Inhalt Nr.3/2008

 

 

Editoral....................................................... 2
Gourment & Gourmand Depardieu sagt:
"Das Schwein ist das smarteste aller
Tiere, aber es muß Opfer bringen"
steht schlagzeilenartig in der ....

Jan Stastny
Franz Kafka – ein engagierter Vegetarier .. 4

Erwin Lauppert
Vegane und andere Vegetarier ................ 9

Vegetarische Informationen .................. 11


Konsumenten-Info
Karin Ulich
Eine Milchkuh klagt an ......................... 12


Bücher ............................................... 13
P.Schössow, Gehört das so!!?
Fast eine Buchbesprechung von Ute Esselmann


Kochbücher ........................................ 14
L. Brorsson Alminger, Vegetarische Jul;
H. Walker,Vollwertige Weihnachtsbäckerei

Manfred Kyber
Stumme Bitten ................................... 15


Lebensmittel gegen Futter .................... 16
Petition an die Uno, Bitte unterschreiben!


Jagd brutal ......................................... 17


Tierrechtskongreß ............................... 18


Notizen .............................................. 18


1.Oktober: Welt-Vegetarier-Tag ............ 19


Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden . 20


Impressum ......................................... 20

 

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Moeros, den Dolch im Gewande;
ihn schlugen die Häscher in Bande.
„ Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!“
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
„ Die Stadt vom Tyrannen befreien!“
„ Das sollst du am Kreuze bereuen.“

Aus: Friedrich Schiller, Die Bürgschaft

 

Liebe Leserinnen und Leser,


Gourment & Gourmand Depardieu sagt: Das Schwein ist das smarteste aller
Tiere, aber es muß Opfer bringen
steht schlagzeilenartig in der September-Ausgabe des in Millionenauflage erscheinenden Lifestyle-Magazins The Red Bulletin.
Aufs Schwein paßt das Zitat auf der Titel-seite nicht gerade. Denn wenn es auch um-gebracht wird, wütender Tyrann ist das von einem der führenden französischen Schau-spieler, zugleich Feinschmecker und Koch-buchautor so hochgelobte Tier wohl kaum. Wenn schon, Anrecht auf den Titel Tyrann und Wüterich hätten da eher die, die es tau-sendfach, vielmillionenfach in engen Verlie-sen hochmästen und töten lassen, um ein bißchen Gaumenkitzels wegen.
Auch „Tyrannenmörder“, das paßt nicht fürs Schwein. Der Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti hat einmal gesagt: Es schmerzt mich, daß es nie zu einer Erhebung der Tiere gegen uns kommen wird, der geduldigen Tiere, der Kühe, der Schafe, allen Viehs, das in unsere Hand gegeben ist und ihr nicht entkommen kann.
Also, alle Esser von Schweinen dürfen beru-higt sein, diese können den Spieß nicht um-drehen.
Das Thema Tyrannenmord oder abge-schwächt die Frage, inwieweit dürfen Men-schen sich gegen ungerechte, brutale staatliche oder staatlich geduldete Gewalt mit Mitteln der Gewalt zur Wehr setzen, be-schäftigt Denker, Philosophen, wie schon oft bemerkt, seit Jahrtausenden. Es berührt Tierfreunde neuerdings in mehrfacher Hinsicht.
Zwar wirft nicht einmal der Wiener Neu-städter Staatsanwalt den jetzt vorläufig freigelassenen Tieraktivisten geplanten Tyrannenmord vor, doch wertet er, wenn Presseberichte stimmen, die Tatsache, daß Martin Balluch, der ja auch Doktor der Philosophie ist, über diese philosophische Frage einmal philosophiert hat, als Indiz für die ihm angelasteten Taten. Elias Canetti kann der Staatsanwalt nicht mehr anklagen, der ist schon gestorben.
Macht Nachdenken verdächtig? Wenn es tatsächlich massenhafte schlimmste Quälereien gegen Tiere und gewalttätige Gegenaktionen gibt. Tatsächlich haben schon vor mehr als hundert Jahren Vivisektionsgegnerinnen Anschläge verübt und vor allem im angelsächsischen Raum wurde oder wird noch mit harten Bandagen gekämpft, wobei es allerdings die Tierschutzseite ist, die außer im Falle Pim Fortyn die Todesopfer zu beklagen hatte.
Bei uns geht es dagegen eher unblutig zu. Daß ein Amtsveterinär, weil er auf Einhal-tung der ohnehin dürftigen Gesetze drängte, im Auftrag von Tierfabriksbesitzern, ermordet wird, kam bisher nur in Belgien vor, in Deutschland wurden Ärzte aus Fabriken geprügelt, bei uns berichtet der eine oder andere Amtstierarzt lediglich, daß pflichtgemäße Berufsausübung mit beruflichen Schikanen geahndet wurde. Martin Balluch sagt: Ich wurde schon mehrmals von den politischen Gegnern krankenhausreif geschlagen, habe Todesdrohungen erhalten. Auch der VgT berichtet über Drohmails und andere gefährliche Drohungen. So viel zu den Aktivitäten der Tyrannenseite.
Die vermeintlich, wir sagen ausdrücklich vermeintlich, zugunsten der Tiere gesetzten Gewaltakte halten sich hierzulande in Grenzen. Die Polizei hat endlich Tatzahlen veröffentlicht – allerdings ohne präzisere Daten, sodaß Lausbubenstreiche und Ernsteres schwer zu trennen sind. Seit 1996 224 Fälle unterschiedlichen Gewichts, von denen bis-lang ohne Beweis rund sechzig den verhaf-teten Tierschützern zugerechnet werden. Im Vergleich zu den im selben Zeitraum in Österreich insgesamt begangenen rund sechs Millionen Straftaten nicht gerade viel.. Jede einigermaßen engagierte Einbrecherbande hat eine größere Erfolgsbilanz. Die Bevölkerung leidet unter Räubern, Einbrechern, Sachbeschädigern usw. und hätte da gern mehr Exekutiveinsatz. Auch daß ein Mord an einer Slowakin arbeitssparend zum Selbstmord erklärt wurde, wirkt nicht beru-higend. Die Polizei schützt Unternehmer. Wie ja auch bei der Einfuhr Waren, die Mar-kenrechte verletzten, vernichtet werden, nicht jedoch Waren, die unter unmenchli-chen Bedingungen erzeugt wurden.
Natürlich können, so wie Gewaltakte für andere Bürger, tierschützerisch motivierte zerstörerische Akte für den einen oder an-deren kleineren Unternehmer oder Bauer existenzgefährdend sein. Sie vergiften dazu die Atmosphäre zwischen Bauernschaft und Tierschutz, hindern die Zusammenarbeit und damit Verbesserungen. Der Gedanke, eine kleine Minderheit könne der großen Mehrheit mit Terror ihren Willen aufzwingen, das schreiben wir – auf die Gefahr hin langweilig zu werden – seit vielen Jahren, ist absurd.
Fragwürdig ist allerdings die Polizeireaktion. Es ist so wie einst im Weltkrieg oder heute im Irak oder anderswo. Die Besatzer wissen nicht, wer Täter ist, und bringen halt alle in der Umgebung um. Ähnlich hier. Einige Ver-eine propagieren legitime Ziele. Einige Un-bekannte versuchen, die Ziele mit Gewalt zu erreichen. Der Staat weiß sich nicht zu helfen und sperrt halt bekannte Vereinsaktivisten ein. Nimmt den Vereinen alle Unterlagen, legt sie damit weitgehend lahm. In der Hoffnung, vielleicht finden wir dort etwas Belastendes. Auf diesen indirekten Verfas-sungsbruch und diverse Brutalitäten ange-sprochen, schweigen VP-Innenministerin und SP-Justizministerin in trauter Zweisam-keit eisern. Ob im Irak oder in Österreich, mit diesen Methoden erreicht die Staatsge-walt meist das Gegenteil.
In der Jugend gibt es immer Gewaltbereit-schaft. In Film, TV wird Gewalt vorexerziert. Manche Sänger/Innen zeigen sich in ihren Video-Clips durchaus Schaufenster-einschlagungsfreudig. Erst unlängst, und das ist kein Einzelfall, zogen hier ein paar 14jährige Mädchen eine Bahn der Verwüstung durch ein kleines Städtchen: weil ihnen so fad war. Es wird sich kaum verhindern lassen, daß einzelne junge Menschen durch zynische Äußerungen, wie sie Herr Depardieu von sich gab, empört Gewalt vermeintlich nützlich anwenden.
Friedrich Schiller, Elias Canetti oder sonst wen, den man der Tyrannenmord-Sympathie verdächtigt, einsperren, dürfte da wenig helfen. Eher schon, die Ursachen beseitigen, Licht in Ställe und Versuchsla-bors bringen und Tierquälerei abstellen.
Damit genug zu diesem Thema, von dem schon die letzte anima voll war.
Unser Blatt schweift diesmal ein wenig in die Vergangenheit und denkt 125 Jahre nach seiner Geburt an Franz Kafka, von dessen Vegetariertum nicht viele wissen. Vor 75 Jahren ist Manfred Kyber, der Schriftsteller und große Tierfreund, gestorben. Auch seiner will eine berührende Tierskizze erinnern, und zugleich an den Welttierschutztag, den 4.Oktober, den Todestag des Hl. Franziskus. Auch der 3.November, der Tag des hl. Hubertus, den die Jäger ein bißchen verwirrt zu ihrem Heiligen erkoren haben, ist nicht mehr fern. Ein Bericht beschäftigt sich mit grauslich Abwegigem in Jagd und Jagdgesetzen. Die Frage konsequent zu moderat wird noch behandelt. Schließlich legen wir Ihnen noch mit der Bitte um Mitunterzeichnung eine von europäischen Vegetariern initiierte Petition an die UNO vor. Und auch der Welt-Vegetarier-Tag, der 1.Oktober soll nicht vergessen sein.


Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen Mut und Ausdauer im Bemühen um Besserungen
Und schöne Herbsttage


Ihre anima-Redaktion

 

 

 

Vor 125 Jahren, am 3.Juli 1883 wurde der Schriftsteller Franz Kafka geboren.


Franz Kafka – ein engagierter Vegetarier


Jan Stastny


Gekürzte Wiedergabe eines auf dem Vegetarier-Welt-Kongreß 2008 in Dresden englisch gehaltenen Vortrags

Franz, Kafka, Vegetarismus, Moriz Schnitzer und die Internationale Vegetarier Union


In diesem Referat bringe ich einige interessante Fakten aus dem Leben Franz Kafkas, über sein Vegetariertum und auch über seine Verbindungen zur Internationalen Vegetarier Union (IVU). Ein Teil der Arbeit handelt auch von Moriz Schnitzer, einem jüdischen Vegetarier aus Nordböhmen, dessen Organisation Mitglied der IVU war und der den IVU Kongreß 1929 organisierte. Kafka hatte Schnitzer 1911 getroffen und folgte seinen Ratschlägen zur gesunden Lebensführung. Fünfzehn Jahre lang bezog er auch dessen Zeitschrift Reformblatt. Hauptquelle meiner Arbeit waren Kafkas Tagebücher und seine Korrespondenz, die ich jedem, der meint, Kafka sei langweilig und schwer zu lesen, sehr empfehle. Es ist eine überraschende Lebensreise, sie erzählt uns natürlich eine Menge über seinen Vegetarismus.
Ich beginne mit einer sehr kurz gefaßten Vorstellung Kafkas, um mich dann näher mit seiner vegetarischen Lebenführung zu befassen.


Kafka wurde 1883 in Prag, der Hauptstadt Böhmens, damals Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, geboren. Er war das älteste von sechs Kindern einer deutschsprachigen jüdischen Familie. Nach dem Gymnasium studierte er Rechtswissenschaften an der Prager Karls-Universität, erwarb das Doktorat und begann in einer Versicherungsgesellschaft zu arbeiten. An Literatur interessiert begann er zu schreiben und zu publizieren, und wurde schließlich zu einem der bedeutendsten Autoren der modernen Literatur. Berühmt sind seine Werke Die Verwandlung, Der Prozeß und Das Schloß.
Sein Vater stammte aus einer koscheren Fleischerfamilie (woraus für Franz eine Menge Probleme entstanden) und besaß in Prag ein Geschäft für Galanteriewaren. Kafka litt an Tuberkulose und starb mit 40 Jahren.

Irrmeinungen und Realität


Es ist viel Falsches über Kafka in Umlauf. Wer seine Tagebücher und Briefe und dann einige der hunderten Bücher, die über ihn publiziert wurden, gelesen hat, dem scheint es, diese Autoren hätten nie Kafkas eigene Schriften gelesen sondern nur aus anderen Büchern wiedergekaut. Einer der Mythen lautet, Kafka sei während seines Lebens unbekannt geblieben und erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckt worden. Die Wahrheit ist, er war nicht nur als Schriftsteller sondern auch als Vegetarier bekannt. Im Juni 1918 nennt ihn das Prager Tagblatt dreimal in zwei verschiedenen Artikeln, in einem über deutsch schreibende Prager Autoren heißt es:
Kafka, der für seine Erzählungen „Der Heizer“ und „Die Verwandlung“ den Fontane-Preis erhielt, zog sich sensitiv zurück, kaufte irgendwo in Deutschböhmen einen Garten, in dem er – vegetarisch dem Essen und der Beschäftigung nach – Rückkehr zur Natur sucht: ...
Es gibt noch andere Irrtümer, z.B. Kafka habe Prag geliebt, sei schüchtern gewesen, vor allem Frauen gegenüber, und habe seinen Beruf nicht geliebt.
De Wahrheit ist, er wollte aus Prag hinaus, war viel auf Reisen in Europa, hatte mehr Frauen als im heutigen Durchschnitt und war ein ausgezeichneter Rechtsfachmann, so gut, daß ihn sein Arbeitgeber sogar während krankheitsbedingter langer Abwesenheit vom Dienst beförderte und den Gehalt erhöhte; und ihn im ersten Weltkrieg vor dem Wehrdienst bewahrte.
Kafkas berühmter Ausspruch
Einen Satz Kafkas kennt man in der ganzen Welt: Nun kann ich euch in Frieden betrachten;, ich esse euch nicht mehr, meinte er zum Fisch im Aquarium. Max Brod, der beste Freund Kafkas, berichtet in seiner Kafka-Biographie, der Schriftsteller habe dies gegenüber Brods Braut Elsa, 1913 in Berlin vor einem Aquarium gesagt und fügte bei, er (Kafka) sei strenger Vegetarier geworden...und habe Vegetarier mit den frühen Christen verglichen: wie sie würden Vegetarier in schmutzigen Wirthäusern verfolgt und verspottet.


Kafka – Vegetarier


Wann genau Kafka Vegetarier wurde, ist nicht bekannt, doch war es um die Jahre 1909 – 1910. Eine erste Tagebuchnotiz findet sich im Dezember 1910. Er war vielleicht von seinem Onkel Siegfried Löwy, einem Arzt, beeinflußt. Er begann auch Übungen aus dem Buch Mein System des dänischen vegetarischen Athleten Jorgen Peter Müller (1866 – 1938), der 1906 Vorträge im Prager vegetarischen Restaurant gehalten hatte, und entschloß sich, nach den Regeln Horace Fletchers (1849 – 1919) zu essen: die Nahrung vielmals zu kauen. Dieses System intensiven Kauens bewog den Vater Kafkas, monatelang seinen Sohn beim Mittagessen nicht anzuschauen.
1911 kam Kafka mit Moriz Schnitzer zusammen, der ihm riet, vegetarisch zu essen, viel in frischer Luft zu sein, bei offenem Fenster zu schlafen und im Garten zu arbeiten. Kafka folgte diesen Ratschlägen einschließlich der Gartenarbeit. Nach dem Büro ging er zu einem Prager Gärtner und half ihm. Nicht viele Gärtner hatten einen Rechtskundigen als Gehilfen.
Kafka wurde aus Gesundheitsgründen Vegetarier, doch sein Vegetarismus war auch ethisch motiviert. Später schloß er mit seiner Schwester Ottla eine Vereinbarung: Sollten die Ärzte ihn zwingen, Fleisch zu essen, würde die Schwester an seiner Stelle Vegetarierin werden. Es war dies vielleicht ein Weg, Tiere zu schützen. Die Schwester hielt das Versprechen auch nach seinem Tode und blieb Vegetarierin bis zu ihrem Ende in Auschwitz im Jahre 1943.
Es gibt ein anderes sehr interessantes Faktum. Kafka schrieb sehr oft über Tiere. Zum Beispiel 1917 die Kurzgeschichte Ein Bericht für eine Akademie über die Trennlinie zwischen Mensch und Tier: ein Affe hatte, um der Gefangenschaft zu entgehen, gelernt sich wie ein Mensch zu verhalten und schreibt über die Wandlung einen Bericht an die Akademie. Doch gibt es viele andere Tiere in seinen Arbeiten: eine singende Maus, einen Maulwurf, Schakale, Hunde, Pferde, Ochsen und andere. In seinen Geschichten wird Fleisch roh und blutig gegessen.


Moriz Schnitzer – Fanatiker oder Philanthrop?


In Büchern über Kafka wird gesagt, Schnitzer sei Fanatiker oder Sektierer gewesen. Das steht in manchen Biographien und zeigt, daß die Autoren nicht wissen, worüber sie da schreiben.
Moriz Schnitzer war ein erfolgreicher jüdischer Geschäftsmann, Besitzer einer Textilfabrik in Warnsdorf in Nordböhmen. Nach Jahren gesundheitlicher Probleme hörte er von Vegetarismus und gesunder Lebensführung und begann anderen Menschen zu helfen. Er gründete 1894 einen Naturheilverein (Anm. Im ausgehenden 19. Jahrhundert kam es vielerorts zur Gründung von Naturheilvereinen) und eine Zeitschrift, genannt Reformblatt für Gesundheitspflege. Es gelang ihm, in kurzer Zeit viele „Zurück zur Natur“ – Gruppen zu einer großen Organisation zu vereinigen. „Naturheilen“ war nicht die heutige esoterische Form des natürlichen Heilens. Schnitzer wies die Menschen an, gesund zu essen und körperlich aktiv zu sein. Er half Menschen zu Gesundheitsvorsorge, die es sich nicht leisten konnten, dafür zu zahlen.
1906 kaufte er ein große Fläche Landes und vergab sie als Gemüsegärten, eine große Hilfe vor allem während der Hungersnot im ersten Weltkrieg. Später kaufte er zum selben Zweck ein weiteres großes Stück Land und schuf dort auch ein öffentliches Schwimmbad. Die Gärten bestehen noch heute.
Während des ersten Weltkriegs tauschte er Waren aus seinen Fabriken gegen Lebensmittel und gab sie den Armen. Zusammen mit anderen Prager Vegetariern forderte er abweichende Lebensmittelrationen für Vegetarier. Oftmals wurde er der unbefugten Heilbehandlung angeklagt, doch immer freigesprochen.
Ein Beispiel seiner Gewandtheit, Probleme zu lösen, wird im Jahre 1900 in einer tschechischen Vegetarier-Zeitschrift erzählt. Als einer seiner Vorträge verboten wurde, erklärte er ihn zu einer Wählerversammlung. Die konnte nicht verboten werden, bedurfte keiner Genehmigung und war aufsichtsfrei.


In der Zeitschrift Vegetarian Messenger (der britischen Vegetarischen Gesellschaft) heißt es in einem Artikel im September 1935:
Mr. M. Schnitzer sprach über den “Ethischen Wert des Vegetarismus“. Er sei Vegetarier aus moralischen Gründen. Jeder Mensch sollte sich bei seiner Entscheidung von seinem Gewissen leiten lassen, und von seinen Sinnen: Sehen, Riechen, Hören, Schmecken. Allerdings, unsere Sinne seien jahrhundertelang arg mißbraucht und die Aufnahmsfähigkeit verdorben worden. ... Es war der erschütternde Anblick eines Tieres, das im Freien geschlachtet wurde, der ihn zum Vegetarismus führte. Eines schönen Morgens sah er eine junge Kuh an einen blühenden Lindenbaum gebunden. Der Fleischer trat in dies friedliche Bild, betäubte die Kuh mit einem wuchtigen Axtschlag und schnitt ihr die Kehle durch. Wie anders wirkt dieser Eindruck auf die Sinne als der Anblick eines Obstgartens voll reifer Früchte.
Im Jahre 1923 nahmen Schnitzer und sein Sohn Adalbert am Kongreß der Internationalen Vegetarier Union (IVU) in Stockholm teil und der Naturheilverein wurde deren Mitglied. Schnitzer nahm auch an weiteren Kongressen teil. Gemeinsam mit seinen Freunden Bernhard O. Dürr und Hans Erwin Feix, beide in der IVU aktiv, organisierte er 1929 den Kongreß in Steinschönau (in Nordböhmen nahe der Grenze zu Sachsen, jetzt Kamenicky Senov).


Alles lief seine ordentliche Bahn bis zum Münchner Abkommen 1938 und der Annexion der nordböhmischen Grenzregion, wo Schnitzer lebte, durch Hitler-Deutschland. Als Jude wurde Schnitzer nach 44jähriger Obmannschaft im Naturheilverein nicht mehr wiedergewählt (und nicht einmal eingeladen) und durch seinen alten Freund Bernhard O. Dürr, damals Präsident der IVU, ersetzt. Diese Vorgangsweise wurde im tschechischen Vegetarier-Magazin Naturdoktor als Zeichen der aufsteigenden Macht der Nazis und rassistischer Säuberung scharf kritisiert. Hans Erwin Feix, der Sekretär der IVU, wird als einer derjenigen genannt, die sich weigerten, Schnitzer wiederzuwählen.


Wir wissen nicht viel darüber. Vielleicht war es der erfolglose Versuch, den Naturheilverein zu retten. Doch der Verein verlor seine Selbständigkeit und wurde Teil einer NS-Organisation. Schnitzer starb im Februar 1939 in seinem Haus und entging so dem Tod im Konzentrationslager. Bernhard Dürr starb während des Krieges und Feix war verschollen. All dies bewirkte den Verlust des Archivs und aller Aufzeichnungen der IVU; vielleicht wurden sie von den Nazis konfisziert.


Schnitzers Naturheilverein war seit dem Kongreß 1923 in Stockholm Mitglied der IVU. Kafka war Abonnent des Reformblattes von 1911 bis zu seinem Tode. Abonnenten waren gewöhnlich automatisch Mitglieder des Naturheilvereins, mit zehntausend Mitgliedern eine der größten, wenn nicht die größte einschlägige Vereinigung in Europa. So war Kafka vielleicht Mitglied einer der Mitglieds-Organisa-tionen der IVU. Sicher ist, daß Kafka Schnitzers Aktivitäten gegen den Impfzwang unterstützte. In der Ausgabe Juni 1911 des Reformblattes ist er in der Unterstützerliste mit eine Spende von zwei Kronen verzeichnet. ... ...


Zurück zu Franz Kafka.
Das vegetarische Essen wirkt sich nicht nur, wie Kafka im Dezember 1910 im Tagebuch vermerkt, positiv auf sein Verdauungssystem aus, auch die körperlichen Übungen waren erfolgreich, sodaß er, der sich seines mageren Körpers geschämt hatte, sechs Monate später stolz in öffentlichen Badeanstalten schwimmen ging. Dank seines Tagebuchs wissen wir, daß er am Neujahrsabend zum Dinner Schwarzwurzeln mit Spinat und einem Viertel Ceres Fruchtsaft zu sich nahm. Er pflegte das Essen auch auf Postkarten, die er an Verwandte und Freunde schrieb, zu erwähnen.
Schnitzer Organisation beeindruckte in so sehr, daß er im März 1912 ins Tagebuch schrieb: Hätte ich doch die Kraft, einen Naturheilverein zu gründen.
Kafka wähle für den Urlaub vegetarische Einrichtungen und zu Heilzwecken Sanatorien, die vegetarisches Essen anboten. Sein Lebensstil brachte ihm eine Menge Probleme: seine Familie namentlich sein Vater akzeptierten ihn nicht. Doch seine Freunde sahen die positiven Wirkungen und unterstützen ihn.
Die Mutter bat brieflich (1912) Ks Freundin Felice, den Sohn umzustimmen. Der aber erläuterte ihr gegenüber begeistert seine Diät, die seinen Magen kuriert habe. Er fügte noch bei, er trinke weder Alkohol, Kaffe oder Tee und esse gewöhnlich auch keine Schokolade. Auch Max Brod schrieb an Felice: Franz hat nach jahrelangem Probieren endlich die für ihn einzig bekömmliche Kost gefunden, die vegetarische. Jahrelang hat er an Magenkrankheiten gelitten, jetzt ist er so gesund und frisch wie nie. Aber natürlich, da kommen die Eltern mit ihrer banalen Liebe und wollen ihn zum Fleisch und in seine Krankheit zurückzwingen.
Auf das Eingeständnis Felices, sie esse Fleisch, antwortete er, es mache ihm nichts aus, wenn sie Wurst, Aufschnitt und dergleichen esse, fand es jedoch sehr unerfreulich, daß sie regelmäßig große Mengen Tee trinke. Zu ihrem Hinweis, sie sei eine gute Köchin bemerkte er, das werde in ihrem gemeinsamen Haushalt nichts nützen, es sei denn sie lerne eine ganz neue Art des Kochens, ...und fügte bei, er glaube, ihr Haushalt werde vegetarisch sein.


Später empfahl er in Briefen der u.a. von Kopfschmerzen geplagten Freundin Grete Bloch, die damals in Wien lebte, intensiv die vegetarische Diät als Heilmittel und lobte das vegetarische Restaurant Thalysia nahe dem Burgtheater als das beste, das er kenne.
Kafka gebrauchte solch eindringliche Werbung, um Menschen zum Vegetarismus zu bewegen, den er auf Reisen oft gegen den Rat von „Fleischessern und Biertrinkern“ verteidigen mußte, und als günstig für geistig arbeitende Menschen.
(Es folgt im Vortrag eine kurze Beschreibung der von Kafka besuchten vegetarischen Restaurants in Reichenberg jetzt Liberec) und Warndorf (Varndorf) in Nordböhmen und in Berlin Friedrichstraße).


Vegetarische Lebensweise und Tuberkulose


Eine weitere Irrmeinung besagt, die vegetarische Lebensweise habe Kafkas Krankheit verschlimmert.
Das ist einfach nicht wahr. Zu dieser Zeit lautete die Prognose für Tuberkulosekranke: 40 % starben binnen einem Jahr nach Auftreten der Symptome – Blut husten (wie der englische Dichter John Keats und der tschechische Jirschi Wolker, ein Zeitgenosse Kafkas, um von Dichtern zu reden) und die übrigen 60 % innerhalb von fünf Jahren. Kafka lebte noch sieben Jahre lang.
Doch es gibt noch ein anderes überraschendes Faktum. Im Oktober 1918 wurde Kafka von der Spanischen Grippe befallen, einer Epidemie, die weltweit fast hundert Millionen Menschen tötete, um vieles mehr als der erste Weltkrieg an Opfern kostete. Gesunde Menschen in Kafkas Alter starben zu Tausenden, doch er, der bereits seit einem Jahr an tödlicher Tuberkulose litt, starb nicht und gesundete rasch.


Die Ärzte konnten ihm nicht helfen, doch die Befolgung der Ratschläge Schnitzers über Vegetarismus, gesundes Essen und körperliche Übungen verlängerte sein Leben um einige Jahre.
Kafka mochte die Ärzte nicht, konsultierte sie jedoch regelmäßig mit seinen Gesundheitsproblemen. Korrekte Diagnosen stellen und heilen konnten sie ihn nicht. 1916, als er wahrscheinlich schon Tuberkulose hatte, erklärte ihn der Doktor gesund und wies ihn an „weniger zu rauchen, nur gelegentlich zu trinken, mehr Gemüse als Fleisch zu essen und in Schwimmbäder zu gehen.“ Kafka war Nichtraucher, trank gewöhnlich keinen Alkohol, aß kein Fleisch, doch viel Obst und Gemüse und ging regelmäßig schwimmen. So überrascht es nicht, daß er den Ärzten nicht sehr vertraute.
1920 schrieb er seiner Schwester, er wolle nicht ins Sanatorium, wo ihn die Doktoren mit Fleisch vollstopfen. So suchte er Einrichtungen, wo vegetarisches Essen zur Behandlung gehörte. Doch 1920 in einem Sanatorium im Tatra-Gebirge hatte man keinerlei Sympathie für seinen Vegetarismus und er mußte als Teil der Kur Fisch essen. In einem Brief an seine Schwester klagte er darüber heftig.


Auch wenn ihm seine Lebensweise half, der Tuberkulose zu widerstehen, ver-schlechterte sich seine Krankheit traurigerweise. Kafka starb am 3. Juni 1924 in einem Sanatorium nahe Wien. Die Tuberkulose hatte seine Kehle zerstört; er konnte überhaupt nichts mehr essen.


Ich habe versucht, Ihnen Kafka aus einer neuen Blickrichtung zeigen, als tätigen Vegetarier, und Moritz Schnitzer als eine für die Internationale Vegetarier Union bedeutsame Persönlichkeit. Ich hoffe, ich konnte veranschaulichen, daß Kafka nicht nur ein paar hübsche Worte über Vegetarismus sagte sondern ein viel aktiverer Vegetarier war als gewöhnlich angenommen; und daß Moriz Schnitzer kein komischer Sektierer war, sondern ein Humanist und Philanthrop, ohne den die Internationale Vegetarier Union in den 1920er und 1930er Jahren vielleicht um vieles weniger aktiv gewesen wäre.
Ich schließe mit einer interessanten Einzelheit. Gegen Ende seines Lebens träumte Kafka nach Palästina zu gehen und mit seiner letzten Freundin Dora in Tel Aviv ein Restaurant zu eröffnen und dort zu arbeiten. Sie können raten, welche Art Restaurant das wohl gewesen wäre.


Jan Stastny ist Gründer der Tschechischen Vegetarischen Gesellschaft und schreibt über die Geschichte des Vegetarismus
(In der Wiedergabe des Namens Stastny fehlen aus technischen Gründen leider die der tschechischen Schrift eigenen diakritischen Zeichen; das Eingangs- S und das folgende t sind mit Hatschek, das y mit Akzent zu versehen)

 

Vegane und andere Vegetarier

Erwin Lauppert


In seinem glänzenden Vortrag auf dem Vegetarier-Kongreß in Dresden Von Tieren und Menschen oder: Das Postulat einer neuen Ethik hielt Prof. Dr. Eugen Drewermann ein ernstes Plädoyer für die vegetarische Lebensweise. In der nachfolgenden Diskussion zum Veganismus befragt, meinte er, in einer Welt, die insgesamt dem Vegetarismus noch sehr fern stehe, sei intensive vegane Propaganda problematisch. Ein Bleistift, den man zu sehr spitze, breche ab. Diese Erklärung erregte bei manchen Veganern Mißmut. Sie sei Anlaß zu einer Bestandaufnahme.


Zu den Begriffen: Vegetarier sind vereinfacht gesagt, Leute, die kein Fleisch essen, Veganer Menschen, die auch nichts von lebenden Tieren essen, also insbes. weder Milch noch Ei. Auch sie fallen daher unter den Oberbegriff Vegetarier. Weshalb mir die bis zur Schaffung des Wortes Veganer in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gebräuchliche Bezeichnung strenge Vegetarier sinnvoller erscheint. Die Meidung von Milch und Eiern wurde ja schon in den Anfängen des organisierten Vegetarismus wenn auch nur von einer Minderheit praktiziert.


Was bringt vegan-vegetarische Lebensweise den Tieren insgesamt? Seinerzeit, als bei Rind und Huhn noch Zweinutzungsrassen die Regel waren und keine Höchstleistungen verlangt wurden, konnte sich der Konsum von Milch und Ei statt Fleisch unter Umständen sogar positiv auf die Lebensdauer von Tieren auswirken.
Heute gibt es im kommerziellen Bereich kein Zweinutzungshuhn mehr, die männlichen Küken der Legerassen werden kurz nach dem Schlüpfen mehr oder minder grauslich umgebracht, die Hennen werden in der Regel nach einer einzigen Legeperiode „abgetan“, d.h. getötet, sie erreichen also nur mehr ein Lebensalter von ca. eineinhalb Jahren, auch in den alternativen Haltungsformen Boden- und Freilandhaltung. Dazu kommt, daß der Begriff Bodenhaltung täuscht. Es ist – nach den EU-Richtlinien – eine sehr beschönigende Bezeichnung fürs lebenslängliche Zusammenpferchen in niedrigen Massenställen, auch Freilandhaltung nach EU ist häufig faktisch nur Bodenhaltung.


Etwas günstiger ist die Situation in der Milchwirtschaft, Zweinutzungsrassen sind da in Österreich noch häufig. Nur führt die Zucht und wirtschaftlicher Zwang zu immer höhere Milchleistung zu verkürzter Lebensdauer, vielfach nur mehr fünf oder sechs Jahre gegenüber früher ca. fünfzehn und mehr. Die Haltung ist meist – fern der Weide – alles andere als artgerecht. Leider haben auch die meisten Bio-Verbände auf die Verpflichtung zur Weidehaltung verzichtet. Um rentabel Milch zu geben, muß die Mutterkuh jährlich ein Kälbchen gebären. Das wird raschest der Mutter entrissen, denn deren Milch will ja der Mensch. Die Kälber werden, soweit nicht zur Nachzucht erforderlich, früher oder später geschlachtet. Zwar läßt sich streiten, ob diese Tötung dem Milch- oder dem Fleischkonsum zuzurechnen ist, doch schon das vorher Gesagte spricht im allgemeinen gegen den Milchkonsum. Zwar nicht grundsätzlich doch praktisch bedeutet Milch- und Eikonsum in der Regel frühen Tod für Rind und Huhn. Soweit Argumente für die vegane Lebensführung.


Im Ergebnis: Vegan leben, keine tierischen Produkte essen, bedeutet Ende der Viehwirtschaft und reduziert so Tierleid und Tötung zur Gewinnung tierischer Produkte auf null. Nicht verhindern kann sie allerdings Tiertötung und -leid in der Pflanzenproduktion. Die Erzeugung pflanzlicher Nahrungsmittel ohne direkte oder indirekte Beeinträchtigung von Tieren ist leider nicht möglich. Exakte Zahlen diesbezüglich sind nicht bekannt, sie variieren nach Nutzungs- und Bewirtschaftungsarten, örtlichen Verhältnissen, und hängen natürlich davon ab, ob wir die Zählung auf Warmblütler beschränken, oder auf andere Wirbeltiere oder gar auf Weichtiere und Insekten ausdehnen.
Setzen wir für die alle Tiere zusammen, die durchschnittlich für unsere Ernährung ihr Leben lassen, die Zahl 100 ein und nehmen wir an, zehn Prozent der Tieropfer entfallen auf die pflanzliche Ernährungskomponente, bringt vegane Ernährung also eine neunzigprozentige Minderung der Opferzahlen. Moderates Vegetariertum, also mit Ei und Milch, bringt – die landsüblichen Verbrauchsgewohnheiten zugrunde gelegt – grob gerechnet immer noch eine fast achtzigprozentige Minderung.


Natürlich kann das jeder individuell mit gezielter Nahrungswahl steigern oder mindern. Wie ja der Berechnung die tatsächlichen heimischen Schlachtzahlen zugrunde liegen, und Leute, die sich sei es von den jetzt ins Gespräch gekommenen Wachteln oder deren Eiern, sei es von Walfischen ernähren, um zwei Extreme zu nennen, ausgeklammert bleiben. Auch lassen wir beiseite, daß wer zehn abgetane Batteriehennen in seinen Garten aufnimmt und deren Eier verspeist oder verschenkt, dem Geflügel mehr Gutes tut als ein konsequenter Veganer.


Laktovegetabile Ernährung (kein Ei doch Milch) nähert sich, was die Meidung von Tiertötung – und -leid in Tierleben gerechnet betrifft, mit (Kälber eingerechnet) ca.89,5% fast deckungsgleich der veganen (=90 %). Der Grund: bei der Gesamt-Sterbezahl dominiert Geflügel, also das Verlangen des Österreichers nach Brathendeln, enorm.
Nicht zu vergessen ist allerdings, das halbe Prozent Differenz sind in absoluten Zahlen eine halbe Million Milchkühe bzw. deren Kinder. Bei aller Prozentrechnerei, jede einzelne ein Schicksal. Die Entscheidung, wie weit gehe ich in der Vermeidung von Tierleid, muß jeder für sich treffen, die kann ihm niemand abnehmen.


Eine andere Frage ist es, auf welche Punkte soll sich Werbung für eine tierfreundlichere Lebensweise konzentrieren. Vegetarier-Organisationen, die die fleischlose Ernährung propagieren, bestehen in Europa seit eineinhalb Jahrhunderten. Das Ergebnis: Wohl gelten seit etwa zwei Jahrzehnten in der allgemeinen Meinung Vegetarier nicht mehr als leicht bekloppte Sonderlinge, dennoch, ihr tatsächlicher Anteil an der Bevölkerung bewegt sich – wiewohl sich immer wieder illustre Persönlichkeiten zu dieser Lebensform bekannt haben – im unteren einstelligen Prozentbereich. Spezielles organisiertes Veganertum gibt es seit mehr als sechzig Jahren, der Anteil der Veganer an der Bevölkerung liegt im Promille-Bereich.


Die laktovegetabile Lebensweise ist heute ärztlicherseits allgemein als gesund anerkannt. Die vegane Ernährung, insbesonders die von Kindern wird von vielen Ärzten immer noch als zu schwierig entschieden abgelehnt, auch wenn maßgebliche ärztliche Instanzen ihre Eignung bei sehr sorgfältiger Nahrungswahl grundsätzlich bejahen. Sich l/o-vegetarisch zu verköstigen ist unter heutigen Verhältnissen relativ leicht, vegan, was Fertigprodukte betrifft, erheblich komplizierter.


Die Werbung für Vegetarismus hat wie angemerkt in mehr als einem Jahrhundert nur sehr, sehr bescheidene Früchte getragen. Die in den letzten zwei Jahrzehnten intensivere Vegan-Werbung noch weniger. Ihr ist häufig ein gewisser Ausschließlichkeitsanspruch zu eigen, eine elitäre Grundhaltung, die einen dicken Trennungsstrich nicht zwischen Fleischesser und –meider zieht sondern manchmal sogar fast aggressiv-feindselig innerhalb der Vegetariergemeinde vegane und moderate trennt, ja diese vielleicht sogar Mörder nennt. So als ob es da zwei ganz gegensätzliche Alpenvereine gäbe, einer der die Erstürmung von 7.000ern oder 8.000ern anpreist, während der andere unter der 8.100m-Grenze nichts gelten läßt und auf die 7/8.000ler nur mit Hohn und Abscheu blickt.


Da bleibt dann so mancher gleich im Tal und sagt sich, wenn gewöhnlicher Vegetarismus abgekanzelt wird, wozu die Mühen des Umstiegs, wozu die Ablehnung meines fleischfreudigen Umfelds auf mich nehmen: wenn man mich so oder so Mörder nennt, bleibe ich gleich beim Fleisch.


So wertvoll vegan auch ist, die Frage lautet, worauf soll sich unter Berücksichtigung der aufgezählten Schwierigkeiten Werbung gegen Tierleid konzentrieren. Die 3 % Vegetarier zu vervollkommnen oder die anderen 97 % dazu zu bringen weniger oder kein Fleisch mehr zu essen. Wenn wir uns auf letzteres konzentrieren, nützt das glaube ich den Tieren mehr.

 

Eine Milchkuh klagt an

Aus Anlaß des bäuerlichen „Milchstreiks“ im Juni sandte die Tierärztin Karin Ulich den folgenden Leserbrief an deutsche Zeitungen, mit dem Beisatz: Als Tierärzte wissen wir, wie sehr die Kühe und auch deren Kälber unter den desaströsen Methoden in der heutigen Milchwirtschaft leiden. Dieses Kapitel wird leider fast immer in der Diskussion von Industrie, Einzelhandel und Parteien ausgeblendet ...

Der Leserbrief:

Eine Milchkuh klagt an:

" Muuuhhhh - bitte, schenkt mir auch mal einen Moment Gehör. Hat das in der Diskussion um Dumping-Milchpreise überhaupt schon einer getan?!
Schließlich sind meine Artgenossen und ich es, von denen die Milch kommt. Und auch wir hätten allen Grund zu streiken. Denn die Folgen des erbarmungslosen Preiskampfes lastet am allermeisten auf unserem Rücken. Um viel und möglichst kostensparend Milch zu erhalten, zwingt Ihr Menschen uns mit trickreicher Züchtung, Wahnsinnsmengen Milch von etwa 30 bis 40 Liter - und mehr!! - am Tag zu produzieren. Jede von uns, wohlgemerkt!


Das können wir nicht von einem Tag zum anderen stoppen. Wir fühlen uns nicht gut dabei, werden sogar krank von dieser ständigen Überforderung unseres Körpers. Wir kriegen schon in jungen Jahren schwere Krankheiten wie Euterentzündungen, Klauenkrankheiten, Leberstörungen und vieles mehr. Oh, wie tut das weh! Wenn dann die ständigen Schwangerschaften nicht mehr funktionieren, geht es ab zum Schlachthof. Grauenvoll, doch das ist der "Dank" für alles!
Unser Leben dauert heutzutage im Durchschnitt nur noch vier bis fünf Jahre - von Natur aus wurden uns etwa 20 Lebensjahre zugedacht. Ich fühle mich wie eine Wegwerfkuh!


Tag für Tag träumen wir davon, im Freien und auf der Weide zu leben, doch statt dessen sind wir fast alle nur noch eingesperrt in engen Ställen. Damit im Gedränge niemand verletzt wird, werden unsere Hörner amputiert. Auch das macht große Schmerzen.


Glaubt Ihr, wir sehen je unsere Kinder? Nein, die Kälber werden gleich hinter unserem Rücken weggeschafft, kaum dass sie geboren sind. Die meisten werden nach zwei Wochen von Viehhändlern geholt und auf die Auktion gekarrt, und dann geht es meist ab nach Spanien, in Mastfabriken. Unsere armen Kälbchen!
Wenn man uns ausschließlich mit Gras und Heu anstatt mit Getreide, Soja und Maissilage ernähren würde, und wir im Sommer weiden dürften, ginge es uns wesentlich besser.


Warum züchtet man uns diese riesigen Euter an? Warum läßt man uns nicht gesund und unserer Natur gemäß leben? Ohne diese jährlichen Schwangerschaften und unverträglichen Getreidemengen würden wir weniger Milch geben und länger gesund bleiben.
Dann wäre der Markt nicht dermaßen übersättigt, dass die kostbare Milch und die Produkte daraus zum Spottpreis verramscht würden. Und wir wären auch keine Nahrungskonkurrenten zu den Menschen, die das Getreide selbst dringend brauchten.


Die Bauern hoffen, finanziell besser über die Runden zu kommen, wenn wir so maßlos viel Milch geben - die Masse macht´s eben. Doch man sieht ja, was passiert: Sie kommen wirtschaftlich auch so nicht klar.


Meine Artgenossinnen und ich fordern: Milch muss wesentlich besser von den Molkereien bezahlt werden. Zusätzlich müssen Regeln gelten, dass wir nicht länger darunter leiden müssen, völlig ausgebeutet zu werden. Wir sind sanftmütig und geduldig, aber zutiefst unglücklich.


Besser geht es meinen Artgenossinnen auf den Biohöfen*, die dürfen wirklich noch auf die Weide.* Wenn Ihr Biomilch kauft und anständig dafür zahlt, wäre das vielleicht auch für mich eine Chance, dass mein Bauer sich den Regeln von Demeter oder Bioland anschließt. Damit wäre mein Leben schon leichter.
Bitte, denkt auch an uns und unsere Sorgen!"

Mit freundlichen Grüßen!
Ü bersetzt aus dem Kuhischen von:
Karin Ulich Tierärztin, D-88138 Sigmarszell Alte Landstr. 27

Frau Ulrich leitet das Kontaktbüro Bodensee, Adr. wie oben, des Vereins Tier & Mensch, Berlin, w ww.tumev.de


*Anmerkung: Bio-Kühe werden bei uns zwar durchschnittlich besser gehalten als konventionelle und kommen mehrheitlich auch auf die Weide; doch von der zwingenden Verpflichtung zur Weidehaltung haben sich unsere Bio-Verbände leider schon lange verabschiedet. Soweit uns bekannt schreibt unter den Lebensmittelmarkt-Anbietern einzig Zurück zum Ursprung (erhältlich bei Hofer) Weide zwingend vor.

Gesellschaft für humane Nutztierhaltung, Graz

 

 

 

 

Stumme Bitten


Manfred Kyber (1880 – 1933)


Die Schafherde drängte sich aufgeregt zu-sammen.
Ein altes Schaf erzählte. „Meine Großmutter hat es selbst gesehen“, sagte es „es ist etwas Fabelhaftes, Grauenvolles. Man weiß nicht, was es ist. Sie sah auch nicht alles. Sie kam dran vorüber, als sie zur Weide ging. Es war ein Tor, das in einen dunklen Raum führte. Es roch nach Blut am Tor des dunklen Raumes. Zu sehen war nichts. Aber sie hörte den Schrei eines Hammels darin, einen gräßlichen Schrei. Da lief sie zitternd zur Herde zurück.


Alles schauderte.
„ Man weiß nichts Gewisses“, sagte das Schaf, „aber es muß etwas Wahres daran sein. Jedenfalls ist es furchtbar.“
„ Deine Großmutter lebt nicht mehr?“ fragte einjunger Hammel.
„ Ich weiß es nicht“, sagte das Schaf, „es ist schon lange her – da wurde sie abge-holt.“
„ Das soll der Anfang sein, man kommt dann nie wieder“ sagten einige.
Der Schäferhund bellte kläffend und trieb die Herde dem andren Ende der Weide zu.


Da stand der Schäfer und sprach mit einem fremden Mann, der nicht aussah wie ein Hirt. Sie handelten miteinander. Dann ging der fremde Mann mit festen Schritten in die Herde hinein und prüfte die einzelnen stücke mit kundigen Augen.
Es waren nicht die Augen eines Hirten. Jetzt griff die Hand nach dem jungen Hammel, der vorhin gefragt hatte. Das Tier überlief es kalt. Die Hand fühlte sich anders an als die Hand des Hirten.


Der Hammel bekam eine Leine um den Hals.
„ Den nehme ich“, sagte der fremde Mann und zog einen schmutzigen Beutel mit Geld aus der Tasche. Er bezahlte. Das lebendige Leben gehörte ihm. Er hatte es gekauft.


Er ergriff die Leine und zerrte den Hammel von der Weide fort auf die Landstraße. Die Herde sah dem Davongehenden erschrocken und verständnislos nach. Der Hammel wandte den Kopf. Seine Augen suchten die Verwandten und Spielgenossen. Etwas in ihm krampfte sich zusammen – etwas in ihm rief ihm zu, sich loszureißen und zurückzulaufen.
Das ist der Anfang, man wird abgeholt, dachte er. Aber er wehrte sich nicht. Er war hilflos. Was hätte es genützt? „Es braucht ja nicht das schreckliche zu sein“, tröstete er sich, „es gibt noch andere Weiden. Dahin werde ich vielleicht geführt.“
Es war das Vertrauen, das Tiere haben, die zahm gehalten worden sind.


Jetzt bogen sie um die Ecke. Die Herde war nicht mehr zu sehen. Die Weide verschwand. Nur von Ferne horte man den Schäferhund bellen und die Töne der Hir-tenpfeife. Der Wind verwehte sie.
Es war ein weiter Weg. Der fremde Mann ging schnell. Er hatte es eilig.


„ Ich bin müde, ich möchte mich etwas erholen“, bat der Hammel.
Es war eine stumme Bitte.


Sie gingen weiter. Es war heiß und staubig.
„ Ich bitte um etwas Wasser“, sagte der Hammel. Es war eine stumme Bitte.
Endlich kamen sie in eine kleine Stadt. Sie gingen durch enge, krumme Straßen, in denen es keine Weiden gab. Diese
Hoffnung also hatte sich nicht erfüllt.
Sie hielten vor einem Tor, das in einen dunklen Raum führte. Ein häßlicher Dunst schlug dem Tier entgegen. Der Hammel wandte den Kopf und blökte klagend. Er scheute vor dem Dunst zurück und vor dem dunklen Eingang. Eine Angst wurde in ihm wach, im Unterbewußtsein, eine grenzenlose Angst.
„ Ich möchte nach Hause“, sagte der Ham-mel und sah den fremden Mann an.
Es war eine stumme Bitte. Stumme Bitten werden nicht gehört.
Der Mann schlang die Leine mit einem ge-schickten Griff um die Hinterbeine des Tie-res und zog es vorwärts. Die Schnur schnitt ein.


„ Ja, ja, ich komme schon“, sagte der Hammel erschrocken. Die müden steifen Beine beeilten sich.
Es waren nur wenige Augenblicke, aber sie schienen sehr lang. Dann war er in einem dunklen Raum. Es roch erstickend nach Blut und Abfällen – nach Leichen von seinesgleichen. Man hält es nicht für nötig, das vorher fortzuschaffen. Es ist ja Vieh – Schlachtvieh

.
Da packte den Hammel ein hilfloses, lähmendes Entsetzen. Ein Entsetzen, das alle stummen Bitten vorher vergessen ließ. Ein Entsetzen, das ganz allein herrschte. Der Hammel zitterte am ganzen Körper.
Jetzt kommt das Fabelhafte – das Grauen, dachte er. Und es kam.


Die Welt ist voll von stummen Bitten, die nicht gehört werden. Es sind Menschen, die sie nicht hören. Es scheint unmöglich, diese stummen Bitten zu zählen. So viele sind es. Aber sie werden alle gezählt. Sie werden gebucht im Buche des Lebens.
Groß und fragend sehen die Augen des Gau-tama Buddha auf die europäische Kultur.



Lebensmittel gegen Futter


Der schwedische Europa-Abgeordnete Jens Holm, die Schweizer Vereinigung für Vegetarismus (SVV) und die European Vegetarian and Animal News Alliance (EVANA) haben folgende

Petition an die UNO,

deren Generalsekretär Ban Ki-moon, den Generaldirektor der FAO Dr. Jacques Diouf, Rom, und Generaldirektorin der Weltgesundheitsbehörde (WHO), Dr. Margaret Chan, Genf, gestartet und bitten um Ihre Unterstützung:
PETITION `Lebensmittel gegen Futter’
Sehr geehrter Herr Generalsekretär,
In der Erklärung von Rom zur Welternährungssicherheit 1996 wurde das Recht jedes Menschen “auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen und nährstoffreichen Nahrungsmitteln” bekräftigt. Die Unterzeichner bekundeten ausserdem ihren politischen Willen “zur Beseitigung des Hungers in allen Ländern”.
Im Jahre 2008 steigen die Probleme von Unterernährung und Hunger in vielen Teilen der Welt nicht nur an, sondern entwickeln sich zu einem Gipfel der Not. Schlechte Ernten und verschwendetes Getreide, explodierende Preise und untragbare Praktiken in der Landwirtschaft sind nur einige der Ursachen, die die Existenz hilfsbedürftiger Menschen bedrohen.
Es ist nicht akzeptabel, dass sogar in einer derartigen Notlage, die jährlich das Leben von fast sechs Millionen Kindern kostet, immer noch riesige Anteile verfügbarer Nahrung in der Viehzucht ver-schwendet werden.
Im Namen der Menschlichkeit kann eine verantwortungsbewußte Weltbevölkerung es nicht länger zulassen, dass 7-16 Kilogramm Getreide oder Sojabohnen, bis 15.500 Liter Wasser und 323 m2 Weideland bei der Herstellung von nur einem Kilo Rindfleisch für zahlungskräftige Konsumenten vergeudet werden. Eine ge-rechtere und nachhaltigere Grundlage für die Nahrungsversorgung aller Menschen ist von allerhöchsten Priorität.
Obwohl die Experten der FAO die Viehzucht als eine der größten Bedrohungen der Umwelt benennen, beschränken sich ihre Empfehlungen leider nur auf neue Techniken in der Landwirtschaft, von denen einige zu mögli-cherweise nicht wieder gutzumachenden Umweltschäden führen könnten.
Alle Hungernden, viele Million von Vegetariern und alle Menschen, die verantwortungsvollere Alternativen zu schädlichen Traditionen suchen, können mit vollem Recht von Entschei-dungstreffern, Regierungen und internationalen Organisationen eine objektive Untersuchung aller vorhandenen Alternativen erwarten, einschliesslich des Vegetarismus.
Dieser nachhaltige und lebenserhaltende Lebensstil verdient unvoreingenommene Prüfung und Förderung, vor allem auch wegen seines Potentials, den tobenden Krieg zwischen `Lebensmittel gegen Futter’ zugunsten der Menschlichkeit zu entscheiden.
Aus diesem Grund appellieren wir an die Vereinten Nationen und ihre Agenturen, den Vegetarismus nicht mehr länger zu ignorieren, sondern dessen vielfältige Vorteile unvoreingenommen und wissenschaftlich zu untersuchen mit dem Ziel, sie in zukünftige Strategien für eine Welt ohne Hunger einzubringen.


hochachtungsvoll


Unterschreiben Sie bitte im Internet unter: http://un.evana.org/sign.php?lang=de,oder falls sie keinen Internetzugang besitzen, senden Sie die hier unten unterschriebene Petition mit Vor- und Zunamen und Adresse, oder auch nur ein Blatt mit dem Vermerk UN-Petition und Adresse und Unterschrift an:
anima, Postfach 1, 8017 Graz.

 

Jagd brutal


Bevor es in Vergessenheit gerät: Im parlamentarischen Untersuchungsausschuß betreffend Vorgänge im Innenministerium legte der Abgeordnete Pilz im Mai ein Email vor über eine Einladung, die ein Jagdherr, sinnigerweise der Gatte der früheren Tierschutzministerin, an Beamte des Innenministeriums ergehen ließ.

Das Programm dieser Jagdeinladung:
“ Samstag Riegeljagd, danach Abendessen im Schloß, Sonntag Saujagd (auf das von der vortägigen Riegeljagd übergebliebene/ verletzte Wild – evtl. auch ein paar Frischlinge, sozusagen zum ,Aufwärmen‘, nachmittags die „eigentliche Jagd“ auf Niederwild (Fasane, Rebhühner).”


Sadismus pur, und er fällt manchen Jägern anscheinend gar nicht auf. Heute fügt man einem Tier schwere Verletzungen zu, kümmert sich nicht um seine Schmerzen, macht sich einen vergnüglichen Abend, geht dann geruhsam schlafen, und erst am nächsten Tag, schaut man, was man angerichtet hat.


Laut einem anderen von Pilz vorgelegten Email konnte ein von einem als Jagdgast eingeladenen Beamten des Ministeriums im Tierpark Lainz angeschossener Keiler erst drei Wochen später von Berufjägern erlegt werden.
Wildtierzoologen und Veterinärmediziner weisen immer wieder auf die unbeschreiblichen Qualen hin, die angeschossenes Wild in unseren Wäldern erleidet, bis es nach oft tagelangem Todeskampf aufgrund der schweren Verletzungen elendiglich zu Grunde geht.


Ü brigens, sollten sie einmal Zeuge eines Verkehrsunfalls sein, bei dem ein Verkehrsteilnehmer auf einen benachbarten Acker geschleudert wird, was machen Sie? Rufen sie gleich die Rettung? Oder informieren sie lieber den Besitzer des Ackers; der soll sich dann um alles weitere kümmern.


Abwegig? Nein, geltendes Recht, Jagdrecht. Nicht gerade für die Behandlung verletzter Menschen, doch für verletzte Tiere. Ein angeschossenes oder in anderer Art verwundetes Wild, das in ein fremdes Jagdgebiet übersetzt, darf dorthin, sofern mit dem Nachbarn kein Wildfolgeübereinkommen besteht, nicht verfolgt werden. Das bleibt dem Inhaber des Fremdreviers, der sogleich zu verständigen ist, vorbehalten. So das Gesetz.


Also: Das angeschossene Reh läuft noch zwanzig Meter über die Grenze und bleibt dort schwer verletzt liegen, doch der Schütze darf ihm keinen Gnadenschuß geben, das soll der Nachbarjäger machen, wenn es gut geht ein paar Stunden später, oder auch erst am nächsten Tag. Es ist höchste Zeit daß solche antiquierte Bestimmungen aus einer Zeit, als man Tiere noch als fühllose Sache betrachtete, aus dem Gesetz verschwinden.


Die Meinungen über die Jagd sind in Tierschutzkreisen bekanntlich geteilt. Die einen sehen in ihr gesetzlich erlaubten Lustmord und plädieren für die ersatzlose Abschaffung, die anderen meinen, diese seit mehr als einem Jahrhundert erhobene Forderung sei nicht durchsetzbar und außerdem sei das heutige Jagdwesen mit Kraftfuttergaben, Wintergattern usw. praktisch überwiegend Nutztierhaltung, doch wenigstens die artgerechteste. Es wäre wenig sinnvoll, gerade gegen die loszuziehen und andere viel grauslichere Nutztierhaltungen beiseite zu lassen.


Beide Gruppen ließen sich aber wohl zu gemeinsamen Handeln bewegen, wenn es gilt besonderen Perversitäten im Jagdbetrieb entgegenzutreten.


Ein solcher Übelstand von allgemeiner Bedeutung ist die Stümperhaftigkeit der Tötung. Die eingangs wiedergegebenen Emails bestätigen, daß Wild bei der Jagd nicht allein in seltenen Ausnahmefällen sondern häufig nur angeschossen wird und die Nachsuche erst mit Verspätung erfolgt. Hier ist Abhilfe besonders dringend. Sie betrifft vor allem zwei Punkte: Wie kann die Zahl der bloß angeschossenen Tiere vermindert werden? Und wie die sofortige wirksame Nachsuche sichergestellt werden?


Ein anderer Punkt, der besonderen Mißmut erweckt, ist die (häufig quälerische) Zucht von Fasanen und das Aussetzen der halbzahmen in der Natur kaum lebensfähigen Tiere, nur damit Sonntag

sjäger was zum Schießen haben und beim Herumballern mit Bleischrot die Umwelt verseuchen können. Und dazu gleich die Frage: Weshalb darf der Fasan laut Jägerkodex nur im Flug geschossen werden, wo man nicht so gut trifft?
In der Steiermark hat der größte Tierschutzverein über unsere Anregung mit der Landesjägerschaft Verbindung aufgenommen. Schon vor Jahren war auf dem Verhandlungswege ein Fallenverzicht erreicht worden. Verhandler sind nur stark, wenn die Gegenseite weiß, daß viele entschlossen hinter ihnen stehen.

Eine Bitte an die Tierfreunde. Zeigen sie den Politikern, den Beamten in den Jagdabteilungen ihren Unmut. Schreiben sie Briefe, fragen Sie telefonisch, ob und weshalb all diese Fragwürdigkeiten.

 

3. Tierrechtskongreß


27. bis 30.November in 1130 Wien, Don Bosco Haus, St.Veit-Gasse. 25
Nähere Informationen und Anmeldeformular unter ww w.tierrechtskongress.at, Anfragen office @ vgt.at und Tel 01-9291498, Kongreßgebühr 30 Euro.
Anmeldung über Internet (siehe tierrechtskongress.at) oder Anmeldeformular faxen an 01-9291498-2 oder senden an VgT, Waidhausenstr. 13/1, 1140 Wien
Der Kongreß folgt im Aufbau den Vorkongressen 2002 und 2004: viele Workshops, viele Podiumsdiskussionen, sowie Vorträge von internationalen Kapazitäten
Hauptvorträge (vorläufiges Programm):
Do 27.11. 18:30 Uhr: Prof. Dr. Ludwig Huber, Department für Neurobiologie und Kognitionsforschung, Universität Wien „Kognitive Ähnlichkeiten von Menschen und anderen Tieren“ – 20:15 Uhr: Prof. Dr. Eva-Maria Maier, Institut für Rechtsphilosophie, Universität Wien… „Der rechtsphilosophische Status von Tieren” – Fr 28.11. 19:30 Uhr ? – 21:15 Uhr Paul Watson, Kanada Gründer von Sea Shepherd: „The Battle in the High Seas“ (auf englisch)
Sa 29. 19:30 Uhr: Dipl.-Krim. Michael Fischer, M.Sc. Hamburg, Autor des gleichnamigen Buches: „Tierstrafen und Tierprozesse – zur sozialen Konstruktion von Rechtssubjekten“
So 30. 14:00 Uhr: Daniel Rolke, Tierrechtsaktivist in Schweden, u.a. undercover Tierpfleger: „The Animal Rights Experience in Sweden“ (auf englisch) –15:45 Uhr Mike Huskisson, seit 37 (!) Jahren tierrechtsaktiv: „Winning for Animals. 37 years of animal rights activism: from direct action to undercover investigations“ (auf englisch)17:30 Uhr DDr. Martin Balluch, Wien: “Und wir bewegen uns doch!”
In den Arbeitskreisen folgt einem 10minütigen Impulsvortrag 45 Minuten Diskussion. Themen u.a.: Mag. Stefan Traxler, Mag. Eberhart Theuer: Fragen an den Tierrechtsanwalt –F.Hnat und Immanuel Kretschmer: Footprint als Chance für die vegane Bewegung/bewegungsübergreifende Zusammenarbeit –Leo Moser:– Karin Moser: Vegane Kinder – Matthias Gritsch (VeganTV), Eva Kamper (Tierrechtsradio), Mag. Stefan Hnat (Veggiehouse), DDr. Martin Balluch (Tierrechts TV): Neue Medien –David Richter: Umgang mit Wirtschaftsverantwortlichen u. Politikern – Mag. Hermann Gsandtner (Wien): Vorstellung Tierschutzombudsschaften. Mehr im Internet.
Podiumsdiskussionen (55 Min.) Themen u.a: Radikaler versus gemäßigter Aktivismus – Verband österr: Tierschutzvereine: Ziele und Perspektiven – Tierschutz und Tierrechte in den Medien (Nina Horaczek – Falter, Klaus Unterberger – ORF 2, Elisabeth Scharang FM4, Maggi Entenfellner – Krone+ORF) – Repression außerparlamentarischer Politik – Tiertransporte: Tierfreikauf – Kontrollen. Mehr im Internet.
Weiters gibt es ca. 15 45min. Kurzvorträge: Themen siehe ww w.tierrechtskongress.at



Notizen


IPCC: Zum Klimaschutz weniger Fleisch


Der Chef des Weltklimarates (IPCC), Pachauri, hat die Menschen dazu aufgefordert, weniger Fleisch zu essen. So könne jeder Einzelne einen Beitrag zum Klimaschutz leisten,
Eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten sei wichtig im Kampf gegen den Klimawandel. Denn die Aufzucht von Rindern und anderen Tieren sei für den Ausstoß von Treibhausgasen und die Rodung von Wäldern mitverantwortlich………..


Wir bitten unsere Abonnenten bei Beitragszahlungen Namen und Adresse deutlich zu schreiben (Wir bekommen von der Bank nur schlechte Kopien). Ebenso bitte Adreßänderungen mitteilen.
Abo-Bestellungen ohne Namensangabe stellen uns vor meist unlösbare Probleme
Falls in Ihrer Adresse die Brieffach(Türfach)-Nummer fehlt, teilen Sie sie uns bitte mit Sonst kann die Zustellung verweigert werden

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Milch muß nicht sein, doch wenn Sie Milch kaufen, bedenken Sie:

Leider haben die Bioverbände die Kriterien für die Milcherzeugung aufgeweicht. Weide ist nicht Pflicht. Pflicht ist Weidehaltung nur für die „Zurück zum Ursprung“-Bauern.

Wenn Sie Milch und Milchprodukte in Kettenläden kaufen:
Wählen Sie „Zurück zum Ursprung“ erhältlich in den Hofer-Filialen.


E.L.

 

Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden!


Das Thema Bäreneinbürgerung ist nicht neu, immer wenn es zu Zwischenfällen kommt, schwillt der Meinungsstreit an. Wobei – ein interessantes Phänomen – die Zuneigung der Menschen mit dem Abstand zum Bärenhabitat eher zuzunehmen pflegt – je ferner je lieber. In den Städten ist die Sympathie erheblich größer als auf dem bärennahen Land, wo manche Begegnungen und Schaden befürchten. Aktuell ist die Sache durch ein Kampagne des WWF, der sich vehement für Bärenimport ausspricht und durch dem Braunen unlängst zugeschriebene Schaftötungen. Auch die anima hat sich schon mehrmals mit dem Thema befaßt, u.a. im Sommer 2006 („Bären und Untertiere“).


Der WWF ruft „SOS Alpenbären“, sieht den Bestand vor dem Aussterben und schwärmt von tausend möglichen Bären im deutschsprachigen Alpenraum, nicht minder verfolgt er mit Sympathie das Einsickern von Wölfen. Gefahren redet er klein, auch wenn es anderswo, etwa in Slowenien und Rumänien immer wieder gefährliche Zwischenfälle gibt und Menschen zu Tode gekommen sind.


Verstärkt wurde die Front der Gegner im Juni durch den Präsidenten des Umweltdachverbandes Heiligbrunner: „Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden: Der Bär ist ausgestorben - und im Naturschutz müsste es andere Prioritäten geben.

Schließlich sind in Österreich 50 Wirbeltierarten vom Aussterben bedroht. Dieses Aussterben zu verhindern wäre die erste Priorität." Auf der Liste stehen Ährenmaus und Ziesel, Großtrappe und Wiesenotter sowie eine ganze Reihe von Fledermausarten. Heilingbrunner fürchtet, dass spektakuläre Projekte mit importierten Bären die Aufmerksamkeit und die Gelder für die tatsächlich noch zu schützenden Tierarten abziehen und warnt vor einer "Alibipolitik mit einer sexy species“.
Betrachten wir es nüchtern. Wer steht hinter der Wiederansiedlung? Großwaldbesitzer, weil der Bär ihr Revier aufwertet und das gemeine Volk wirksamer fernhält als Lizenzgebühren für Schwammerlsucher, und – verständlich – die paar Biologen, die vom Bärenprojekt leben. Und viele: „Weil er so schnuckelig aussieht und jeder einmal einen Teddy daheim hatte.“ Doch ist das ein hinreichender Grund? Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Unsere Umwelt hat sich verändert, vieles ist verschwunden, der Auerochs, der Waldrapp, die Urwälder ..., jetzt gibt es jede Menge Zivilisation. Konflikte wären vorherzusehen. Warum sie um teures Geld heraufbeschwören? Großräumig gesehen ist der Bär nicht ausgestorben. Weshalb ihn nicht in den europäischen Ländern belassen, wo er ein besseres Zuhause hat?


Als Tierfreunde sollten wir noch eines bedenken:

Bären und die anderen Beutegreifer auf der Einbürgerungsliste des WWF töten und fressen nun einmal andere. Dürfen wir Menschen, denen die Tiere am Herzen liegen, ohne zwingenden Grund, letztlich nur zu unserem Vergnügen friedliches Getier einem Räuber opfern? Wir haben die herkömmlichen Prädatoren ausgerottet, doch dafür ein neues Raubtier geschaffen, dem die meisten Tiere nichts entgegenzusetzen haben und das jährlich hunderttauendfach Todesernte hält: das Automobil. Jetzt zu diesem Untier auch noch Raubtiere einführen, auf daß die wenigstens diesbezüglich Frieden gewohnten Wild- und Nutztiere ständig in Angst leben müssen, wäre das nicht fast Sadismus?


E.L

 

 


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