Inhalt Nr.4/2009
Inhalt
Francis Jammes
Tiere ................................................. 3
Christine Beidl
Dichtung und Glaube ......................... 4
Am Fuße des Dachsteins ................... 6
Das vegetarische Natur- und Gästehaus Lehnwieser in der Ramsau
Erwin Lauppert
Stein für Stein oder gleich das ganze Gebirge? ......... 8
Gemäßigter oder strenger Vegetarismus
Klaus Petrus
Die Wurzel des Übels:
Das Tier als Eigentum ........................ 9
und
Lakto-Vegetarismus : Veganismus ... 10
Helmut F. Kaplan
Reform oder Abschaffung ................. 12
Vegetarische Informationen ............. 13
Generalversammlung der ÖVU 13
Was essen Vegetarier ....................... 14
Das neue Positionspapier der ADA
Vegane Ernährungsvorschläge ......... 15
Warum nicht? ................................... 16
Konsumenteninformation der
Gesellschaft für humane Nutztierhaltung Generalversammlung GhN 16
Bücher ............................................. 17
Kaplan, Ich esse meine Freunde nicht- Balluch, Widerstand
in der Demokratie Jammes,
Der Hasenroman - Paasche, die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara
ins Innerste Deutschlands Reichholf, Rabenschwarze Intelligenz - Hertling,
Kochen mit Hirse Schäfer Histaminarm kochen
Leserbriefe ....................................... 21
Impressum ........................................ 21
Erwin Lauppert
Zu viele Rinder
oder zu viele Menschen? .................. 23
Notizen ............................................ 23
Fragen ............................................. 24
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn diese anima zu Ihnen kommt, sind die Weihnachtsfeiertage vorbei. Tage, die
eine Zeit des Friedens und der Besinnung sein sollten, und doch Jahr für
Jahr todbringend für viele Tiere. Sollen wir verzweifeln?
Die ersten Seiten dieser anima-Ausgabe sind dem französischen Dichter Francis
Jammes gewidmet, ein wenig verspätet zu seinem siebzigsten Todesjahr. Der
Dichter schildert ergreifend das Leid der Tiere an einer Stätte menschlichen
Vergnügens. Wie es vor hundert Jahren alltäglich war. Wir sehen, in
einer kleinen Sparte hat sich dank tierschützerischen Bemühens seither
doch etwas gebessert. Die Seiten sollten zugleich eine Erinnerung an die langjährige
Herausgeberin unserer anima sein, die vor vier Jahren von uns gegangene Christine
Beidl. Sie lebte für die Tiere.
Breiten Raum nimmt in dieser Nummer die Frage radikal oder gemäßigt ein,
das Thema wird von verschiedenen Seiten beleuchtet. Über der Frage vegan
oder lactovegetarisch sollten wir allerdings nicht übersehen, das
ist ein Streit unter einer kleinen Minderheit, die übergroße Mehrzahl
der Tiere hat nichts davon, sie werden so oder so aufgegessen. Daß es ihnen
zuvor nicht zu schlecht geht, darum müssen wir uns bemühen.
Auch die Gerichtssache gegen die Tierschutzaktivisten ist über eine Besprechung
eines Buches DDr.Balluchs gegenwärtig. Erstaunlich und erschreckend ist
die Einseitigkeit der Justiz und Polizei. Hier wird mit immensem Aufwand gearbeitet,
um Tierschutzgruppen, die einander nicht hold sind, zu einer kriminellen Organisation
zusammenzufügen. Doch wie ist es dort, wo kriminelle Organisationen ziemlich
offenkundig sind, wie im Drogenhandel und da geht es zwar nicht juristisch
doch moralisch um Mord und bei Einbruchsdiebstählen?
Wir greifen diesmal noch eine Sache auf, vor der die Maßgeblichen die Augen
verschließen, die aber auch für die Massentierhaltung von Bedeutung
ist, die Bevölkerungsexplosion.
Auf der letzten Seite stehen einige Punkte, wo Erfolg möglich wäre,
vorausgesetzt möglichst viele werden diesbezüglich bei Politikern und
Geschäftsleuten lästig. Bitte seien Sie es.
Liebe Leserinnen und Leser, das neue Jahr steht vor der Tür. Wir wünschen
Ihnen, es möge für Sie ein glückliches sein. Möge es auch
Fortschritte gegen Tierquälerei bringen.
Ihre anima-Redaktion
Seiten 3 bis 5
Die Tiere
Francis Jammes
(1868 1938)
Tief im Blicke der Tiere leuchtet ein Licht sanfter Traurigkeit, das mich mit
solcher Liebe erfüllt, dass mein Herz sich als ein Hospiz auftut allem Leiden
der Kreatur. Das elende Pferd, das im Nachtregen mit bis zur Erde herabgesunkenem
Kopfe vor einem Kaffeehause schläft, der Todeskampf der von einem Wagen
zerfleischten Katze, der verwundete Spatz, der in einem Mauerloche Zuflucht sucht
all diese Leidenden haben für immer in meinem Herzen ihre Stätte. Verböte
das nicht die Achtung für den Menschen, ich kniete nieder vor solcher Geduld
in all den Qualen, denn eine Erscheinung zeigt mir, daß ein Glorienschein über
dem Haupte einer jeder dieser Leidenskreaturen schwebt, ein wirklicher Glorienschein,
groß wie das All, den Gott über sie ausgegossen hat.
Gestern sah ich auf dem Jahrmarkte zu, wie die hölzernen Tiere im Karussell
sich drehten. Unter ihnen gab es auch einen Esel. Als ich ihn erblickte, habe
ich weinen müssen, weil er mich an seine lebendigen Brüder, die gemartert
werden, erinnerte. Und ich mußte beten: Kleiner Esel, du bist mein
Bruder! Sie nennen dich dumm, weil du nicht imstande bist, Böses zu tun.
Du gehst mit so kleinen Schritten, und du siehst aus, als ob du im Gehen dächtest: Schaut
mich doch an, ich kann ja nicht schneller gehen
Meine Dienste brauchen
die Armen, weil sie mir nicht viel zu essen geben müssen. Mit dem
Dornstocke wirst du geschlagen, kleiner Esel! Du beeilst dich ein bißchen,
aber nicht viel, du kannst ja nicht schneller
Und manchmal stürzest
du hin. Dann schlagen sie auf dich los und zerren so fest an dem Leitseile, dass
deine Lefzen sich aufheben und deine armseligen gelben Zähne zeigen!
Auf demselben Jahrmarkte sah ich in einer arabischen Bude ein Dutzend kleiner
Kamele. Zusammengepreßt wie Sardinen in der Schachtel drehten sich hier
in einer Art Grube. Sie, die ich wie Wellen dahinziehen gesehen habe inmitten
der Sahara, da es um sie nichts anderes gab als Gott und den Tod, musste ich
nun hier finden ... Sie drehten sich, drehten sich immerzu in dem würgenden
Raume, und der Jammer, der von ihnen ausging, war wie ein Erbrechen über
die Menschen. Sie gingen, gingen immerzu, stolz wie arme Schwäne und in
einer Glorie der Verzweiflung, mit grotesken Negerlappen bedeckt, verhöhnt
von den Weibern, die hier tanzten, und hoben ihren armen Wurmhals empor, Gott
und den wunderbaren Blättern einer Oase des Wahnsinns entgegen.
O Erniedrigung der Geschöpfe Gottes! In der Nähe der Kamele gab es
Kaninchen in Käfigen, daneben, als Lotteriegewinste zur Schau gestellt,
schwammen Goldfische in Glasballons mit so engem Halse, dass mein Freund mich
fragte: Wie hat man sie nur da hineinbringen können? Indem
man sie ein bißchen zusammengedrückt hat, antwortete ich ihm.
Anderswo wieder wurden lebende Hühner, gleichfalls Lotteriegewinste, vom
Kreisen einer Drehscheibe mitgeschleppt. In ihrer Mitte lag, von grauenhafter
Angst ge-packt, ein kleines Milchschweinchen auf dem Bauche. Schwindel befiel
die Hühner und Hähne, sie schrien und hackten in ihrem Wahnsinn aufeinander
los. Nun machte mich mein Begleiter darauf aufmerksam, dass tote und gerupfte
Hühner inmitten ihrer lebendigen Schwestern aufgehängt waren. Mein
Herz wallt heiß auf in diesen Erinnerun-gen, und unendliches Mitleid
ergreift mich. O Dichter, nimm die gequälten Tiere in dein Herz auf, laß sie
darin wieder erwarmen und leben in ewigem Glücke! Geh hin und künde
das schlichte Wort, das die Unwissenden Güte lehrt.
Dichtung und Glaube
Christine Beidl
... doch so fern wie den Drachen
die Flügel des Märchens nur tragen,
ist unser Glaube ...
Francis Jammes nimmt unter den katholischen Dichtern in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts in Frankreich eine Sonderstellung ein. Selig, die
reinen Herzens sind ... dieser Spruch aus der Bergpredigt scheint besonders
auf ihn zuzutreffen. Denn seine Dichtung ist die zum Wort gewordenen Schönheit,
Zärtlichkeit und Liebe. Auch Trauer und Mitleid werden im Wort zur Erlösung
einer sprachlosen Schöpfung. Bei Francis Jammes ist diese Trauer ohne
Bitterkeit und Haß.
In seiner berühmten Trilogie Drei Mädchen, die Hermann
Hesse als das schönste Buch bezeichnete, das er kennt, enden alle drei
Schicksale tragisch. Und in dem Vorwort zur ersten Geschichte richtet er sich
an Klara dEllebeuse: Ich überantworte dir meine Seele. Laß sie
hinsinken, Gott zu Füßen. Wenn ich von dir spreche, schluchzt mein
Lächeln ... Du kamst zu mir auf der Fliederwolke meines Schmerzes. Sage
Gott, o meine Liebe du, da ich genug habe von dieser bitteren Erde. Und
Rainer Maria Rilke schrieb: Gerade der Dichter ist es, der ich hätte
werden wollen. Er klingt wie eine Glocke in der reinen Luft. André Gide,
dem er zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb, obwohl er einen ganz anderen
Weg eingeschlagen hatte, schrieb über ihn: Man liest Jammes nicht,
man atmet ihn ein ... er ist ganz Poesie.
Jammes stammte aus dem Baskenland. Viele Tierfreunden ist besonders sein Hasenroman bekannt,
in welchem er ein Paradies der Tiere schildert. Er wurde von Paul Claudel,
dem großen Mystiker unter diesen Dichtern, zum katholischen Glauben bekehrt.
Claudel versuchte auch André Gide, der zunächst eine starke Neigung
zum Christentum zu zeigen schien, zu beeinflussen, doch zerbrach diese Freundschaft,
als Gide sich für ein heidnisch-sinnenfreudiges Weltbild entschied. Claudel
war Fundamentalist, und es ist vielleicht bezeichnend, daß seine Toleranz
gegenüber Gide ihre Grenzen hatte, im Gegensatz zu Jammes. Insoferne war
Jammes, von franziskanischer Frömmigkeit geprägt, vielleicht der katholischste dieser
Dichter, weil er am reinsten die Güte eines Jesus von Nazareth, eines
Franz von Assisi widerspiegelte und unter kat-holos ja von seinen griechischen
Wurzeln her das Allumfassende, Allumspannende zu verstehen ist. Ein Katholizismus
also, von dem wir nur träumen können, der aber in der Vielfalt christliche
Substanz durchaus zu verwirklichen wäre. Viele, zum Teil unbekannte Heilige
waren große Freunde und Beschützer der wehr-losen Kreatur, was ja
eigentlich selbstverständlich wäre: Wer Gott liebt, der liebt auch
seine Kreatur. Wenn aber der Grundsatz Bewahrung der Schöpfung nicht
nur ein Lippenbekenntnis bleiben soll, müsste er wohl zu allererst jenen
Mitgeschöpfen gelten, die wie wir mit Bewußtsein und Leidensfähigkeit
ausgestattet sind.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schien das Christentum gerade
in der französischen Dichtung eine Phase neuer Vertiefung und Spiritualität
zu erleben. Es ging dabei fast ausschließlich um die menschliche Seele,
ihre Rätsel und Ab-gründe, ihre Beziehung zu Gott, die in neuen Dimensionen
gesehen wurde. Die Natur bildete dabei eigentlich nur den Rahmen für ein
sich im Menschen abspielendes Drama. Vorläufer dieser neuen Bewegung waren
Ernest Hello oder der Leidenschaftlich liebende und hassende Leon Bloy. Sie
wurde dann getragen von Namen, die heute fast vergessen sind: Bernanos, Claudel,
Mauriac und zuletzt auch Julien Green. Ob nun Bernanos mit dem Seziermesser
die tiefsten Tiefen menschlicher Schuldverstrickung bloß-legte trotz
seiner Ablehnung Freudscher Seelenanalysen sie alle gaben der
menschlichen Seele in ihrer ständigen Bedrohtheit, aber auch in ihren
Erlösungsmöglichkeiten einen neuen Stellenswert. Diese eher vertikalen Ansätze
des Weges einer neuen Spiritualität wurden mit dem Konzil abrupt verschüttet,
in welchem soziale Aspekte den Vorrang erhielten. Allerdings ohne Einbeziehung
der Tiere.
Es stimmt, daß alle diese Dichter auf dem Boden eines dogmatischen Fundamentalismus
standen, bei aller Kritik innerkirchlicher Unzulänglichkeiten. Dies ist
keines-wegs nur negativ zu verstehen: Es gab eine Art Orientierungshilfe, die
heute in einer pluralistischen Kirche oft vergeblich gesucht wird. Ein Fels
in der Brandung, an dem man sich festhalten, an dem man aber auch zerschellen
konnte. Bezeichnend ist vielleicht, daß die Großen in
der Literatur heute Wege gehen, die abseits des Christentums liegen. Die Generation,
die durch das Elend der Weltkriegs- und Nachkriegsjahre ging, die extreme Leiden
erfuhr und unerträgliche Verluste zu beklagen hatte, konnte vielleicht
aus dem Glauben neue Kraft schöpfen und sich künstlerisch damit auseinandersetzen.
Dies trifft für die heutige Wohlstandsgeneration nicht mehr zu. Es bringt
dann nichts, sich zu Ausverkaufspreisen anzubieten, um die konsumverwöhnten
Schäflein nicht zu verlieren.
Sicherlich hat das Aggiornamento ( etwa Anpassung an heutige Verhältnisse,
die von Papst Johannes XXIII (gest. 1963) eingeführte Bezeichnung für
die notwendige Öffnung der katholíschen Kirche) manches Wertvolle
eliminiert und manches Wesentlich übersehen. Wenn ich in den Aussagen
des 2. Vatikanums (1962 1965) den Satz finde: Der Mensch ist die
einzige, von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur auf Erden dann
ist das mehr als nur anmaßend, es ist das Festschreiben einer unheilvollen
anthropozentrischen These, die bereits vor dem Konzil überholt war, wenn
etwa Pius XII davon sprach, daß sich in jedem Tier, ja in der ganzen
Schöpfung die Liebe Gottes verwirklicht habe, und von der Ehrfurcht, die
wir jedem dieser nicht-menschlichen Wesen entgegenbringen müßten.
Abgesehen davon ist diese These auch rein naturwissenschaftlich längst überholt.
Jedes Geschöpf hat seinen Selbstwert in sich und seine eigenen Gesetze,
nach denen es geboren wird, lebt und stirbt, unabhängig vom Menschen.
Verbrecherisch ist es nur, wenn der Mensch seine Macht missbraucht, in diese
Gesetze eingreift und den Tieren aus egoistischen Motiven unsagbares Leid zufügt.
Wie wäre es mit einem neuen Dogma, unter Berufung auf die päpstliche
Unfehlbarkeit? Tiere haben Rechte, denn sie haben eine Seele wie wir.
Es ist ein Verbrechen, sie zum Zweck der Ausbeutung, welcher Art auch immer,
zu quälen oder zu töten.
Dies wäre ein endgültiger Schlußstrich hinter die jahrhundertelange,
geduldete oder befürwortete Anthropozentrik, die eine Schuld nur
im Umgang mit den Mitmenschen oder der eigenen Seele sucht.
Der französische Dichter Francis Jammes hat diesen Schritt bereits gemacht.
Er schließt die ganze Schöpfung und alle Tiere in seine ganz persönliche
Liebe und Zärtlichkeit ein. Bei ihm gibt es auch für die Tiere eine
Erlösung, ein Paradies. ...
Gekürzte Wiedergabe des Kommentars, den Christine Beidl als Redakteurin
der anima 1995 zu Francis Jammes geschrieben hatte.
Am Fuße des Dachsteins
Das vegetarische Natur- und Gästehaus Lehnwieser in der Ramsau
Es gibt viele Ramsauen in Österreich, wir meinen die Ramsau am Dachstein,
ein langgestrecktes Hochplateau (Seehöhe ca. 1100, 1200 m) am Fuße
der Südwände des bis zu knapp 3.000 m hohen Dachsteinmassivs. Sie liegt
in der äu-ßersten Nordwestecke der Steiermark, nächst der Landesgrenze
zum Bundesland Salzburg, ca. 90 km von der Stadt Salzburg entfernt. Einst ein
armes abseitiges Gebiet, eine der wenigen Gegenden Österreichs, wo die Menschen
auch unter der Knute der Gegenreformation zum evangelischen Glauben hielten.
Heute seit der Dachsteingletscher, der östlichste Alpengletscher, 1969 durch
eine Seilbahn erschlossen und zu einem Ganzjahreskigebiet wurde, die größte
Tourismusgemeinde der Steiermark. Wir machten uns auf, um hier die Familie Pleninger,
die Besitzer des vegetarischen Gast- und Naturhauses Lehnwieser, zum Interview
zu bitten.
anima: Vegetarische Pensionen und H-tels sind in Österreich dünn gesät.
Wenn wir recht informiert sind ist Lehnwieser der einzige vegetarische Beherbungs-betrieb
in der Steiermark.
anima: Was hat Sie bewogen, einen vegetari-schen Betrieb zu gründen? Waren
es pri-mär
ideelle oder geschäftliche Gründe, etwa eine Marktlücke zu füllen?
Maria und Erich Pleninger: Bei der Geburt unser Kinder und mit den verbundenen
Ungereimtheiten - wir lebten damals noch in Deutschland hatten wir unsere
Ernährung umgestellt. Es gab aber auch das Problem, mit unseren Kinder ein
Restaurant oder Hotel zu finden, welches kinderfreundlich war. Wir konnten nur
zum Italiener essen gehen (Italiener sind sehr kinderfreundlich). In dieser Zeit
verrin-gerten wir unseren Fleischkonsum stetig, bis wir kein Fleisch mehr konsumierten.
Wir gingen also mit dem Vorsatz nach Österreich, eine Pension zu errichten,
die sowohl unseren Ernährungsvorstellungen entspricht (vegetarische Bio-
Vollwertküche) aber auch kinderfreundlich ist.
Weshalb gerade in der Ramsau? Haben Sie besondere Bindung an diese Gegend?
Wir hatten keinerlei Bindung in der Ramsau, und wurden durch Marias Schwester
auf dieses Objekt aufmerksam. Die Ramsau war für uns Neuland und unbekannt.
Die Ramsau, die Hochebene oberhalb Schladming nahe der Landesgrenze zu Salzburg
ist zwar eine der intensivsten Sommer- und Winter-Fremdenverkehrs-zentren der
Steiermark, die Pension Lehnwieser liegt aber etwas abseits der Siedlungen, fast
in der Einschicht. War dies eine gezielte Wahl oder hat es sich einfach so ergeben.
Das Objekt war so gelegen und wir versuchten, aus dieser Lage unsere Philosophie
zu erarbeiten.
War es anfangs schwer Fuß zu fassen?
Wir waren fremd, und der Anfang war nicht sehr leicht. Wir führen nun unseren
Betrieb seit 23 Jahren, und waren für bestimmte Leute als Vegetarier immer
schon die Fremden (keine Ramsauer). Vegetarische Kost sowie Bioprodukte waren
damals in der Region zum Teil noch gänzlich unbekannt. Es war zu dieser
Zeit sehr aufwendig, diese Produkte zu bekommen. Wir mussten sie uns von Graz
und Wien wöchentlich zusenden lassen.
Wir hatten aber immer die Unterstützung der Nachbarn. Die standen positiv
zu uns, mit den Gedanken kein Fleisch zu essen konnten sie sich allerdings nur
schwer abfinden.
Was bietet Ihr Betrieb besonderes?
Die vegetarische Vollwertkost, je nach Wunsch lakto/ovo oder vegan, der kin-derfreundlich
Betrieb mit seinen Aktivitäten und die sehr schöne Lage des Hauses
am Wald, - abseits von jedem Trubel und Hektik, am Ende einer Strasse hier
kann man die Seele baumeln lassen und wieder zu sich finden in der Stille!
Für die Kinder gibt es Ponys, einige Kaninchen, Meerschweinchen, Hühner,
Katzen, Hunde. Im Freien eine Spielwiese mit Sandkasten und Spielhaus mit Rutsche.
Fallweise gibt es auch Seminare
Baubiologie ist uns ein großes Anliegen. Sie ist uns wegen des Umweltschutzes
sehr wichtig, aber auch um unseren Gästen ein gesundes und harmonisches
Wohnen zu bieten. Das Naturhaus Lehnwieser haben wir 1986 übernommen und
bau-biologisch renoviert. 1997 wurde benachbart das Waldhaus neu gebaut, und
zwar in Vollholzbauweise als bauökologisches Niedrigenergiehaus.
Wie konnten die Gäste geworben werden?
Wir hatten zu Beginn in bio zeitschift vor allem mit der Kinderfreundlichkeit
geworben. Jetzt haben wir sehr viele Stammgäste.
Woher kommen die Gäste, aus Deutsch-land, aus Österreich?
Unsere Gäste kommen zum großen Teil aus Deutschland, Österreich,
einige wenige aus Holland und verschiedenen anderen Europäischen Ländern.
Wie groß ist Ihr Betrieb?
Im Haupthaus gibt es sechs Ferienwoh-nungen verschiedener Größen (klein
25 m2, mittel 45 m2, groß 50 m2) jeweils mit Kochgelegenheit, im Waldhaus
zwei Ferienwohnungen und ein Doppelzimmer. Die Bettenanzahl für beide Häuser
beträgt 28 Betten. Im Haupthaus gibt es einen Aufenthaltsraum zugleich Esszimmer
für Frühstück und Abendessen, und ein Kinderzimmer für die
Kleinen, im Waldhaus einen Aufenthaltsraum und eine Lehrküche
Dazu ein Bio-Berglädchen. Ein großes Bio-Geschäft führen
wir in Schladming, dem Städtchen unterhalb der Ramsau im Ennstal.
Wie steht es mit der Verpflegung?
Wir bieten ein Frühstücksbuffet und unsere besondere Spezialität
abends ein viergängiges Menü, alles vegetarisch (l/o oder vegan)
Wie lange im voraus muß man reservieren?
Eng ist die Buchungslage in den Hauptsaison, da viele Gäste schon vorreservieren
(z.B. im Winter: Weihnachten Sylvester Energieferien; Sommer: Pfingsten,
Juli August ).
In der Vor- und Nachsaison sind in der Regel auch kurzfristige Reservierungen
kein Problem, z.B. für Wochenenden oder verlängerte Wochenenden. Unsere
Preise sind mäßig, sie richten sich wie üblich nach der Saison
(Haupt-, Vor- und Nachsaison), sowie der Größe der Zimmer bzw. Ferienwohnungen.
Sie sind auf unserer Homepage naturhaus-lehnwieser.at verzeichnet
Auf der Homepage findet sich noch mehr Wissenswertes und auch Fotos unserer Häuser
und die Grundrisse der Ferienwohnungen.
anima: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen noch viele
zufriedene Gäste und weiterhin viel Erfolg!
Die Adressen:
Naturhaus Lehnwieser Familie Pleninger, Vorberg 20, 8972 Ramsau a.D., Tel:
036
87- 8 15 76, Fax: 036 87- 8 15 76 7, Email: naturhaus. lehnwieser @aon.at, www.naturhaus-lehnwieser.at
Das Haus liegt am Südrand der Ramsauer Hochebene, wo das Gelände zum
Ennstal (Pichl-Preunegg) abfällt.
Naturkostladen Liebstöckl, 8970 Schladming, Salzburger Straße 335
(im Westen von Schladming nächst dem Autobusbahnhof), Tel: ++43 (0) 36 87-
2 32 62, Fax: ++43 (0) 36 87- 2 32 62
Stein für Stein oder gleich das ganze Gebirge?
Gemäßigter oder strenger Vegetarismus
Auseinandersetzungen in ideellen Bewegun-gen zwischen Radikalen und Gemäßigten sind nichts Neues, die hat es häufig gegeben. Man denke etwa an die Frühzeit der Arbeiterbewegung.Damals warfen die Vertreter der reinen marxistischen Lehre denen, die die triste Lage der Proletarier durch schrittweise Reformen zu heben trachteten, vor, sie bestärkten damit nur das kapitalistische System. Ähnlich der Gegensatz zwischen einigen tierrechtlichen Gruppierungen und den von ihnen der juristischen Terminologie zuwider als Tierschützer abqualifizierten Menschen, die das Los der Tiere Schritt für Schritt zu verbessern suchen. Ebenso die Differenzen zwischen Vegetariern, die Milchprodukte oder auch Ei essen, und solchen der strengen Observanz, die alles Tierische ablehnen, früher reine oder strikte Vegetarier, nunmehr meist Veganer genannt. Siehe hiezu die Ausführungen von Helmut F. Kaplan, der zwischen den Richtungen zu vermitteln sucht, auf Seite 12.
Wir können als Tierrechtszeitung diese Debatte nicht ignorieren und stellen
in dieser Nummer eine radikalere Position vor: Prof. Dr. Klaus Petrus, Sprachphilosoph
an der Universität Bern, der in Anlehnung an den amerikanischen Rechtsphilosophen
Gary L. Francione einen strengen tierrechtlichen und veganen Standpunkt vertritt.
Petrus räumt zwar ein, Lakto/ovo-Vegetarismus könne wie im
Beitrag nachzulesen praktisch in Grenzen Tieren helfen, doch aus moralischer
Sicht unterschieden sich Fleischesser und L/o-Vegetarier kaum. Setzt man diesen
Gedankengang
fort, finden wir uns mehr oder minder alle als Kollegen Adolf
Hitlers; immerhin haben westliche Regierungen, gedeckt durch UNO-Beschluß,
gefaßt
auch von unseren demokratisch legitimierten Regierungen vor ca. einem Jahrzehnt
eine halbe Million oder mehr irakische Kinder dem vorgeblichen Wohl der Menschheit
geopfert, d.h. durch ihre Maßnahmen im Ergebnis umgebracht. So wenigstens
der nie widerlegte Vorwurf hoher UNO-Beamter. Diese Schlußfolgerung wird
sicher auf Widerspruch stoßen. Doch davon abgesehen werden manche dem
von Prof. Petrus vertretenen abolutionistischen Konzept ein Konzept der Zusammenarbeit
zwischen Mensch und Tier zum Nutzen beider entgegensetzen, wie ja auch wir
Menschen
einander gegenseitig nützen, obwohl es da auch Ausnützen und Ausbeuten
bis zum Tod gibt-
Zum Themenkreis noch eine Anmerkung. Zwecks Verdeutlichung des Konflikts tönt
aus dem radikalen Lager gelegentlich der Ruf: Vegetarier sind Mörder.
Der Vorwurf ist berechtig, er trifft allerdings wenngleich unbeabsichtigt auch
die Rufer. Vegetarier sind der gängigen Definition nach nicht Leute, die
Milch trinken, sondern alle Menschen die kein Fleisch essen. Und das sind nun
einmal auch die Veganer. Daß Milch- und Eikonsum unter den heute üblichen
Produktionsbedingungen meist zum baldigen Tod der Tiere führt, ist unbestritten.
Weniger geläufig ist, daß auch die Pflanzenproduktion heutzutage,
aber auch schon früher, praktisch Tiertod bedeutet. Nicht umsonst meiden
die Jainas landwirtschaftliche Betätigung. Ob Maschinen, ob Tier- und
Pflanzengifte, ob sonst gezielte Tötung von Schädlingen,
die Opferzahl ist hoch. Dazu kommt noch das Übel der Vertreibung. Auf
Menschen bezogen ist uns Vertreibung insbesondere seit dem letzten Jahrhundert,
doch auch schon
zuvor geläufig, Indianer, Türken, Griechen, Armenier, Juden , Polen,
Slowenen, Deutsche, Palästinenser usw. Ob Menschenvertreibung Völkermord
ist, darüber streiten sich Gelehrte und Politiker. So oder so, Tiervertreibung,
ob durch Landwirtschaft oder Ausdehnung unserer Zivilisation bedeutet den Tod
vieler.
Auch vegane Lebensweise kann Tierleid nur mindern, nicht zur Gänze
verhindern.
In Österreich werden rund 90 Millionen Tiere jährlich geschlachtet,
darunter eine halbe Million Milchkühe bzw. deren Kälber. Setzen wir
die im Rahmen der Pflanzenproduktion direkt oder indirekt getöteten Wirbeltiere
vorsichtig mit zehn Millionen an und verdoppeln wir großzügig den
Milchkonsum der Laktovegetarier so ergibt sich, daß ein veganer Vegetarier
Tötungen für Nahrungszwecke um rund 90 Prozent mindert, ein Laktovegetarier
um rund 89 Prozent. (Bei Ovo-Vegetariern sind es weniger als 80 Prozent).
Philosophisch gesehen mag eine große Kluft zwischen Milch- und veganen Vegetariern liegen, praktisch geht es um ein Prozent Differenz. Mit dieser Rechnung soll keineswegs das Bemühen um Kühe abgewertet werden gerade hier gibt es enorme Tragik und Tierschützer/rechtler sorgen sich seit eh und je auch um kleine geplagte tierische Minderheiten, ob Zirkustiere, Fiakerpferde usw.
Seit eineinhalb Jahrhunderten werben Vegetarier organisiert für
Fleischverzicht und nicht wenige schon nicht minder lang für Verzicht
auf tierische Produkte insgesamt. Das Ergebnis: in Österreich 2 % L/o-
und 0,2 % vegane Vegetarier. Dieses dürftige Ergebnis zwingt unbeschadet
aller vegetarischen Werbearbeit zu dem, was Radikale abfällig Tierschutz
nennen: Intensives Bemühen,
das Los der Nutztiere, mögen sie geschlachtet werden oder nicht, zu verbessern.
Erschreckend ist nicht nur diese geringe Zahl an sich, erschreckend ist noch
mehr: viele, die in jungen Jahren sogar vegane Vegetarier waren, kehren älter
geworden wieder zum Fleisch zurück, so nach dem Motto: Junger Revolutionär,
alter Reaktionär. Wir fürchten, wirft man Fleischesser und L-Vegetarier
in einem Topf, mag das philosophisch auch noch so begründet sein, bringt
man die ohnehin schon so wenigen Aufgeschlossenen nicht zum Veganismus, sondern
treibt sie zurück zum Fleisch.
Die Machthaber des Deutschen Reiches und ihre Verbündeten haben im zwanzigsten
Jahrhundert wenigstens drei Völkermorde auf dem Gewissen: Herero, Armenier,
Juden. Hätten sie sich auf die Herero beschränkt, hätte das an
ihrer Verwerflichkeit als Massenmörder nichts geändert aber doch
vielen Millionen Leid und Tod erspart.
Die anima-Redaktion
Klaus Petrus:
Die Wurzel des Übels: das Tier als Eigentum
Viele von uns sind davon überzeugt, dass es falsch ist, Tiere wie Ressourcen
zu behandeln, die wir nach Belieben ausbeuten dürfen. Und doch tun wir
genau das: Wir (den weiteren Text finden Sie in der Druckausgabe Seite
17f.
Bücher
Helmut F. Kaplan
Ich esse meine Freunde nicht oder Warum unser Umgang mit Tieren
falsch
ist
Trafo Verlag D 12621 Berlin 2009, 132 Seiten, kart., ca. 19 x 12,5 cm, 12,80
EUR(D), ISBN 978-3-89626-941-6, trafoberlin.de
Kaplan, den Philosophen dem Tierrechte das Anliegen sind, brauchen wir unseren
Lesern nicht vorzustellen. Seine klaren und pointierten Ausführungen zu
Tierrechtsthemen sind anima-Beziehern bekannt. Kaplan hat seinen vielen Werken
nun ein weiteres hinzugefügt. In den letzten Jahrzehnten ist, so der Autor,
eine reichhaltige Literatur zur Tierethik erschienen, mit umfassenden und vielschichtigen
Begründungen; komplexe Theorien können die tägliche Praxis aber
nur sehr begrenzt beeinflussen. Dem abzuhelfen wurde das kleine Buch geschrieben.
Es stellt im ersten Teil einfache und einleuchtende moralische Konzepte ohne Theorieballast dar.
Ein zweiter Teil gibt Lesern, die sich mit den Themen ausführlicher beschäftigen
wollen, zusätzliches Material. Anima-Leser konnten eines der Praxis-Kapitel die
Ethische Weltformel bereits lesen; es stand schon in der vorletzten anima-Nummer
(2/2009).
DDr. Martin Balluch
Widerstand in der Demokratie
Ziviler Ungehorsam und konfrontative Kampagnen, Promedia Verlag Wien 2009,
158
Seiten, kart., ca. 20 x 12 cm, 9,90 EUR, ISBN 978-3-85371-304-4, mediashop.at
Wer etwas durchsetzen will, muß schreien. Diese Erkenntnis ist schon den
Säuglingen in die Wiege gelegt und sie wissen sie in der Familiengemeinschaft
zu nutzen. In der staatlichen Gemeinschaft nennt man es konfrontative Kampagnen
und davon handelt das Buch. Ging das Kindergeschrei den Eltern zu sehr auf die
Nerven, sperrten sie in alten pädagogisch rohen Zeiten die Kleinen mitunter
auch in ein dunkles Kämmerlein. Es hat fast den Anschein, im Großen
geht es wie im Kleinen und die Zeiten sind immer noch roh. Entstanden ist das
Buch aus Reflexion über die Aktion der Staatsgewalt gegen die Tierschutzszene,
haufenweise Hausdurchsuchungen, zehn Aktivisten über drei Monate in Untersuchungshaft
und bevorstehender Gerichtsprozeß nach § 278a StGB.
Der erfahrene Umwelt- und Tierrechtsaktivist Martin Balluch weiß schreibt
der Universitätsprofessor für Ethik und christliche Gesellschaftslehre
Kurt Remele das Buch einbegleitend daß das Gemeinwohl nicht vom
Himmel fällt und daß es auch nicht von den Mächtigen huldvoll
gewährt wird, sondern daß es in gesellschaftlichen Konflikten erstritten
werden muß.
Einleitend beschäftigt sich Balluch mehr allgemein mit den unterschiedlichen
Herangehensweisen von Ethik und Politik zu den Regelungen des Gemeinschaftslebens,
begründet dann die demokratiepolitische Wichtigkeit zivilen Ungehorsams
und konfrontativer Kampagnen als Gegengewicht gegen demokratisch minder legitimierte
aber Mächtige im politischen Kräftespiel.
Die Kernfrage, mit der sich Balluch auseinandersetzt: Wie weit muß ich
gehen, daß die Mächtigen auf mich hören und wie weit darf ich
im demokratischen Rechtsstaat gehen?
Blickt man in die Geschichte zurück, waren es nicht immer friedvolle Aktionen,
die zum Ziele führten, ob es um nationale oder soziale Rechte ging, ob es
sich um die Suffragetten handelte, häufig Damen aus dem gehobenen Bürgertum,
die trotz Schaufensterscherben, Bomben und Selbstaufopferung vierzig Jahre bis
zum Stimmrecht brauchten, ob um die Vivisektionsgegnerinnen im ausgehenden 19.
Jahrhundert, die nicht nur mit Sonnenschirmen auf Medizinprofessoren einschlugen
sondern auch Mordpläne schmiedeten. Auch in jüngster Zeit agieren etliche
Tierrechtler vor allem im angelsächsischen Raum mit Gewalt gegen Sachen
und Personen; ob da auch eingeschleuste Provokateure der Gegenseite ihre Hand
im Spiel haben, bleibt allerdings offen.
Von Gewalt distanziert sich Balluch entschieden. Er gibt Anleitungen zur Kampagnenführung,
untersucht die einzelnen Mittel wie Laute und Dauerdemonstrationen, Blockaden,
Besetzungen, Boykott, Wildplakatieren usw. auf ihre Eignung und demokratiepolitische
Vertretbarkeit. Als ein Beispiel dient ihm dabei Hainburg, für ihn ein sehr
positiv besetztes Ereignis. Das führt zur Frage, was ist Gewalt. Wer einem
anderen am Rockzipfel erwischt und um einen Augenblick Gehör bittet, hat
nach geltendem Recht Gewalt geübt und wird vom Gericht wegen Nötigung
verurteilt. Wer einen Eingang verstellt, sodaß niemand durch kann, auch
längere Zeit nicht, übt der keine Gewalt? Ist Audimax besetzen und
damit Millionenschaden verursachen, kein Gewaltakt? Balluch sieht in der Auwald-Besetzung
keine Gewalt, manche Befürworter atom und erdölfreier Stromerzeugung
vielleicht schon.
Das führt uns zur zweiten für die konfrontative Kampagnenpolitik wichtigen
Frage, wer von den Kontrahenten agiert fürs Gemeinwohl. Die Abtreibungsgegner
beispielsweise, die auch gern konfrontativ unterwegs sind, oder die Kämpfer
fürs Abtreibungsrecht? Die Befürworter des Donaukraftwerks oder seine
Gegner. Immerhin haben diese indirekt den Atomstromimport forciert. Sind zu viele
mit gegensätzlichen Zielen konfrontativ unterwegs, kann es brenzlig werden.
Die Erfahrung zeigt, daß das von Balluch gegenüber dem Gegner postulierte
Gewaltverbot leicht übertreten wird.
Hainburg wirft noch eine dritte Frage auf. Ist es gerechtfertigt, Ziele mögen
sie gut oder schlecht sein um die verfassungsmäßig legitimierten
Instanzen herum durch Aktionismus zu erreichen? Daß die Verhinderung des
Kraftwerks nur ein Minderheitsprojekt war, hat das einschlägige Volksbegehren
erwiesen; sein Ergebnis war am beispiellosen monatelangen Ja-Getrommel
der Kronenzeitung gemessen miserabel. Das Kraftwerk wurde dennoch nicht
gebaut, nicht wegen der Proteste der damalige Bundeskanzler, der damalige,
wollte die Kronenzeitung nicht reizen (so wenigstens der Chefredakteur der Salzburger
Nachrichten).
Balluch stützt sich u.a. auf Martin Luther King, der ausführlich zu
Wort kommt. Der Unterschied ist nur, King konnte sich auf Millionen Sympathisanten
stützen, Gandhi sogar auf hunderte Millionen, die Tierrechtler kämpfen
zwar auch für hunderte Millionen. Aber ihre Klientel kann ihnen nicht helfen.
Es liegt auf der Hand, in einem auf Ruhe und Ordnung und Erhalt der Machtstrukturen
ausgerichteten Staatswesen, in dem es das Gesetz, wie Anatole France formulierte,
in seiner erhabenen Gleichheit Reichen wie Armen verbietet, unter den Brücken
zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen, in dem Plakatieren
faktisch nur Bemittelten gestattet ist, können Graswurzel-Vereinigungen
ohne Übertretung von zumindest Ordnungsvorschriften kaum agieren, Mißstände
in hermetisch abgeschlossenen Massenställen ohne Gesetzesübertretung
nicht aufgezeigt werden usw.
Dennoch, das Buch hätte an Objektivität gewonnen, wären auch durchaus
erfolgreiche gesetzestreue tierschützerische Bestrebungen, wie
die wenn auch nur symboliche Ergänzung des ABGB, das Tierversuchsgesetz,
einzelne Landestierschutzgesetze, das Tierschutzvolksbegehren, immerhin Mitgrundlage
für spätere Erfolge , die jahrzehntelangen Vorarbeiten auf dem Eiersektor,
wie die Einführung von Bodenhaltungs- und Freilandei und die Abkehr vom
Käfigei bei Billa, erwähnt worden. Überhaupt wäre es vielleicht
dem Erfolg dienlich, bei der einen oder anderen Aktion näher zu prüfen,
wie sie auf Entscheidungsträger und Publikum wirkt. Für einen Politiker
ist schließlich nicht maßgebend, wie laut ist eine Aktion, sondern
wie viele Stimmen kann ich gewinnen oder verlieren.
Außer dem Thema politische Beeinflussung und Schikanierung
durch den staatlich-politischen Machtapparat spricht Balluch eine weitere für
die Tierschutzarbeit gefährliche Sache an, mit einer ausführlichen
Beispielssammlung, die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung
auf dem Zivilrechtswege und damit die Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz
von Tierschutzaktivisten und Vereinen. Die Tatsache, daß finanziell potente
Unternehmen den Konsumenten schöne Märchen erzählen können, über
Tierhaltung und dergleichen, Tierschützer, die das richtigstellen, aber
Gefahr laufen, mundtot gemacht und finanziell ruiniert zu werden, einfach weil
sie sich langwierige Prozesse durch die Gerichtsinstanzen nicht leisten können,
ist eine der Schattenseiten unseres Rechtsstaates. Wie es anlässlich des
Kürschnerprozesses gegen den Bundesverein der Tierbefreier in der anima
stand: Adolf Hitler brauchte Gestapo und KZ, um die freie Meinung zu unterdrücken,
heute genügt die Geschäftsstörungsklage. Leider stießen
damals unsere Versuche, die Tierschutzvereine zu bewegen, sich gemeinsam um hilfreiche
Gesetzesänderungen zu bemühen (wie sie zB die Gleichbehandlungsgesetzgebung
vorsieht) auf keine Resonanz.
Alles in allem Widerstand in der Demokratie ist ein wichtiges und
sehr lesenswertes Buch.
Francis Jammes
Der Hasenroman
edition tieger im Autorenhaus Verlag Berlin 2009, 95 Seiten, Halbleinen, 21 x
14 cm, 12,80 EUR(D), edition-tieger.de
Die schönste Tiergeschichte der Welt nannte die Frankfurter Zeitung das
1902 geschriebene Buch. Es wurde nun in von Gerhild Tieger verfaßter Übersetzung
ansprechend gestaltet wieder aufgelegt.
Hans Paasche
Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins Innerste Deutschlands
Geschildert in Briefen Lukanga Mukaras an den König Ruoma von Kitara; mit
Beiträgen von Iring Fetscher und Helmut Donat sowie mit 25 farbigen Zeichnungen
nach Vorlagen afrikanischer Wandmalereien von den Bissagos-Inseln und aus Lunda;
Donat Verlag D-28357 Bremen 2009/2010, 168 Seiten, Hardcover, ca. 22.5 x 12 cm,
12.80 EUR(D), ISBN 978-3-938275-63-4, donat-verlag.de
Auch unter unseren langjährigen Lesern wird sich wohl kaum einer an den
Beitrag Die Visitenkarte (anima 4/1993) erinnern. Paasche geißelt
hier die Grausamkeit der Fallenjagd und die beschämende auch in der Sprachwahl
sich zeigende Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern. Der Autor ist
heute weitgehend unbekannt. Das ist schade.
1881 in eine Familie der Oberschicht, des preussisch-deutschen Establishments
geboren, als Seeoffizier im damaligen Deutsch-Ostafrika auch mit der Niederwerfung
von Aufständen befaßt, schlug er schließlich aus der Offiziersart,
wurde zum Pazifisten und Gegner des Kolonialismus. Er wandte sich der Lebensreform
zu, kämpfte gegen Alkohol und Nikotin, gegen Tierquälerei, wurde Umweltschützer
und Vegetarier.
Im Laufe des ersten Weltkriegs um Aufsehen zu vermeiden in einer Nervenheilanstalt
konfiniert, nach dem Krieg nach kurzer politischer Aktivität auf Seiten
der Linken, zurückgezogen auf seinem Gut nur mehr publizistisch tätig,
wurde er 1920 von einem Reichswehrkommando im Zuge einer Haussuchung wegen eines
vorgeblichen Waffenlagers auf der Flucht erschossen.
Im 1913 geschriebenen seinerzeit sehr bekannten Lukanga Mukara hält
er in der fiktiven oder nicht ganz fiktiven Gestalt eines afrikanischen Eingeborenen
der deutschen Gesellschaft den Spiegel vor, zeigt ihr die Lächerlichkeit
oder auch Gefährlichkeit manch ihrer Sitten und Gebräuche, ihrer Lebensart.
Auch wenn Paasche die Gesellschaft des Wilheminischen Deutschlands vor Augen
hat, ist das meiste auch heute aktuell wie Alkohol, Anbetung des Wirtschaftswachstums
als Goldenes Kalb, Umweltschutz. Beeindruckend das Kapitel zum Fleischessen.
Auch uns tut es gut, in den Spiegel zu schauen. Wehmut kann aufkommen, bedenkt
man, welche Hoffnungen Paasche einst in die Lebensreform setzte, und daß vermutlich
gerade das dem Buch als Vorbild dienende afrikanische Gemeinwesen später
zum Schauplatz eines Völkermords wurde.
In seiner ansprechenden Gestaltung eignet sich Mukara gut als Geschenk.
Das Buch enthält daneben eine von Helmut Donat verfaßte Abhandlung über
das Medienecho zu den Mukara-Neuausgaben in den achtziger Jahren, die mehr Fachleute
interessieren dürfte hilfreiche wäre ein kurzer Abriß der
heute kaum mehr bekannten unmittelbaren Nachkriegsgeschichte gewesen und
eine informative Beschreibung des Lebens Paasches und seiner Gedankenwelt aus
der Feder Iring Fetschers. Hier findet sich auch ein längeres Gedicht Kurt
Tucholskis zur Ermordung Paasches:
... Heute löst die soziale Frage
ein Leutnant, zehn Mann, Pazifist ist der Hund?
Schießt ihm nicht erst die Knochen wund! ... ..
Ein toter Mann. Ein Stiller. Ein Reiner.
Wieder einer. Wieder einer.
Josef H. Reichholf
Rabenschwarze Intelligenz Was wir von Krähen lernen können
Herbig Verlag München 2009, 224 Seiten mit 32 Abbildungen, gebunden, ca.
22 x 14 cm, 19,95 EUR(D)
Zu den beim Menschenvolk beliebtesten Tierarten zählt das Krähenvolk
gerade nicht, ob es die Farbe ist oder wohl eher die Größe, das haben
sie mit den auch nicht überall beliebten Tauben gemein. Andere Singvögel ja
Krähen sind zoologisch Singvögel klein und mit melodischer Stimme
begabt, rühren eher unser Herz. Daß Landwirte mit Krähen, die
ihnen Siloballen und Äpfel anpecken, keine Freude haben, ist verständlich.
Auch wenn sie auf den Bäumen oder Dächern vor den Fenstern der Stadtbewohner
zu Hunderten ihren lauten Morgentratsch halten, fördert das ihre Beliebtheit
nicht, zeigt aber: Meinungsaustausch ist kein menschliches Vorrecht. Andererseits,
früher waren die klugen Tiere oft freudebringende Hausgenossen.
Der Autor berichtet, das ist der eine Teil des Buches, über sein Leben mit
den Vögeln. Er beklagt die bürokratischen ohne viel Verstand verhängte
Artenschutzbestimmungen, die Krähen als Mitbewohner nicht mehr erlauben,
während andererseits mit Ausnahmegenehmigungen Zehn- oder Hunderttausende
als Schädlinge abgeschossen werden; sinnlos, weil wie eingehend dargelegt,
derart eine Bestandsminderung nicht erzielbar ist.
Das vorliegende Buch ist kein Lehrbuch, in dem kurz und übersichtlich alles
Wesentliche über das Leben der Krähen von Geburt bis zum Tod vermerkt
ist. Es bringt aber eine Fülle von Informationen über die Vögel,
von der Beschreibung ihrer Arten, Rabe, Raben- und Nebelkrähe, Saatkrähe,
Elster, Eichelhäher usw. angefangen, über ihre Entwicklungsgeschichte,
soziale Ordnung, Abwanderung vom Land in die Städte. Breiten Raum nimmt
auch die Ernährung, ihre Klugheit in der Aufbereitung von Nahrungsquellen,
wie auch über die Ursachen von Bestandsvermehrung und Minderung, insbes.
durch die heute üblichen Monokulturen und vergälltes Saatgut. Schließlich
gibt es noch einen Abstecher zu den Rabenmythen.
Ein Buch, das uns diese unübersehbaren Mitbewohner unseres Landes nahebringt.
Erwin Lauppert
Nadja Schäfer
Histaminarm kochen vegetarisch
Köstliche Rezepte und Praxistipps bei Histaminintoleranz, pala verlag
Darmstadt 2009, 158 Seiten, Hardcover, 21,5 x 14 cm, 14 EUR(D), ISBN 978-3-89566-263-8
Heute gibt es leider immer mehr Menschen, die unter irgend einer Nahrungsmittelunverträglichkeit
leiden. Nadja Schäfers litt selbst jahrelang unter Blähbauch, Bauchschmerzen,
verstopfter Nase etc., ohne dass Ärzte einen auffälligen Befund liefern
konnten. Durch Zufall stieß sie letztendlich selbst darauf, dass sie
an einer Histamin-Unver-träglichkeit leiden muss. Betroffenen Men-schen
fehlt ein Enzym, das Histamin aus Lebensmitteln vollständig im Darm abbaut.
Den Verzehr von Schokolade, Rotwein, Käse, Salami, Erdbeeren und leider
vieles mehr, müssen Betroffene mit Schmerzen teuer bezahlen.
Um ihnen zu helfen, machte sich Nadja Schäfers daran, einen Ratgeber zu
schreiben und Rezepte zu entwickeln, die zeigen, dass man trotz Histaminintoleranz
gesund und vegetarisch gut essen kann.
Die Autorin beschreibt zunächst die Hinter-gründe zur Unverträglichkeit
von Histamin, führt Symptome der Histaminintoleranz an, zeigt Möglichkeiten
zur Diagnose und erläutert Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente
bei Histaminintoleranz. Weiters werden Lebensmittelgruppen angeführt,
die viel bis wenig Histamin enthalten sowie jene, die gut verträglich
sind. Ratschläge wie man Lebensmittel richtig lagert, zubereitet und kombiniert,
fehlen ebenso wenig wie Tipps wie Histaminallergiker mit Gewürzen, Essig
etc. umgehen.
Schließlich folgen 85 lakto-ovo-vegetarische Rezeptvorschläge für
histaminarmes Kochen. Sie finden Aufstriche, Dressings, Suppen, Pikantes aus
dem Ofen, Gemüse und Wokgerichte, Nudel-. Und Reisgerichte, Gebratenes,
sowie Desserts und Kuchen. Die Kochanleitungen sind Schritt für Schritt
leicht verständlich geschrieben, und zu vielen Rezepten gibt es noch interessante
Extratipps. Rezeptanleitungen für Kürbis-Kokos-Suppe, Dinkelpizza
mit Pesto und Rucola, Safranrisotto, Zucchini-Lauch-Puffer und Sauerkirschsorbet
lassen einen neugierig werden, auch wenn man nicht Histaminallergiker ist.
Zum Schluss bietet das Kochbuch noch ein Ernährungstagebuch mit den Top-Sünden bzw.
den All-time-Favourites mit Platz für eigene Ergänzungen.
Kurz und gut, ein interessantes Kochbuch, das allen etwas bietet, die sich
für vegetarische Ernährung interessieren und gerne Neues ausprobieren.
Wolfgang Hertling
Kochen mit Hirse fantastisch vegetarisch
pala verlag Darmstadt 2009, aktualisierte Neuauflage, 158 Seiten, Hardcover,
ca. 17 x 12 cm, 9,90 EUR(D), ISBN 978-3-89566-260-7, pala-verlag.de
Durch den Trend zu einer vollwertigeren ge-sünderen Ernährung hält
Hirse, nachdem sie viele Jahrzehnte ganz in Vergessenheit geraten ist, wieder
Einzug in unsere Küchen. Und das ist gut so. Nicht umsonst wird dieses
Getreide das goldene Korn genannt. Neben wertvollen Vitaminen und ungesättigten
Fettsäuren enthält Hirse eine Reihe von Mineralstoffen und Spurenelementen.
Neben Magnesium und Kalium steckt auch wesentlich mehr Eisen in den kleinen
Körnchen, als in anderen Getreidearten. Auch unserer Schönheit hilft
die Hirse, weil sie durch ihren hohen Gehalt an Fluor und Silizium Zahnschmelz,
Haut, Haare und Nägel stärkt. In der Welternährung hat Hirse
schon immer eine große Rolle gespielt, vor allem in Ländern der Dritten
Welt. Chinesen zählten sie zu den fünf heiligen Pflanzen, Pythagoras
empfahl Hirse für Gesundheit und Kraft und Hunnenkönig Attila bewirtete
seine Gäste ausschließlich mit Hirse. Ein Getreide also, das eine
große und alte Geschichte hat.
Was mit Hirse heute in der Küche alles möglich ist, zeigt uns Wolfgang
Hertling mit seinem Kochbuch. Hirse ist geradezu eine Verwandlungskünstlerin wie
kein anderes Getreide. Es lässt sich nämlich sowohl süß als
auch pikant variantenreich zubereiten, schmeckt gut und ist äußerst
bekömmlich.
Die 120 ovo-lacto-vegetarischen Rezepte bestehen aus Frühstücksideen,
Suppen, Hirse als Beilage, Gemüsegerichte, Hirse als Füllung, Pfannengerichte,
kalte Hauptgerichte, Süßes aus Hirse und Backen mit Hirse. Für
Veganer sind die meisten Rezepte einfach zu veganisieren, in dem man Milch
durch Sojamilch, Quark durch Tofu, Sahne durch Sojasahne etc. ersetzt.
Ergänzt werden die Rezepte noch mit praktischen Tipps, wie man Hirse richtig
zubereitet, sowie Interessantes über Anbau, Sorten und Geschichte.
Ob man nun Süßes oder Pikantes bevorzugt, hier dürfte jeder
etwas für seinen Geschmack finden. Pilzhirse, Paprikaauflauf, Hirsebratlinge,
gefüllte Pfannkuchen, Apfelpudding, Carobcreme und Napfkuchen mit Hirse
würden vielleicht auch in Ihren Speiseplan Abwechslung bringen? Dann besorgen
Sie sich dieses Kochbuch und einem gesunden Schlemmen steht nichts mehr im
Wege.
Guten Appetit, wünscht Ihnen
Ihre Michaela Schaller
Seite 21:
Leserbriefe
Zum Artikel Helmut F.Kaplan, Tierrechte eine Illusion in der letzten anima:
Dr. Kaplan meint, die Tierrechtsbewegung sei die logische Fortsetzung der Sklavenbefreiung
und der Frauenemanzipation. Ich meine, dass die Tierrechtsbewegung und ihre Ziele
damit nicht vergleichbar sind, weil erstens diese Ziele im Artikel nicht definiert
werden und zweitens selbst die Zuerkennung des kleinsten subjektiven Rechtes
an Tiere eine Cäsur bedeuten würde, wie sie noch nie dagewesen ist.
Recht gebe ich ihm, wenn er von einem de-saströsen Zustand der Tierrechtsbewegung
spricht, aber aus anderen Gründen. Die Reklame für Fleischessen und
Pelztragen hat es immer gegeben. Es ist m. E. verfehlt, diesen Zustand mit dem
Verhalten anderer zu be-gründen. Selbst bei der Beschreibung des Versagens
der Tierrechtsbewegung auf Seite 11 erwähnt er zwar richtigerweise, dass
es den führenden Köpfen dieser Bewegung nicht genügt, wenn man
für Tierrechte eintritt, sondern sie verlangen auch in anderen Bereichen
eine gesinnungsmäßige Gleichschaltung, was viele abschreckt.
Der wahre Grund für die Erfolglosigkeit der Tierrechtsbewegung ist ihr Größenwahn.
Ich nenne es so, weil zumindest die maßgeblichen Leute sofort und ausschließlich
für alle Tiere die Grundrechte auf Leben, Freiheit und Un-versehrtheit fordern.
Ich bin im Rahmen des "Vereines gegen Tierfabriken" und bei seinen
Tierrechtskongressen dafür eingetreten, doch klein zu beginnen und z.B.
den Vollzug des Tierschutzgesetzes als Recht für Tiere zu fordern, bin aber
in rüder Weise niedergemacht worden.
Richtigerweise vermerkt Dr. Kaplan, dass trotz diverser Tierschutzbestimmungen
Tiere auf grauenhafte Weise gequält und getötet werden und dass die
meisten Menschen glauben, dass Tiere ein Recht auf artgerechte Haltung (und schmerzlose
Tötung) hätten. Beides ist richtig, doch mir fehlt im Artikel die Schlussfolgerung.
Ein Recht, von dem die meisten Leute fälschli-cherweise glauben, es bestehe
bereits, muss doch leichter durchzusetzen sein, als die vollends undurchdachte
Forderung nach Freiheit, Leben und Unversehrtheit der Tiere. Auch Dr. Kaplan
scheint mir das Schlachten und Fleischessen als unvereinbar mit Tierrechten zu
halten. Wohlgemerkt: Ich halte die Veganer für die Heiligen innerhalb der
Tierrechtsbewe-gung, aber für ein heiligmäßiges Leben bringt
nicht jeder die Kraft und den Opferwillen auf. Im Übrigen glaube ich, dass
der Konsum von Milchprodukten den Tierquälereien weitaus mehr Vorschub leistet,
als bewusstes Fleischessen. Trotzdem sind die Fleischesser weitaus mehr im Visier
der Tierrechtler. Unter bewusst verstehe ich z.B., dass man durch das Essen des
heimischen Kalbfleisches den Abfallkälbern weite Transporte erspart. Trotzdem,
ich bin kein Fleischesser, konsumiere aber seit der Gesundheitsschädigung
durch Veganismus mit schlechtem Gewissen Milchprodukte, selbstverständlich
aus bester biologischer Haltung, die sich aber, wie ich weiss, von der konventionellen
nicht sehr wesentlich unterscheidet.
Fazit: Als Tierrechtler sollte jeder gelten, der ein Recht der Tiere auf Qualfreiheit
einfordert. Das kann, krass gesprochen, auch ein Schlächter oder Metzger
sein. Ich würde mir für meine Person einen solchen Tod wünschen,
wie ihn qual- und schmerzfreie Schlachtung von Tieren vorsieht, statt hilflos
zu Tode gepflegt zu werden.
Dr .Bernd Haberditzl, Tirol
Zu viele Kühe oder zu viele Menschen?
Die negativen Auswirkungen der modernen industriellen Viehwirtschaft sind Fachleuten
seit langem bekannt: Landverschwendung, Vernichtung des Regenwalds, Nahrungsmittelverschwendung,
Energieverschwendung, Wasserverschwendung, Verschmutzung von Grundwasser- und
Oberflächengewässern, Negative Folgen des Ammoniakausstoßes
für Wald und Boden (Übersäuerung) und für die Feinstaubbelastung,
indirekte Gesundheitsschädigung durch Antibiotikaeintrag ins Ökosystem,
und insbesondere die Auswirkungen auf das Klima, der Treibhauseffekt durch
Methangas, Kohlendioxid und Stickstoffoxide. (Die Beiträge der Rinderhaltung 1,
3 Milliarden auf der Welt zum Treibhauseffekt sind ähnlich groß wie
die des gesamten Autoverkehrs, wenn wir die Waldrodung fürs Rind und die
Futtermittel einbeziehen).
Langsam, da der Klimawandel droht, wagen es auch Politiker und Großorganisationen,
vorsichtig für Reduzierung des Fleischkonsums einzutreten: Greenpeace publiziert
einen Werbespot: Ohne Fleisch gehts auch, der Vorsitzende des Weltklimarats,
Nobelpreisträger Rajenda Pachauri unlängst in der Tagespresse: Wir
müssen auch unsere Eßgewohnheiten ändern. In einer Welt mit hohem
Fleischverzehr wird das Fleisch industriell erzeugt mit sehr hohen CO2-Emissionen.,
usw.
1,3 Milliarden Rinder, woher kommen sie? Sind die Wisente und Auerochsen wiedererstanden
und haben sich ins Uferlose vermehrt? Ins Uferlose vermehrt haben sich wir Menschen.
Und Menschen verlangen unvernünftig nach Fleisch, sobald sie
glauben, es sich leisten zu können. (Der Fleischkonsum in China etwa hat
sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.) Glauben, es sich leisten zu können
weil wir die wahren Kosten vorerst nicht zahlen, weil wir wie oben schlagwortartig
angedeutet, von der Substanz unserer Erde leben. Zahlen werden es unsere Nachkommen.
Damit Fleisch noch billiger scheint, wird die Produktion dazu teils auch noch
subventioniert, auf Kosten der Steuerzahler, auch der fleischabstinenten.
Es gibt zu viele Rinder, doch der Ursache Kern: es gibt immer mehr Menschen.
Die, wird immer behauptet, unterscheiden sich vom Tier durch ihre Vernunft. Doch
wo bleibt sie, wenn es um die Vermehrung geht? Der Hunger in weiten Teilen der
Welt und vermutlich manch Bürgerkrieg hängt mit der Überbevölkerung
zusammen (Ruanda und Burundi zB hatten um 1930 drei Millionen, jetzt trotz
Völkermord bald neunzehn Millionen).
Und auch der Klimawandel. Nach Einschätzung von Experten würden bei
einem Anstieg der Weltbevölkerung bis 2050 auf nur acht Milliarden anstelle
der bislang projizierten neun Milliarden Menschen etwa ein bis zwei Milliarden
Tonnen weniger Kohlendioxid (CO2) freigesetzt, heißt es im Weltbevölkerungsbericht
2009 des UNFPA (United Nations Population Fund).
Doch geschieht etwas, um dem Bevölkerungsanstieg entgegenzuwirken? Außer
in China, wo aber die Ein-Kind-Regelung nur beschränkt wirkt, wenig, sehr
wenig. Die Entwicklungshilfe für Familienplanung wurde gegenüber 1995
um die Hälfte gekürzt. Das Thema interessiert unsere Regierungen offenbar
wenig.
In Europa gibt es trotz ungeheurer Verluste im 2. Weltkrieg um viele Menschen
mehr als zuvor (in Österreich fast zwei Millionen), auch in den letzten
Jahren ist in der EU die Einwohnerzahl angestiegen, die Geburtenrate in den meisten
ihrer Mitgliedsstaaten höher oder gleich der Sterberate. Dennoch versuchen
die Regierungen den Menschen einzureden, die Bevölkerung müsse wachsen
(nach dem sonst so verpönten Schneeballprinzip), wenn nicht durch mehr Geburten,
dann durch Einwanderung. Um die Relation zwischen Arbeitenden und Rentnern zu
wahren, sonst könne man die Alten nicht mehr versorgen.
Eine kühne Behauptung, die viel Glaubenbereitschaft fordert, wenn zugleich
allein in Österreich hunderttausende Arbeitslose nach Arbeit suchen, unzählige
arbeitsfreudige Menschen, allen Beteuerungen, die Lebensarbeitszeit müsse
verlängert werden, zum Trotz, als zu alt brutal aus dem Arbeitsleben gedrängt
werden, man das Arbeitseintrittsalter immer weiter hinauschiebt ...
Vor hundertzwanzig Jahren, als der Parlamentsabgeordnete Karl Morré das
Volksstück s Nullerl schrieb, eine flammende Anklage gegen
das damalige miese System kaum existierender Altersversorgung, kam auf zwanzig
Arbeitende vielleicht ein Arbeitsunfähiger. Damals ersehnten die Menschen von
der Zukunft Fernen, daß Brot und Arbeit uns gerüstet stehn,
daß unsere Kinder in der Schule lernen und unsere Greise nicht mehr betteln
gehn. Der Wunschtraum ist Wirklichkeit geworden (nur mit der Arbeit
haperts ein bißchen). Aber nicht, weil jetzt statt zwanzig vierzig
für einen Alten werken. Die vor einem halben Jahrhundert noch undenkbare
Wohlstandsvermehrung danken wir menschlichem Erfindungsgeist. Der hat uns einen
Märchentraum erfüllt: die Heinzelmännchen, sprich die Maschinen.
Da wirkt die Propaganda, die uns einzureden versucht, wir bräuchten mehr
Arbeitskräfte etwas antiquiert, und es regt sich der häßliche
Verdacht, es geht den Einwanderungs-Propagandisten gar nicht um die Altersversorgung
sondern um die Reduzierung der Löhne und Abschaffung von Sozialleistungen
durch billigere importierte Arbeitskräfte. Der Verdacht wird stärker:
An vielen vielen Orten unserer Welt leben Millionen Flüchtlinge; die vegetieren
unter erbärmlichen Bedingungen und können nicht einmal im Traum daran
denken, in reichere Länder zu kommen. Zu denen fällt besagten Propagandisten
so gut wie nichts ein.
Der Kreis schließt sich: immer mehr Tiere, Nutztiere auf immer engerem
Raum zur Gewinnmaximierung, immer mehr Menschen, Nutzmenschen auf immer engerem
Raum zur Gewinnmaximierung.
Umdenken wäre am Platz.
Erwin Lauppert
Notizen
Gotthart M. Teutsch gestorben
Prof. Teutsch, einer der ersten aus der Gilde der Philosophen und Ethiker im
deutschen Sprachraum, die sich des Tieres angenommen haben, bis zu seiner Emeritierung
1984 Professor an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe, ist im Sommer
neunzigjährig gestorben. Wir werden seiner in der nächsten anima ausführlicher
gedenken.
Kein Sicherheitsrisiko
Ein aus Italien zugewanderter Wolf hat im Oktober in Tirol zwölf Schafe
getötet. Der Bärenbeauftragte der Tiroler Veterinärdirektion dazu: Von
einem Wolf geht nach menschlichem Ermessen kein Sicherheitsrisiko aus. Die
Schafe dürften das vermutlich anders sehen.
30.000 im Jahr
Die Bevölkerungsexplosion tritt langsam auch ins Blickfeld namhafter Umweltschutz-
und Tierschutzorganisationen. So das US-amerikanische Center for Biological Diversity: Wir
Menschen haben die natürliche Aussterberate von 1 Spezies im Jahr auf 30.000
jährlich erhöht. Die Organisation, die sich der Erhaltung der biologischen
Vielfalt gewidmet hat, startete kürzlich eine Kampagne zur Aufklärung über
die Folgen der Übervölkerung. Siehe biologicaldiversity.org/
campaigns/overpopulation/index.
Schweinefabriken
Megabetriebe wie in anderen Ländern gibt es in Österreich kaum, doch
ist der Trend weg von der kleinstrukturierten Land- und Viehwirtschaft unverkennbar.
Einige Ansuchen in der Steiermark um Genehmigung von Schweineställen mit
je 3.000 Stellplätzen oder genauer nur 2.999, um die Umweltverträglichkeitsprüfung
zu umgehen, sorgen wegen der zu erwartenden Geruchs- und Güllebeeinträchtigung
für Aufregung. Die Landwirtschaftskammer befürwortet die Vorhaben,
die nicht nur von Bauern sondern auch von Kapitalinteressenten getragen werden.
Stunk gab es wieder bezüglich der in Niederösterreich von einem Tierarzt
betriebenen Schweinefabrik. Schon im Vorjahr hatten Animal Spirit (Dr. Plank)
und andere Vereine vom Betreiber bestrittene Mißstände angeprangert.
Seite 24:
Fragen
Angeschossen liegen lassen?
Sie sind Zeuge eines Verkehrsunfalls, bei dem ein Verkehrsteilnehmer auf einen
benachbarten Acker geschleudert wird. Was machen Sie? Rufen Sie gleich die
Rettung? Oder informieren sie lieber den Besitzer des Ackers; der soll sich
dann um alles weitere kümmern. Abwegig? Nein, geltendes Recht, Jagdrecht.
Nicht gerade für die Behandlung verletzter Menschen, doch für verletzte
Tiere.
Streng geheim?
Ü
berall gibt es Videokameras. Die beobachten uns, ob auf der Straße, ob
in den Geschäften, ob auf der Autobahn, ob auf dem Liegestuhl im Garten,
von der Erde oder aus der Luft, Datenschutz hin, Datenschutz her. Nur die Massenställe
sind ausgenommen. Warum? Weil sie ohnedies alle 50 Jahre überprüft
werden?
Die Katze im Sack kaufen?
Manche Unternehmer lieben Filme, teure Werbefilme, die unsere Kauflust aktivieren.
Weniger lieben sie Aktivisten, die ihre Tierhaltung filmen. Die verprügeln
sie lieber, wie vor ein paar Jahren auf finnischen Pelztierfarmen geschehen.
Darum: Kaufen Sie nur Waren, deren Erzeugung, deren Werden man filmen darf!
Wo waren die Hühner?
Im Supermarkt müssen Eier nach Haltungsart gekennzeichnet sein (Bio 0
Freiland 1, Boden 2, Käfig 3). Enthält ein Produkt (z.B. Keks) Eier,
genügt auf der Zutatenliste die Angabe Ei. Weshalb dürfen da die
Konsumenten die Haltungsart nicht wissen?
Ist das Schwein ein Lohengrin?
Nie sollst du mich befragen, noch Wissens Sorge tragen, woher ich kam der Fahrt,
... Schlachttiere werden durch halb Europa gekarrt, weil anderswo ein
Schlachthof günstiger ist. Wird das Schwein aus der Ferne hier geschlachtet,
ist sein Fleisch plötzlich inländisch. Warum darf der Konsument nicht
wissen, woher es kommt? Heißt er Elsa?
Muß das alles sein?
Wehren Sie sich!
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