie allein lassen?

Die zehn Gebote
Und sie formulierte die folgenden Zehn Gebote für die Unterbringung von Versuchstieren (Natürlich zu modifizieren nach den Bedürfnissen der jeweiligen Tierart)
1, Alle (Tag-)Tiere müssen Sonnenlicht haben.
2 .Alle Tiere müssen frische Luft haben. 3. Alle Tiere müssen natürlich, artgemäßes Essen haben.
4. Alle Tiere müssen die Möglichkeit haben, mit anderen ihrer Spezies zusammensein zu können.
5. Alle Tiere müssen die Möglichkeit haben, allein zu sein und sich verstecken zu können.
6. Alle Tiere müssen von natürlichen Stoffen umgeben sein.
7. Alle Tiere müssen ungehindert laufen, fliegen, kriechen, schwingen, hangeln, schwimmen, hüpfen, sich strecken, sich aufrecht stellen, sich langstrecken können.
8. Alle Tiere müssen tierärztlichen Bei-stand bekommen.
9. Alle Tiere müssen eine abwechslungsreiche und stimulierende Umgebung haben. Dazu gehört Spielzeug und aufmerksames und einfühlsames Pflegepersonal. 10. Alle Tiere müssen das Gefühl von Geborgenheit bekommen.

Seit bald hundertfünzig Jahren kämpfen Idealisten für die Abschaffung der Tierversuche. Auch mit Gewalt schon im 19. Jahrhundert. Vergeblich.
Presseberichte zitieren eine Meinungsbefragung, wonach 86 % der britischen Bevölkerung Tierversuche (ohne unnötiges Leiden) als notwenig akzeptieren, und bei uns wird es nicht viel anders sein. Es wurde schon oft gesagt, doch auf die Gefahr langweilig zu wirken, noch einmal:


Wäre es nicht vernünftiger, all die Energie vorerst auf ein erreichbares Ziel zu richten, die Verwirklichung der Forderung „Licht in die Labors“ und auf die Erfüllung der zehn Gebote. Mit anderen Worten, nicht auf die Abschaffung der Versuche sondern vorerst auf bessere Haltungsbe-dingungen zu drängen?


Dann haben wir nicht sechs Siebentel der Menschen gegen uns. Gegen bessere Haltungsbedingungen fallen triftige Argumente schwer. Ebenso gegen die Forderung nach mehr Licht, nach Videokameras. Nebenbei, je teurer die Versuchstierhaltung wird, umso eher bequemt sich die Wissenschaft zu Alternativmethoden.
Lassen wir die Versuchstiere nicht allein.


Erwin Lauppert


Wozu Tierrechtsphilosophie?
Helmut F. Kaplan

"Alles wird wieder gut", beruhigen wir uns und andere gerne, wenn wir enttäuscht sind oder Probleme haben oder nicht einschlafen können. "Alles wird wieder gut: Ist es momentan auch schwer, letztlich wird doch alles wieder gut werden." ..... weiter siehe . www. Tierrechte-kaplan.org.

Helmut F.Kaplan, Philosoph und Autor zählt zu den Pionieren der Tierrechtsbewegung. Zahlreiche Bücher zur Ethik der Mensch-Tierbeziehung. U.a. Leichenschmaus, Tierrechte – die Philosophie einer Befreiungsbewegung, zuletzt Die ethische Weltformel – eine Moral für Menschen und Tiere.

 

Leserbriefe

Heimtiere?


Im Artikel ‚Fragen und Meinungen’ streifen Sie auch das Thema Heimtierhaltung. Zum wiederholten Male fühle ich mich gedrängt, meine Skepsis zu begründen und darzulegen, daß die Heimtierhaltung dem Tierschutz nicht dient und daß die Heimtierhalter in ihrer überwiegenden Anzahl vielleicht Freunde ihres Heimtieres aber keine Tierfreunde sind.


In jedem Menschen steckt nur ein begrenztes Tierschutzpotenzial, das heißt er ist bereit und in der Lage nur einen begrenzten Zeit-, Geld- und Geistesaufwand in diesen Teilbereich menschlichen Lebens zu investieren. Das wissen auch die Nutztierhalter, die auf ihrer Seite stehenden weltlichen Machthaber und die Futtermittelindustrie. Sie sind, in Zusammenarbeit mit den meisten Medien, daher bestrebt, dieses Potenzial zu kanalisieren und mit Inhalten zu füllen, die ihnen nicht schaden, ja sogar nützen können.
Dem dient die hemmungslose und hinterhältige Reklame für die Hunde- und Katzenhaltung, auf die auch wohlmeinende Tierschützer hereinfallen und die von gekauften Tierschutzvereinen bewußt mitgetragen wird. Ihnen wird suggeriert, sie seien Tierfreunde, weil sie ihr Heimtier hätscheln und von ihm menschliche Verhaltensweisen verlangen. In Wirklichkeit ist es nur die Fokussierung auf ein oder mehrere gehaltene Tiere und die völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Preis, der für die Lebenserhaltung dieses oder dieser Heimtiere von anderen Tieren gezahlt wird. Sprechen Sie einmal einen Hunde- oder Katzenhalter daraufhin an, ob er sich Gedanken gemacht hat, wie die Futtertiere gehalten und getötet werden. Die gängige und eingetrichterte Antwort ist meistens: Mit Ihnen kann man nicht diskutieren, die Futtertiere werden ja dazu gezüchtet. Wenn Sie dann noch auf die Tierversuche zu sprechen kommen, die zur Entwicklung von Tierfutter und für die Heimtiermedizin und –chirurgie durchgeführt werden, schaltet ein solcher „Tierfreund“ gänzlich ab.


Gänzlich entkommen aber auch jene meiner Freunde aus der Tierrechtsszene meiner Kritik nicht, die die von ihnen gehaltenen Hunde und Katzen vegan ernähren. Abgesehen von der nicht geklärten Frage, welche Auswirkungen eine vegane Ernährung auf fleischessende Raubtiere hat, kann man kaum gegen die von der Heimhaltung ausgehenden Tierquälereien auftreten, wenn man selbst Heimtiere hält.


Ich fühle mich durch das Verbot des Hunde- und Katzenverkaufes in Tierhandlungen im § 31 (5) TG von unerwarteter Seite bestätigt. Niemandem soll sein Heimtier abgenommen werden, aber zumindest die Tierschutzvereine sollten die Reklame für die Heimhaltung einstellen.


Dr. Bernd Haberditzl, Fritzens, Tirol

 

Nochmals Pferdsport


Vor 25 Jahren war ich selbst noch ein stolzer Pferdebesitzer und verbrachte jede freie Minute mit meinem Wallach.


Männliche Tiere, die nicht zur Zucht verwendet werden, werden um sie gefügiger zu halten in der Regel kastriert. (operative Hodenentfernung). Den weiblichen Tieren ergeht es diesbezüglich besser.

Auch wenn sie noch so geliebt werden, dienen Reitpferde vorwiegend dem Eigenvergnügen. Mit dem Zaumgeschirr werden Pferde bei Ausritten und Kutschenfahrten gelenkt. Dass das empfindliche Schmerzen in ihren Lippen verursachen muss ist logisch, sonst würden sie nicht “parieren”. Das Verwenden von Sporen und Peitschen ist bei Reitern nicht unüblich. Schmerzende Druckstellen von schlecht sitzenden Sätteln sind keine Seltenheit. Manchen widerspenstigen Pferden wird beim Beschlagen ein “Bremserl” angelegt. Dabei wird die Oberlippe mit einem Strick zugezerrt um sie durch Schmerz vom Vorgang des Beschlagens abzulenken.


Bei Erkenntnis des Eigenvergnügens wird das Mitgefühl für das Leben der Pferde erweitert und tritt allmählich in den Hintergrund. Dem Pferd “Maulketten” wegen Freizeitvergnügen anzulegen nimmt ab. Viele sind der Meinung, es ist besser auf dem Pferd zu reiten als die unnatürliche Bewegungsarmut im Stall.


Wer sich tiefgründig mit diesen Gedanken auseinandersetzt, wird dabei keine Freude haben.
“ Die in den Mülltonnen endenden Blumensträuße erwecken bei vielen Menschen Glücksgefühle, bei Pferden ist es ähnlich”.


Ortwin Maritsch,8990 Bad Aussee

 


Vegetarismus

Unser Motto:
Leben und leben lassen!

Vegetarierinnen - Vegetarier ?


Das sind Menschen,
denen es keine Freude macht, Tiere quälen oder töten zu lassen und die auch keine Notwendigkeit sehen, das zu tun.
Denn die Erde bewirtet uns köstlich.

 

Noch zwei gewichtige Gründe:


Fleisch essen heißt Nahrung verschwenden: Die Tiere werden mit Getreide, Sojabohnen etc. gemästet. 1 kg Fleisch kostet 4 bis 10 kg Getreide. Fleischernährung verlangt gegenüber pflanzlicher Kost ein Vielfaches an Ackerland.


Und: Weniger Fleisch bedeutet gesünder leben.


Wir meiden im allgemeinen spezielle Ernährungsvorschläge. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist einfach. Sowohl in der Schulmedizin als auch bei den Alternativen (u.a. Bircher-Benner, Kollath, Waerland, Bruker) gibt es zum Teil sehr unterschiedliche Auffassungen, die teils dezent, teils herb vertreten werden. Vom strengen Rohköstler (u.a.Walker, Konz) bis zum Rohkostfeind. Es muß daher jeder nach seiner Fasson selig werden.

Ein Großteil der Vegetarier, die wir kennen, befleißigt sich einer abwechslungsreichen, an Obst und Gemüse reichen Kost mit kleinerem oder größeren (gut gekautem oder aufbereitetem (Bicherraffel-Glasreibe!) Rohkostanteil.
Eines ist sicher, sowohl lakto-ovo-vegetarisch als auch vegan läßt sich gut leben.
Nähere Informationen und Ernährungsratschläge geben u.a. die auf der nächsten Seite verzeichneten Bücher von Leitzmann/Hahn und für Veganer von Langley und Barnard.


Vegetarierin im Krankenkassen-Magazin Xund

Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse gibt vierteljährlich ein illustriertes Magazin an alle Haushalte des Landes heraus, Xund betitelt, mit Ratschlägen für ein gesundes Leben. Zwei Seiten der letzten Nummer widmete sie der Autorin des Buches Die Pflanzensprecherin kocht, ihrer Lebensauffassung und ihren Rezepten. Unter den Schlagzeilen: Xund essen mit Genuß – Das Bild vom Vegetarier als ausgehungertem ‚Körndlfresser“ bringt Silvia Maritsch-Rager mit ihren vegetarisch-veganen Rezepten mächtig ins Wanken – Silvia Maritsch-Rager zeigt, wie gut fleischlose Küche sein. Das Buch hatten wir in anima 4/2004 besprochen. Es kann über den Buchhandel oder im Internet unter w ww.pflanzensprecher.info bestellt werden-


Vitamin B 12


Die Notiz in der letzten Nummer der anima mit dem Hinweis, für Veganer sei eine Ergänzung angezeigt, blieb nicht ohne Widerspruch. U.a. unter Hinweis auf Dr. Bruker, aber auch auf die Bibel. Es ist richtig, das Thema ist umstritten. Es mag durchaus sein, daß Naturmenschen, die abseits unserer hygienischen Standards leben, keinen Mangel zu befürchten haben und es mag auch sein, daß die medizinische Wissenschaft nicht in allem recht hat.
Ein Problem liegt darin, daß ein B12– Mangel, der oft erst nach vielen Jahren eintritt, häufig erst erkannt wird, wenn es bereits zu irreparablen Schäden gekommen ist.
Leitzmann/Hahn sagen beispielsweise in „Vegetarische Ernährung –Gesund und bewußt essen“ S. 57: Um den Folgen des Vitamin B12-Mangels rechtzeitig entgegenzuwirken, gibt es mehrere Möglichkeiten: So können fermentierte Lebensmittel, wie Sauerkraut und Joghurt, eine gewisse Menge an Vitamin B12 liefern. Außerdem gibt es mit Vitamin B12 angereicherte Lebensmittel... Die Einnahme eines Vitaminpräparats ist deshalb oft gar nicht erforderlich.

Bio ?
Schweinerei im Ökostall

Diese Schlagzeile stellt die angesehene Umwelt-Zeitschrift natur + kosmos in ihrer jüngsten Ausgabe einem Bericht über Bedenkliches in der Viehhaltung vieler Bio-Bauern voran. Ähnliches stand bereits zuvor in Beiträgen der anerkannten dem Biolandbau verbundenen Fachleute Univ.Prof. Haiger und Bartussek u.a. im Freiland Journal, der Zeitschrift des „Freilandverbandes für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung“, der aus der „Kritischen Tiermedizin“ hervorgegangen ist.
Die Mängel betreffen u.a. Euter- und Klauenerkrankungen bei Rindern, Lebererkrankungen bei Schweinen. Und in nicht geringem Maße auch die häufige Nichterfüllung von Haltungsbedingungen.

Die Ursachen sind vielfältig. Die Leistungsexplosion in den Ställen (jährliche Milchleistung der Kuh 2000 auf 10.000 Liter) halten viele Tierärzte für die eigentliche Ursache der Gesundheitsprobleme – egal ob biologisch oder konventionell betrieben, schreibt die Naturzeitschrift in Übereinstimmung mit Freiland. Auch die Biobauern arbeiten meist mit solchen auf Hochleistung gezüchteten Tieren.


Die Großzügigkeit der EU-Bio-Norm, die wesenswidrig die Zufütterung von bis zu 50 % Kraftfutter erlaubt, tut ein übriges. In den 1990er–Jahren wurden hierzulande zahlreiche konventionelle Grünlandbauern motiviert, auf Bio umzustellen, da dies bei Grünland keine besonderen Schwierigkeiten macht. Das Problem der Tierhaltung blieb dabei unerwähnt. Und so – wir zitieren Bartussek – „blieb ein großer Teil der etwa 20.000 österreichischen Rinderbetriebe in einer nur mittelmäßigen Beurteilung der Tiergerechtigkeit, ein dem Anspruch des Premiumsegments am Markt nicht entsprechender Zustand“.


Der Gesetzgeber und die meisten Bio-Verbände waren und sind zu großzügig. Auch Betriebe, die ihren Milchkühen aufgrund der Hoflage keinen Weidegang ermöglichen konnten, wurden als Biobauern zugelassen. „Auslauf“ auf einem befestigten graslosem Platz etwa in Stallgröße genügt. Ein Ort im Industriedunst eignet sich nicht zum Luftkurort. Das mag für das Erwerbsstreben seiner Bewohner bedauerlich sein, aber es läßt sich nicht ändern. Ebenso ist es in hohem Maße unreell, mit Kühen auf der Weide zu werben, wenn die nur auf einem gepflastertes Fleckerl neben dem Stall stehen. Es darf bzw. dürfte nur ein Tierbetrieb bio werden, der auch lagemäßig bestimmte Voraussetzungen erfüllt.


Auch zu hohe Betriebsgrößen bzw. Tierbestände spielen eine Rolle. Nach modernen statistischen Kriterien erwies sich auch die Mensch-Tier-Beziehung als ein für die Tiergesundheit zentraler Einflußfaktor, so eine Untersuchung der Wiener Vet. Med. Uiversi-tät. Schon vor Jahrzehnten hat man in den USA nachgewiesen, daß Frauen erheblich mehr Erfolge bei der Kälberaufzucht haben als gestreßte Betriebsleiter.


Nicht zu unterschätzen ist natürlich der Druck der ins Bio-Geschäft eingestiegenen großen Handelsketten auf die Preisgestaltung. Die Bio-Betriebe riskieren, daß sich ihr Publikum enttäuscht abwendet. Ganzseitige Handelsketten-Inserate helfen da nicht.


Über eines muß sich natürlich auch der Konsument klar sein. Wenn der Preis für Bio-Waren nur gering über dem der konventionellen liegt, kann auch die Tierschutz-Qualität nicht viel höher sein.
Was tun? Ein konsequenter Schritt ist, auf tierische Produkte zu verzichten oder wenigstens den Konsum einzuschränken. Ansonsten empfehlen wir immer noch, biologischen Tierprodukten gegenüber konventionellen den Vorzug zu geben. Denn trotz allem, im Schnitt ist die Tierhaltung in Öko-Betrieben immer noch die bessere.


Bei Fleisch sollte man sich im allgemeinen auf solches aus Mutterkuhhaltung konzentrieren, z.b. Styria beef, oder Weiderind. Zu den Bio-Verbänden mit den strengsten Richtlinien zählt der Freiland-Verband (Markenzeichen KT-Freiland). Ein allerdings nicht überall möglicher Weg wäre es, sich von den Handelsketten ab und auf einzelne vertrauenswürdige Bauern oder Bioläden auszuweichen.
Eine Information der Gesellschaft für humane Nutztierhaltung, Postfach 1, 8017 Graz, Tel. 0316-46 37 17. Nähere Auskünfte über Bezugsquellen hier.

E.L.

 



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