Inhalt Nr.3/2010

 


Leo Tolstoi# ......................................... 3

Blick zu den Religionen ...................... 6
Vegetarismus und Tierschutz in religiösen Gemeinschaften
Kirchentag Mensch und Tier
Judentum ............................................ 6
Siebenten Tags-Adventisten ................... 8

Der Veggie-Wirt im Marchfeld ............ 9

Fleischimitate – ja oder nein? .......... 10

Vegetarische Informationen ............. 11

Alles unter Kontrolle
– Und die Maststiere? .......................... 12
Informationen der Ges. f. humane Nutztierhaltung

Vom fleischfreien Freitag zum fleischfreien Donnerstag# ? ........ 13

Bücher ............................................. 14
Foer, Tiere essen - Grimm, Tödliche Hamburger – Wiedenmann, Tiere, Moral und Gesellschaft -
Brang, Ein unbekanntes Russland - Eckstein, Vegane Weihnachtsbäckerei – Kügler-Anger, Cucina vegana

Notizen ............................................ 17

Rehleinaugen und Hundeaugen ........ 18
Terror .............................................. 18

Ankündigungen, Notizen. Impressum .... 19

Botox, Pelz u. ein steinernes Herz .... 20

 

Seite 2:

Liebe Leserinnen und Leser,


Ein talentierter amerikanischer Autor, im deutschen Sprachraum außerhalb der Lite-raturszene kaum bekannt, schreibt ein Sachbuch. Über das schon in unzähligen Werken, guten und weniger guten, abge-handelte Thema Massentierhaltung und Ve-getarismus. Weshalb hat gerade Jonathan Safran Foer mit „Tiere Essen“ einen wie es heute neudeutsch heißt Medienhype ausge-löst. Kaum ein Blatt, welches das Thema nicht seitenweise abhandelt, die meisten mit Einschränkungen positiv zum Vegetarismus oder wenigstens zur Minderung des Fleischkonsums.
Interessant, dass vor zehn Jahren ein ähnliches, wenn auch nicht so direkt gehaltenes Buch eines Schriftstellers, der immerhin bald darauf den Literatur-Nobelpreis erhielt, nämlich J. M. Goetzees „Das Leben der Tiere“ ohne vergleichbare Resonanz blieb. Jonathan S. Foer: die Meisterleistung begnadeter Verlagswerber oder ein unter der Oberfläche bereits brodelndes drängendes Problem, das nur noch eines Auslösers bedurfte? Sei dem wie immer, wir Tierfreunde können uns nur darüber freuen und hoffen, es ist mehr als ein Strohfeuer. Und es wären mehr aus der Literatenzunft, die sich der Sache annäh-men.
Gerade international herausragende Persönlichkeiten wie George Bernard Shaw, Literatur-Nobelpreisträger 1925, und Leo Tolstoi, haben nicht nur in England und im vorkommunistischen Russland den Vegetarismus weiteren Kreisen nahe gebracht. Mit dem Prager Franz Kafka gab es zwar auch einen deutschsprachigen Schriftsteller von Weltruhm, doch ließen ihn sein früher Tod und nazistische Geisteskulturverfolgung erst spät bekannt werden. Dazu bemühen sich Biographen, seine vegetarische Lebensweise möglichst abzutun oder zu verschweigen.
Hundert Jahre sind seit dem Tod Tolstois vergangen, Anlass, in dieser anima seiner zu gedenken. Shaw ist im November 1950 gestorben, vor sechzig Jahren, wir möchten ihn in der Winter-anima würdigen.
Der 1.Oktober ist Welt-Vegetariertag, der 4. Welt-Tierschutztag, der Gedenktag des hl. Franz von Assisi. Abweichend von unserer Tradition sprechen wir diesmal nicht wieder über den Heiligen; wir werfen einen Blick auf religiöse Gemeinschaften und ihre Einstellung zu Vegetarismus und Tierschutz. Die weiteren Themen dieser Ausgabe u.a.: das traditionelle Restaurant-Interview; die unterschiedlichen Meinungen zu Fleischimitaten; die Aktion fleischloser Wochentag.
Anlass zu Sorge ist die Tendenz der Regie-rung unter dem Vorwand der Gefahrenab-wehr die Freiheitsrechte, die Meinungsfrei-heit einzuschränken, wie dies etwa im Ent-wurf des Terrorismuspräventionsgesetzes geschieht.
Ein trauriges Kapitel: Modegewaltige setzen wieder auf Pelz. Wenn schon nicht auf ganze Mäntel, dann auf Pelzbesatz. Kleiderhäuser lassen die Kunden oft im Unklaren, ist ein Pelzkrägelchen Kunststoff oder Natur.
Dazu eine Bitte: Möglichst oft in Geschäften konsequent und ausdauernd nachfragen. Nur so lässt sich praktisch die klare Deklaration erzwingen: Kunstpelz oder Naturpelz.

 

Ihre anima-Redaktion

Leo Tolstoi
„ Die Sonne der vegetarischen Welt“ – Vegetarier im zaristischen Russland


Vor kurzem sahen wir, welch Aufsehen der amerikanische Autor J.S.Foer in den Medien mit „Tiere essen“, mit seiner abwägenden und im Ergebnis negativen Beurteilung des Fleischkonsums erregte. Eineinviertel Jahrhunderte zuvor war es der weltberühmte russische Schriftsteller, der für Fleischverzicht plädierte, nicht als Ziel für sich, vielmehr als ersten Schritt zu einem einfachen sittlich guten Leben. Das Aufsehen war enorm, positiv und negativ. Wie dies etwa ein Leitartikel einer Pariser Zeitung1885 zeigt:


„ Tolstoi, dessen kürzlich ins Französische übersetzter Roman „Krieg und Frieden“ die Pariser in Entzücken versetzt hatte, Tolstoi, der Graf, der reiche Mann, der gefeierte Krieger von Sewastopol, der glänzende Dichter, hatte mit der Gesellschaft gebrochen, sich von der Dichtung abgewendet und sich in den Streitschriften „Meine Beichte“ und „Meine Religion“ auf Rousseaus Seite gestellt, hatte der Kultur den Krieg erklärt und selbst seine Lehren in die Praxis umgesetzt, indem er Bauer geworden war. „Alle Menschen, so predigte er, sollen mit dem Körper arbeiten, wenn sie essen wollen. Kein Vermögen, kein Müssiggang. Keine Salons, keine galanten Intrigen, keine lasciven Bälle, keine wollüstigen Romane. Keine Städte, keine Industrie, keine Warenhäuser. Alle sollen auf dem Felde leben, im Walde, auf der See die Sonne geniessen, mässig essen und gut schlafen, glücklich leben und zufrieden sterben!“ Also, wieder ein Aufschrei gegen die Kultur wie er seit Jesus von den Aposteln Savonarola, Jean Jacques Rousseau, Lord Byron ausgestossen worden.“
„ Der Verfasser des Artikels klagt und jammert, denn der neue Apostel hat Jünger unter der gebildeten Jugend in Russland gewonnen, und selbst in Paris ist dieser Tage eine russische Prinzessin, die der großen Welt angehört, Hals über Kopf nach Hause gereist, um „Apostel“ zu werden“. (Zitiert nach August Strindberg, Unter französischen Bauern).


Doch der Reihe nach. Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi wurde 1828 als Sohn eines Gutsbesitzers auf dem Gut Jasnaja Poljana bei Tula (ca. 200 km südlich Moskau) geboren. Im folgenden sein Lebenslauf nur schlagwortartig (für eingehender Be-fassung sei auf die zahlreichen biographischen Werke verwiesen, etwa die von Romain Roland voll dichterischem Elan und andere nüchterne), 1830 Tod der Mutter, 1837 Tod des Vaters, Erziehung durch eine Verwandte zuerst in Jasnaja, dann in Kasan, nach dem für den Adel üblichen Muster durch Hauslehrer, insbesondere für Sprachen; 1844-1847 Univer-sitätsstudium in Kasan, abgebrochen; einige eher ausschweifende Jahre in Moskau und St. Petersburg, 1851 in den Kaukasus zur Armee, beginnende schriftstellerische Arbeiten, dann im Krimkrieg 1854/55 erster künstlerischer Ruhm durch die realitätsnahe Schilderung des Lebens in der belagerten Festung Sewastopol, 1856 Austritt aus dem Militärdienst, 1857 und 1860/61 Auslandsreisen auch pädagogischer Studien halber, Gründung einer Schule in Jasnaja Poljana; Schreiben; 1862 Eheschließung mit der 18jährigen Arztenstochter Sophia Behrs aus Moskau, die ihm (neben einigen Fehl-geburten) 13 Kinder gebar, und ihm dazu große Unterstützung in Gutswirtschaft und Schriftstellerei war, 1864 –69 Arbeit an Krieg und Frieden, 1875 – 1877 an Anna Karenina.


Tolstoi hatte anders als die vielen schon als Jüngling sich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens befasst, zwischen Leidenschaften und Selbsterziehung gekämpft. Nun mit fünfzig Jahren gewann der Suchende oberhand; Tolstoi rechnete in der etwa 1879 geschriebenen Beichte mit seinem bisherigen Leben ab, er ver-senkte sich in das Studium religiöser Schriften; das Lehrgebäude seiner orthodoxen Kirche gab ihm jedoch keine Befriedigung. Tiefe Erschütterung brachte ihm 1882 die Mitarbeit an der Volkszählung in einem Moskauer Bezirk: Erstmals wurde er hier des furchtbaren städtischen Elends gewahr, das die Armut auf dem Lande noch übertraf. Er fand schließlich zu einer ihm eigenen Auslegung des Christentums im Ideal, unzulänglich gesagt, eines sehr einfachen werktätigen Lebens eher mönchischen Charakters in einer urchristlichen Gemeinschaft verbun-den in brüderlicher Liebe.


Neben dem ‚tierschützerischen’ Aspekt (beim Vegetarismus) – schreibt Peter Brang– hatte die ethische Motivation bei Tolstoi auch eine soziale Komponente. Immer wieder muss man sich, will man sich über seine Radikalität in der Forde-rung nach Vereinfachung und Selbstbe-scheidung wundern, die ihn umgebende Wirklichkeit vor Augen halten. Er fand es unerträglich, dass im Herrenhaus viel Mü-he auf exquisite, raffinierte Speisen ver-wandt wurde, während ringsum bittere Armut und periodisch immer wieder Hun-ger herrschte. Die Situation ähnelte teil-weise der, die weltweit den Beginn des 21.Jahrhunderts kennzeichnet, da in den Supermärkten der Industriestaaten die Regale sich von leckeren Hunde- und Kat-zenfutter biegen, während in der Dritten Welt täglich Tausende verhungern. Nur lag die Not, im Unterschied zur Gegen-wart, nicht in weiter Ferne, war sie nicht lediglich anonymisiert auf dem Bildschirm zu sehen– man begegnete ihr täglich hautnah.“


Damals hatte man noch kaum die modernen Heinzelmännchen – die Maschinen; allein die harte Fronarbeit der Unteren ermöglichte das Wohlleben der Oberen. Nur ein Beispiel: Die tägliche Arbeitszeit für das Personal betrug selbst im vegeta-rischen Restaurant in Moskau vor der Revolution 1917 dreizehn Stunden.


In den letzten dreißig Jahres seines Lebens spielt die Schriftstellerei nicht mehr die große Rolle, Tolstoi schuf noch zwei Werke von Weltgeltung, Kreutzersonate und Erbarmen. Sein Schaffen konzentrierte sich auf viele weltanschauliche Schriften, auf Pamphlete, in denen er seine Weltanschauung erläuterte – Gerech-tigkeit, Frieden, Gewaltlosigkeit – und zu Fragen der Zeit Stellung nahm, Liberalismus, Sozialismus, das zaristische System geißelte, ein nicht unerheblicher Beitrag zu den revolutionären Ereignissen im Gefolge des verlorenen Kriegs gegen Japan. Die meisten dieser Schriften waren zwar von der Zensur verboten, doch im Untergrund im Umlauf. Ihn selbst wagte das Regime nicht anzugreifen, wohl aber wurde er 1901 von der Kirche exkommuniziert.


All die Jahre waren getrübt durch die zunehmende Entfremdung von seiner Frau; sie konnte seinen Ideen nicht folgen, wollte das Familienvermögen den vielen Kindern sichern und lehnte die vegetarische Lebensweise ihres Mannes ab. Zudem bedrückte diesen der Widerspruch zwischen ethischer Forderung und der Tatsache des Lebens als Gutsbesitzer. Schließlich kam es im Oktober 1910 zum Ausbruch Tolstois aus Jasnaja Poljana; eine Lungenentzündung auf der Flucht beendete seinen Weg.


Nun zum Vegetarismus. Etwa 1884 be-gann Tolstoi – mit kleineren Unterbre-chungen – fleischlos und zeitweise rein pflanzlich zu leben. Der Verkehr mit bedeutenden westlichen Vegetariern bestärkte ihn in der Ernährungsumstellung und half ihm die familiären Widerstände zu überwinden.
Tolstois Vegetarismus – meint Peter Brang in seinem 2002 erschienenen Werk Ein Unbekanntes Russland (siehe Seite 15), dem wir im weiteren Verlauf folgen – war ein komplexes Phänomen. Es ging nicht um bloßen Verzehr von Fleisch. Tolstois Bekenntnis zu einer vegetarischen Lebensweise hatte gesundheitliche Aspekte, ethisch-humane, ästhetische, pädagogische, soziale, gastronomische, ökologische und ökologische – und alle diese waren Teil seines Strebens nach einer umfassenden Reform des Lebens, eines Aufrufs an die Menschheit und an jeden Einzelnen, an einer sittlichen Umgestaltung der Welt mitzuwirken.


Zeitweiser Fleischverzicht war in Russland fast die Regel gewesen, doch religiös motiviert. Zwei Fasttage (in der Bedeutung von fleischlos) in der Woche, Freitag und Mittwoch, wochenlange Fasten vor bestimmten Festen, war für die breiten traditionell religiösen Kreise Selbstverständ-lichkeit. Dazu für viele durch Armut der Zwang zur fleischfreien Nahrung. Auch zahlenmäßig nicht unbedeutende Sekten lehrten fleischlose oder pflanzliche Ernährung.


Das in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts im westlichen Ausland wachsende Interesse am Vegetarismus war auch in Russland von einigen registriert worden. A. N. Beketov, einer der führenden russischen Botaniker, lange Jahre Rektor der Petersburger Universität, selbst kein Vegetarier, hatte sich schon 1878 in einer längeren Studie Die Ernährung des Menschen in seiner Gegenwart und Zukunft entschieden für eine vegetarische Ernährung eingesetzt; er brachte nicht nur er-nährungsphysiologische und ökonomische Gründe sondern auch hu-manitäre:
Die Liebe zu allem Lebendigen vertrage sich nicht mit der Tötung der stummen Kreatur, der Abscheu vor jedem Blutver-giessen sei immer ein Merkmal der Hu-manität. ...


Dort irgendwo draußen vor der Stadt steht das Schlachthaus, ein widerlicher, stinkender und bluttriefender Ort, wo man würgt, ausweidet, hackt und aus den Adern fliessen lässt; aber wer wirft denn dorthin auch nur einen flüchtigen Blick? Dort irgendwo jenseits der Donau (Anm. der russisch-türkische Krieg war gerade zu Ende) liegen Tausende von toten oder halbtoten menschlichen Kör

pern, zerfleischt und auf alle Weise entkräftet. ... Mich dünkt, dass diese zwei Schlachtorte in unvergleichlich engerer Verbindung zu einander stehen, als man gewöhnlich meint: dass das Metzger- und das Kanonenfleisch ... zwei Erscheinungen sind, die einander bestimmen oder zumindest einander stützen.
Die Schrift blieb ohne große Resonanz. Erst Tolstoi, der in manchem auf Beketov zurückgriff, war dank seiner Berühmtheit der erste, der das Gedankengut weiteren Kreisen nahe bringen konnte. Besonderes Aufsehen erweckte hiebei seine 1891/92 verfasster Essay Pervaia stupen – Die erste Stufe. (Wir möchten in der nächsten anima ausführlicher auf sie eingehen). Sie wurde auch im Westen begeistert aufgenommen, auf Vegetarierkongressen bejubelt, ein Blatt nannte Tolstoi „die Sonne der vegetarischen Welt“.


In Russland entstanden im Lauf der beiden folgenden Jahrzehnte (teils behindert von der Polizei) in rund 15 größeren Städten teils sehr aktive vegetarische Gesellschaften, Restaurants (1914 in ca.40 Städten zusammen über 70), weiters gab es Zeitschriften, Verlage. Die Vereine blieben (auch wegen hoher Mitgliedsbei-träge und polizeilicher Observation) zwar klein, selbst in Peterburg und Moskau gab es im Schnitt kaum mehr als je 100 Beitragszahlende; die Zahl der Restaurantbesucher dagegen war beträchtlich, in den vier von der Moskauer Vegetarier-Gesellschaft betriebenen Speiselokalen 1914 im Schnitt täglich fast 1.900. (Eine Zählung am 20.11.1912 in den Kiewer Vereins-Speisehäusern ergab bei fast 1.500 Besuchern einen Anteil von über 70 % Nicht-Vegetariern). Erfolglos blieben die Bemühungen einen zentralen Vegetarierverband für ganz Russland zu schaffen; nicht nur wegen des Widerstands der Behörden; es gelang nicht, für die unterschiedlich motivierten Gruppen, gesundheitsbezogene, ethisch fundierte, gemäßigte (lacto/ovo), strenge (heute vegan genannte) Vegetarier einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Das tat dem Aufblühen des Vegetarismus jedoch keinen Abbruch. Getragen war die Bewegung vorwiegend von Gebildeten, Künstlern, Intellektuellen.
Mit der kommunistischen Machtergreifung war alles zu Ende, nicht abrupt, allmählich durch Schikanen und dann Verbote. 1930 war das Vereinsleben endgültig ausge-löscht. Der Begriff vegetarisch wurde zum Unwort, fast sechzig Jahre lang.


Den meisten Heutigen ist Tolstoi längst entschwundene unwirkliche Vergangenheit. Seine Ideenwelt ist ihnen fremd. In einigen vegetarischen Zitatensammlungen finden sich noch Sinnsprüche dieses Apostels der Gewaltlosigkeit. Ein Zitat ist es vor allem, das uns Tolstoi nicht vergessen lässt. Der oben wiedergebene Gedanke Beketovs, den er so einprägsam verdichtet hat:


Solange es Schlachthäuser gibt, wird es auch Schlachtfelder geben.


E.L.

 

Seite 6 - 8:

Blick zu den Religionen
Vegetarismus und Tierschutz in religiösen Gemeinschaften


Der 1. Deutsche Kirchentag Mensch und Tier war – laut Veranstalter – ein großer Erfolg! Vom 27.-29.8. trafen sich gut 1.000 engagierte Menschen, die sich für die Würde der Tiere einsetzen, bei Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops, in Dortmund. Trotz sehr schlechten Wetters feierten Mensch und Tier am Sonntag zusammen einen bewegenden Abschluss-Gottesdienst, auf dem die zentrale Botschaft des Kirchentages verlesen und das einzigartige Kirchentagslied “Mensch und Tier” von Markus Matschkowski vorgetragen wurde. Unter großem Beifall begrüßten die Teilnehmer die Absicht, einen 2. Kirchentag Mensch und Tier in 2012 zu veranstalten. http://kirchentagmenschundtier.de/


Zu den Vortragenden zählten auch Dr. Helmut F. Kaplan mit dem Thema: “Die Schuld der Kirche am Elend der Tiere ” (Die Brisanz des Themas wurde allerdings durch die generelle Übung der Programmersteller, mehrere Veranstaltungen zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten anzusetzen – hier noch sechs dazu – entschärft); weiters Dr. Hanna Rheinz (siehe w.u.) zum Thema: Jüdisches Tierrecht und Tierschutz zwischen Vision und kollektiver Abwehr”.



Tierschutz und Vegetarismus im Judentum

Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer schreibt in seinem jüngsten Werk Tiere essen im Kapitel Koscher?:

Über die jüdischen Speisegesetze lernte ich in der Schule und zu Hause, dass sie als Kompromiss entstanden waren: Wenn wir Menschen schon unbedingt Tiere essen müssen, dann sollten wir es auf humane Weise tun, mit Respekt für die anderen Lebewesen auf der Welt und in Demut. Fügt den Tieren, die ihr esst, kein unnötiges Leid zu, weder im Leben noch beim Schlachten. Aufgrund dieser Denkweise war ich als Kind stolz, jüdisch zu sein und ich bin immer noch stolz darauf.

Unter amerikanischen Juden und auch in Israel gibt es viele bedeutende Persönlichkeiten, die für die vegetarische Lebensweise eintreten. Vor ein paar Jahren brachten wir in der anima (Nr.3-2007) einen längere Artikel Zehn Wege in eine vegetarierfreundliche Welt“ von Prof. Richard H. Schwartz, dem Vorsitzenden der Jüdischen Vegetarier Vereinigung Nordamerikas und Verfasser zahlreicher Bücher und Schriften über Judentum und Vegetarismus.


Auch unter den Juden lebt nur eine kleine Minderheit vegetarisch. Manche orthodoxe Juden sind aus praktischen Gründen Vegetarier; zwei Küchen führen wäre zu umständlich.

Der jüdische Vegetarismus steht – nach Hanna Rheinz – auf 5 Säulen:
dem Gebot, die Gesundheit und das Leben zu erhalten (pikuach nefesch);
dem Verbot, einem Lebewesen Schmerz zuzufügen (tsa `ar ba` alei chaim)
dem Gebot, nichts zu vergeuden und zu zerstören (bal taschchit)
der Aufforderung, Bedürftigen zu helfen und für Gerechtigkeit einzutreten (Zedakah)
dem Gebot, sich für das Wohlergehen des jüdischen Volkes einzusetzen (Klal Israel)


In Deutschland zählt Hanna Rheinz, zu den wenigen aus der jüdischen Gemeinschaft, die sich öffentlich für ein gewandeltes Verhältnis zu den Tieren einsetzen. Rheinz ist Psychotherapeutin, Kulturwissenschaftlerin, Publizistin, Künstlerin, und hat viel über Tier und Mensch, über Frauen und über andere Themen publiziert. Sie ist Gründerin der Initiative Jüdischer Tierschutz sowie des interreligiösen und interkulturellen Vereines Trialog 4 Animals (TriAni) e.V., dessen Ziel es ist, in der Gesellschaft und unter den Anhängern der, drei abrahamitischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam tierschutzbezogene Dialoge zu fördern.


Moses, Genesis 1:
27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er sie.
28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.
29 Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die amen tragen und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten, euch sollen sie zur Nahrung dienen.


Für alle, ob christlich oder jüdisch, die Tierschutz, Vegetarismus religiös begründen sind diese Sätze der Bibel Kernpunkt.


Dieser ursprüngliche Vegetarismus der Schöpfungsgeschichte, sagt Hanna Rheinz, könne als erste globale Vision einer vollkommeneren Gesellschaft betrachtet werden, in der Tiere nicht als Sklaven ausgebeutet sondern als Mitlebewesen mit dem Recht eigenen Lebens betrachtet werden. Die spirituellen Auswirkungen, wenn Nahrung durch das Töten von Mitgeschöpfen gewonnen wird, führt Rheinz weiter aus (hier alles sehr verkürzt wiedergegeben) erkenne die Tora und beschreibe demgegenüber die Erlaubnis des Fleischverzehrs als ethisch minderrangig; im Talmud werde sie als moralisch und fragwürdig beschrieben. Das Töten von Tieren sei zu einem religiösen Akt erklärt worden, unter Bedingungen, um das Töten nach Tierarten und Tierindividuen zu beschränken. Bezeichnend sei: Unter den nahrungsbezogenen Segenssprüchen fehlt der Segensspruch über Fleisch. Auch über neue Lederkleidung und Schuhe wird kein Segen gesprochen, da sie an das Leiden des getöten Tieres erinnern sollen.
Die dem Menschen übertragene Herrschaft bedeute nach jüdischer Tradition gerade wegen seiner Gottesebenbildlichkeit Pflicht zu Verantwortung, Mitgefühl und Sorge über Tier und Natur.


Die altjüdischen Vorschriften seien das erste Tierschutzgesetz gewesen.
Du darfst keinem Lebewesen Schmerz und Leiden zufügen." Dieses als "Tsa`ar ba`alei chayim" bekannte Gesetz ist – sagt Rheinz – Dreh- und Angelpunkt des jüdischen Tierschutzes und habe weitreichende Folgen für die Haltung und Zucht von Lebewesen: Verbot der Verstümmelung, Kastration, des Beschneidens von Tieren.


(Für andere Lebensformen etwa Pflanzen, gilt das Verbot der Zerstörung, der mutwilligen Vernichtung und Vergeudung).
Das historisch entstandene Handwerk der Schechita, so Rheinz, stellte einen enormen Fortschritt des Tierschutzes bei Schlachtungen dar. In Zeiten, als Tiere erstochen, erschlagen, erdrosselt, gesteinigt wurden, schrieb das Judentum die schonendst mögliche Methode des Schlachtens vor und entwickelte geeignete Methoden und Ausbildungsweisen.
In der heutigen Zeit haben sich die Bedingungen des betäubungslosen religiösen Schlachtens verändert: industriell organisiertes Schlachten sei nicht mehr mit dem jüdischen Tierschutzgebot vereinbar.


Hanna Rheinz hatte sich deshalb 2008 in einem Offenen Brief (mit einem ausführlichen religionswissenschaftlichen Gutachten) an die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, gewandt und die Zulassung reversibler Elektrokurzzeitbetäubung gefordert. Schächten unter deren Einsatz mindere die Religionsfreiheit nicht, sondern ermögliche erst ein zeitgemäßes schonendes Schlachten im Sinn des Jüdischen Tierschutzgebotes.


Doch leider konnten sich die maßgeblichen jüdischen Instanzen nicht vom Buchstaben lösen und zum Geist der jüdischen Gesetze aufschwingen.


Um versöhnlich zu schließen: Im März besuchte die Zentralratspräsidentin anlässlich der Einweihung eines Denkmals für die ermordeten jüdischen Bürger Weilheims Frau Rheinz, die mit ihren Tieren auf einem Bauernhof nahe Weilheim lebt. In ihrer Rede beim Einweihungsfestakt lobte Frau Knobloch die Initiativen Jüdischer Tierschutz und Verein Trialog und sagte: Ich überlebte die NS-Herrschaft auf einem Bauernhof in Franken und es waren dort die Tiere, die mir zu Quellen der Liebe und der Seelenstärke wurden. Meine lebenslange Tierliebe nährt sich nicht nur aus meinen persönlichen Erfahrungen, sondern sie steht, - was wir uns heute erst wieder bewusst machen – auf der uralten jüdischen Tierschutzlehre.
(Quelle und Näheres: www. tierimjudentum.de)



Vegetarismus bei den Siebenten-Tags-Adventisten

Viele ST-Adventisten waren und sind Vegetarier (vorwiegend l/o, manche auch vegan), die Quellen sprechen von 20 bis 40 %. Verbindlich waren und sind jedoch – außer in ein, zwei zahlenmäßig unbedeutenden Splittergruppen – nur die Ernährungsvorschriften, die im Alten Testament in 3 Mose Kap.11 niedergelegt sind (also insbes. kein Schweinefleisch).


Der Vegetarismus unter den S.T.-Adventisten geht vor allem auf Ellen G. White (1827–1915), Mitbegründerin und „Seele“ der Religionsgemeinschaft zurück. Sie stützte sich auf die (paradiesischen) Speisevorschriften in 1 Mose 1, 29 (siehe Vorseite): reine Pflanzennahrung. White, die wie die Adventisten überhaupt führend in der Lebens- und Ernährungsreform des ausgehenden 19. Jahrhunderts war, meinte, Fleischgenuss störe die Empfangsbereitschaft für den (göttlichen) Geist und stärke die niederen Leidenschaften:


„ Ist es nicht an der Zeit, dass alle sich das Ziel stecken sollten, das Fleischessen zu lassen? Wie können solche, die danach streben, rein veredelt und heilig zu werden, damit sie Gefährten der Engel sein können, fortfahren , etwas als Nahrung zu gebrauchen, das so schädliche Folgen auf Seele und Leib hat? Wie können sie Gottes Geschöpfen das Leben nehmen, damit das Fleisch als eine Delikatesse verzehren? Lasst sie lieber zu der gesunden und köstlichen Nahrung zurückkehren, welche dem Menschen am Anfang gegeben wurde, sich darin üben und es auch ihre Kinder üben lehren, den stummen Geschöpfen, die Gott geschaffen und unter unsere Herrschaft gestellt hat, Barmherzigkeit erweisen.“


White ist zwar nicht mehr ganz unum stritten, doch ist ihr ist nach wie vor einer der 28 adv. Glaubensartikel gewidmet:


18. Die Gabe der Weissagung: Eine der Gaben des Heiligen Geistes ist die Weissagung. Diese Gabe ist ein Kennzeichen der Gemeinde der Übrigen und hat sich im Dienst von Ellen G. White erwiesen. Die Schriften dieser Botin des Herrn sind eine fortwirkende, bevollmächtigte Stimme der Wahrheit und geben der Gemeinde Trost, Führung, Unterweisung und Zurechtweisung. Sie heben auch deutlich hervor, dass die Bibel der Maßstab ist, an dem alle Lehre und Erfahrung geprüft werden muss.


So wenig (USA) bis nichts (D) sich auf den offiziellen STA-websites über Vegetarismus findet, so sehr wird er von den Gesundheits-Vorfeldorganisationen der STA propagiert, allerdings ohne Hinweis auf den von White angesprochenen spirituellen Hintergrund. (Bedeutsam sind die veg. Arbeiten der adv. Universität in Loma Linda/Kalifornien). Die Pflicht zu gesunder Lebensführung ist auch in den STA-Glaubensartikeln niedergelegt:


22. Christlicher Lebensstil: Wir sind berufen, ein gottesfürchtiges Volk zu sein, .... Damit der Heilige Geist in uns einen Christus ähnlichen Charakter ausprägen kann, beschäftigen wir uns ... mit dem, was in uns Reinheit, Gesundheit und Freude fördert. Freizeitgestaltung und Unterhaltung sollen dem hohen Anspruch von Geschmack und Schönheit entsprechen, wie sie christlichem Glauben angemessen sind. Während wir durchaus kulturelle Unterschiede berücksichtigen, sind wir bedacht, uns schlicht, anständig und geschmackvoll zu kleiden; denn wahre Schönheit besteht nicht in Äußerlichkeiten, sondern in dem unvergänglichen Schmuck der Freundlichkeit und Herzensgüte. Das schließt auch ein, dass wir für unseren Leib, der ein Tempel des Heiligen Geistes ist, in vernünftiger Weise Sorge tragen. Neben ausreichender körperlicher Bewegung und Ruhe wollen wir uns so gesund wie möglich ernähren und uns der Speisen enthalten, die in der Heiligen Schrift als unrein bezeichnet werden. Weil wir uns nicht schaden wollen, enthalten wir uns auch alkoholischer Getränke, des Tabaks, jeglicher Drogen und lehnen den Missbrauch von Medikamenten ab. Stattdessen befassen wir uns mit dem, was unsere Gedanken und unseren Körper unter den Einfluss Christi stellt. Er wünscht uns Freude, Gesundheit und Wohlergehen.

 

Seite 9:

Der Veggie-Wirt im Marchfeld


Unsere vegetarischen Gasthauserkundungen führen uns diesmal ins niederösterreichische Marchfeld, nach Weikendorf, ein kleiner Ort mit Dorfcharakter, ein paar Kilometer östlich der aufstrebenden Bezirksstadt Gänserndorf. Wir sprachen mit der Wirtin Frau Sabine Rauch, die den Betrieb, gemeinsam mit ihrem Mann, ursprünglich ein typisches Landgasthaus, seit sechzehn Jahren führt.


Sie erzählt uns: In einem Ort wie hier ein Gasthaus, das seit viele Jahren den Gästen aus der näheren und weiteren Nachbarschaft die landesübliche Kost bietet, auf fleischfrei umzustellen, das geht nicht, wenigstens wenn man davon leben muss und Konkurrenz im Ort ist. Nun traf dreierlei zusammen: Wir sind den Tierrechten zugeneigt, das Gebäude ist groß, ein erster Stock praktisch frei, nur für eher seltene Veranstaltungen genützt, dazu vegane Freunde, die uns inspirierten und uns die nötigen Gäste versprachen.


So haben wir, mein Mann und ich, uns vor eineinhalb Jahren entschlossen, sozusagen eine zweite Abteilung aufzumachen und den ersten Stock des Hauses der veganen Küche zu widmen. Oben ein veganes Restaurant, unten ein „normales“ Gasthaus. Ich habe mich dazu intensiv in der Zubereitung vegetarischer Speisen der veganen Sparte geschult, dazu gibt es im Betrieb eine Köchin die lange in vege-tarischen Restaurants gearbeitet hat.


Wir als Besucher haben uns überzeugt: Es wird ausgezeichnet gekocht.


Das Speisenangebot ist groß, es gibt viele Fleischimitationen, z.B. Napoleon”-Schnitzel“ (mit “Schinken” u. „Käse” überbacken, Braterdäpfel und Salatgarnitur, Gebackenes „Hühnerfilet“ auf Blattsalat mit Erdäpfeln und Kür-biskernöl, “Kotelette” aus der Pfanne mit „Kräuterbutter“, Gemüse und Pommes frites, „Wildragout” mit Serviettenknödel und Preiselbeer-Pfirsich, „Paprikahendl“ mit Spätzle und Gurkerl, Herrengulasch „Rindsgulasch” mit Würstchen’ Knödel und Fächergurkerl, usw. , aber auch Veganes ohne „Fleischgeruch“ wie Gemüse- oder Krautstrudel, „Käse“spätzle, Spaghetti a la Rauch; dazu verschiedne Suppen und Desserts. Übrigens, die Speisenkarte steht im Internet: veggie-wirt.at.


Ein besonderer Vorzug für die schöne Zeit: ein sehr großer naturbelassener Gastgarten. Und eine gute Station für Ausflüge (Radwanderungen) ins weitere Marchfeld, die March ist nicht weit (Angern 7 km) die Marchfeldschlösser Schlosshof und Niederweiden (ca. 25 km). Die Anbindung an Wien ist hervorragend, mit dem Auto von der Abzweigung Gänserndorf der Nordautobahn (Nordumfahrung) 20 km (auf der Bundesstraße über Deutsch-Wagram und Strasshof, am Südrand von Gänserndorf vorbei weiter Richtung Angern, dann dem Wegweiser Weikendorf folgend rechts ab in den Ort, nach wenigen hundert Metern links das Gasthaus Rauch zugleich Veggie-Wirt, gute Eisenbahnverbindung (Station Wei-kendorf-Dörfles ca. 10 Fußminuten).


Mit einem Wort, es ist einen Besuch wert.


Noch eine Anmerkung. Welche Voraussetzungen sind erforderlich, um doch abseits der Großstadt so ein Lokal zu führen? Eine ist sicher eine gute preiswerte Küche, die zum Wiederkommen einlädt. Die ist gegeben. Die Fre-quenzprognose dürfte allerdings zu optimis-tisch gewesen sein. Das ist verkraftbar. Rentiert es sich nicht, den Oberstock aufzusperren, auch im Parterre gibt es einen gesonderten gemütlichen Raum für Veganer. Doch wie lässt sich die Besucherzahl steigern? Die Mehrzahl der vegetarischen Lokale in der Stadt leben, weil sie auch von Nichtvegetariern fre-quentiert werden. Werden die alle fürs falsche Schnitzel einen weiten Weg auf sich nehmen, wenn es das echte ums Eck gibt? Könnte vielleicht mehr originell Vegetarisches ohne Fleischgeschmack anziehender sein? Die vegane Form des Vegetarismus ist zweifellos die tierschutzmäßig bessere, doch praktizieren sie nur ein Zehntel der Vegetarier. Könnte der Verzicht auf den demonstrativen Hinweis „vegan“ bei i.w. unverändertem Angebot eine Hemm-schwelle mindern?
E.L
Adresse: Gasthaus Rauch (Nina) – Veggie-Wirt, Obere Hauptstraße 24, 2253 Weikendorf, Tel. 02282/2313, http:// veggie-wirt.at

 

Seite 10:

 

 

 

Der Dichter: Wann jubelt dein Herz wohl am seligsten auf?
Der Knecht: Ban türgischen Sterz mitra Schwommsuppn drauf.

Aus Hans Kloepfer (1876 -1944) „Der Dichter“

 

Fleischimitate: ja – nein?
Zur Diskussion:


Die Frage ‚Fleischimitate ja oder nein’ entzweit Vegetarier. Insbesondere die Übung mancher Veggie-Restaurants Vegetarischem die Namen der in konventionellen Gaststätten angebotenen Speisen aus Tierkadavern zu geben, finden manche ungustiös.

Wir bringen einen Leserbrief und dazu eine redaktionelle Antwort, die auch Argumente der Gegenseite aufzeigt.

Liebe Leserinnen und Leser, was meinen Sie? Schreiben Sie uns!


Hallo,
möchte schon lange einmal darüber diskutieren, warum man von Fleischimitaten, Fleischersatz, Speisenamen mit tote-Tiere-Namen, etc. sich nicht aufs allerdeutlichste distanziert. Man kann sich doch nicht am Fleischesser-Konzept beteiligen bzw. gar namentlich orientieren!!!
Wo ist unser Selbstbewußtsein!?


ich bin geb. Vegetarierin, 54!!, leide bei Speisekarten mit "vegetar.Schnitzel etc....
Danke für eine Stellungname oder Diskussion,
liebe Grüße aus Wien

Michaela D.


Liebe Frau D.,


Sie sprechen mir aus der Seele. Auch mir als altem Vegetarier ist die Benennung vegetarischer Speisen mit Fleischnamen sehr zuwider ebenso wie das Bemühen Vegetarisches geschmacklich Fleischspeisen anzugleichen.


Allerdings ist ein Argument der Fleisch-Imitatoren nicht ganz von der Hand zu weisen: Seit ca. eineinhalb Jahrhunderten propagieren Vegetarier, organisiert und nicht organisiert, fleischfreie Nahrung, mit sehr dürftigen Erfolg. Zwar sind heute Vegetarier gesellschaftlich akzeptiert und gelten nicht mehr als Spinner, doch wir sind immer noch nicht mehr als zwei oder drei Prozent der Bevölkerung. Es gibt nicht wenige Menschen, die zwar die Meinung, Tiere essen ist moralisch nicht vertretbar, theoretisch anerkennen, dennoch aber weiterhin Fleisch essen, einfach weil sie aus alter Gewohnheit zu sehr am Fleisch(geschmack) hängen und sich so nicht überwinden können, die Theorie in Praxis umzusetzen. Für diese Personengruppe können vegetarische Speisen, die nach Konsistenz und Geschmack Fleisch imitieren, eine Hilfe sein.


Umgekehrt wird allerdings, wenn Nicht-Fleisch und Fleisch ununterscheidbar sind, die Rückkehr zum Fleisch leichter. Leider kehrt schon jetzt ein Großteil der jungen Leute, die in der Jugend Vegetarier, ob lacto/ovo oder vegan geworden waren, später wieder zum Fleisch zurück.


Alles in allem, danke dass Sie ein sehr diskussionswürdiges Thema angeschnitten haben.


Erwin Lauppert


Noch eine Nachbemerkung: Ob jemand Getreide und Hülsenfrüchte lieber unverfälscht oder künstlich auf Fleisch getrimmt mag, ist seine Privatsache. Allgemein interessant wird es, wenn veg. Restaurants ihre Speisen auf Fleisch adaptieren.


Will man die veg. Gastronomie fördern, lautet also die Frage: Locke ich damit Gäste an oder vertreibe ich sie?


Geht oder bleibt jemand in einem veg. Lokal, weil er dort wenigstens etwas ähnliches wie Fleisch kriegt oder weil er – einmal oder dauernd – anderes will; wie ich ja auch nicht heimischer Hausmannskost wegen ein fremdländisches Lokal besuche. Es gibt schließlich auch Fleischesser, denen immer nur Fleisch zum Hals heraushängt (siehe Frau Glawischnig Seite 13).


Nur eine Antwort gibt es wohl nicht. Sie dürfte je nach Ort und Art des Lokals und der angepeilten Gäste variieren.

 

Seite 11:

Die Österreichische Vegetarier Union (ÖVU)
Interessenvertretung für Vegetarierinnen und Vegetarier, lacto/ovo oder vegan

Vor einigen Jahren haben vegetarische Organisationen weltweit beschlossen, die erste Woche im Oktober besonders der Förderung des vegetarischen Gedankens zu widmen. Dementsprechend finden in vielen Ländern besondere Aktionen statt.
Vegetarische Woche 1. bis 7.Oktober 2010

 

Der Welt-Vegetarier-Kongress 2010 - THE 39th IVU WORLD VEGETARIAN CONGRESS

findet jetzt in Indonesien statt, unter dem Motto SAVE OUR LIFE, SAVE OUR PLANET
Jakarta, October 01 - 06th, 2010, Bali (Optional), October 07 - 09th, 2010
Nähere Informationen: ivu.org


Literatur:
Vegetarische Ernährung, ein wissenschaftliches Standardwerk der Ernährungswissenschaftler Claus Leitzmann und Markus Keller. (Ulmer Verlag UTB, 2., erweiterte Aufl. 2010, 366 S., kart., ¤ 22,90 ¤/D
(siehe auch anima Nr.1/2010, Seite 14)
Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken, ebenfalls von Univ.Prof. Claus Leitzmann verfasst, Verlag C.H.Beck München, 3.Auflage 2009, Taschenbuch, 125 Seiten, 7,90 ¤(D)
Vegetarische Ernährung – Gesund und bewußt essen, eine praktische Anleitung der Ernährungswissenschaftler C. Leitzmann und A. Hahn; derzeit vergriffen, doch fallweise bei amazon.de; auch bei der ÖVU zu entlehnen.
Informationen zur veganen Ernährung:
Gill Langley Vegane Ernährung, Echo Verlag Göttingen 1999, 240 Seiten, ca.11 Euro(D). Das bisher umfassendste Werk zur veganen Ernährung, die „vegane Bibel“.
Neal Barnard, ISS DICH FIT, TB 1998, bei der ÖVU erhältlich (10 ¤ + Versandkosten)
Englisch: Stephen Walsh PhD, Plant Based Nutrition and Health


Bei der ÖVU erhältlich: Broschüre: So geht’s vegetarisch – jetzt einsteigen 2,50 EUR + Porto); weiters Info-Blätter (teilweise Folder des VEBU): Warum Vegetarier; Vegetarisches Gastronomie-Verzeichnis; Ve-getarisch gesund genießen; Vegetarismus und Sport; 12 Fragen zum Thema Fleisch; Veget. Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit; Ernährung im ersten Lebensjahr: Vegetarische Babys; Vegetarisch gut drauf! Kinderernährung; Cool statt grausam - Ernährungs-Tipps für Teens; 100% vegan; Vegetarisch & gesund im Alter; Die vegetar. Woche (Speisenplan); Pflanzliche Ernähr-ung; Ökolog.Folgen des FleischkonsumsVegetarische

Partner-Zeitschriften im Ausland:
Natürlich vegetarisch
Vegetarier-Bund Deutschlands e.V. (VEBU), Blumenstr.3, D-30159 Hannover, Tel.0049/ 511-363 2050, Email info @vegetarierbund.de www .vegetarierbund.de.
Vegi-Info, Vegi-Büro Schweiz, Bahnhofstr.52, CH-9315 Neukirch, Tel. 0041-71 477 33 77, ab 1.11.:Niederfeldstrasse 92, 8408 Winterthur svv @vegetarismus.ch, vegetarimus.ch

Vegetarische Stammtische, Vegi-Treffs
Auskünfte:
Graz: Tel. 0316-46 37 17
Wien: 1) Erwin Lengauer, Tel. 0676 - 357 2 671
2) Michaela email Tara777 @ gmx.at
Niederösterreich (West):
Mag. Gabriele Smetana, Tel. 07413 / 20 706
Oberösterreich:
Schärding: Cafe-Restaurant Orangerie, Eva Kubai Tel. 07712-35704
Scharnstein: Erich Lankmaier 0676- 3901119, lankmaier @ almtal.net


Österr. Vegetarier Union – ÖVU
Neue Adresse: Rossegg 41, 8045 Graz,
Tel. 0316-46 37 17 u. 0720-345 298, vegetarier.at, vegetarisch.org
email: oevu @vegetarier.at
Informationen zum Vegetarismus, ob lakto/ovo oder vegan
Mitglieder willkommen
Wir stehen Ihnen meist täglich bis 22 Uhr für telefonische Auskünfte zur Verfügung.

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Seite 12:

Alles unter Kontrolle

4,5 Jahre für Eierproduzenten
Diese Strafe (nicht rechtskräftig) erhielt ein Eierproduzent und -Händler aus dem Bezirk Amstetten wegen Betrugs. In den Jahren 2006/7 habe er große Mengen Eier mit einem falschen (späteren) Mindesthaltbarkeitsdatum gestempelt an eine führende Handelskette geliefert. (Nach Ablauf von 28 Tagen vom Legetag an gelten Eier nur noch als – billiges – „Industrie-Ei“).


Den entstandenen Schaden bezifferte der Staatsanwalt mit mehr als 817.000 ¤. Ein Mitarbeiter sagte aus, von den 900.000 Stück wöchentlich verkauften Eiern seien immer wieder zwei bis drei Wochen alte Eier in die Sortieranlage gelangt.
Bezirksblatt Amstetten/Ybbstal,18.08.2010


5 bis 6 Millionen österreichische Eier aus Ungarn und Polen
Der Geschäftsführer eines oststeirischen Eierhandelsbetriebs in bäuerlicher Hand, der große Handelsketten beliefert, steht unter Betrugsverdacht. Er soll seit Herbst 2009 Mitarbeiter angewiesen haben, aus Ungarn und Polen eingeführte Eier mit steirischen Etiketten zu versehen. Fünf bis sechs Millionen ausländische Eier sollen als einheimische Qualitätsware verkauft worden sein, teilweise mit AMA-Gütesiegel.
Kleine Zeitung Graz, 10.7.2010


In den USA nimmt eine Salmonellen- Epidemie wegen verseuchter Eier immer größeres Ausmaß an. Bereits 2000 Krankheitsfälle wurden laut US-Medienberichten registriert. Die Lebensmittelbehörde FDA habe mittlerweile mehr als eine halbe Milliarde Eier vom Markt genommen. Die Epidemie erstrecke sich vermutlich schon auf 17 der 50 Bundesstaaten.Die verseuchten Eier stammen von zwei Hühnerfarmen im Bundesstaat Iowa. Eine der beiden Farmen sei in den vergangenen Jahren vor allem wegen unmenschlicher Arbeitszustände und Tierquälerei aufgefallen.
20min.ch, 23.8.2010


Dioxin in deutschen Bioeiern
Der Skandal um dioxinverseuchtes Hühnerfutter weitet sich aus. Nach Dioxinfunden in Bioeiern haben die Behörden vorsorglich auch mehrere Hühnerhöfe in NRW gesperrt. Dioxinverseuchter Mais aus der Ukraine war in das Futtermittel gelangt.
WDR, 7.Mai 2010


Das Eiergeschäft ist zweifellos schwierig. Mal legen die Hühner zu viel mal zu wenig Eier bzw. die Handelsketten ordern mehr oder weniger, drücken dazu die Preise und kennen kein Erbarmen. Das führt zu Vorfällen wie in Niederösterreich und der Steiermark. Auch Biobetriebe verfüttern, sieht man, nicht nur Futter vom eigenen Hof. Und Massentierhaltung erhöht das Salmonellen-Risiko.


Die Bauern mögen es schwer haben. Noch schwerer haben es allerdings die Hühner, die gehen beim Eiergeschäft sicher drauf, spätestens nach ca. eineinhalb Jahren harter Legearbeit, die männlichen Küken nach ein paar Tagen.


Also Ei?
Besser kein’s aber wenn schon ein’s, dann ein Freilandei. Aber nur mit dem Tierschutzsiegel „tierschutzgeprüft“.


Und die Maststiere?
Stierkampf in Katalonien verboten


Nach den Kanarischen Inseln hat nun auch Katalonien im Juli als erste spanische Festlandprovinz den Stierkampf ab 2012 verboten. Der wurde dort allerdings auch bisher schon nicht zu häufig geübt und die gebräuchlicheren eher tierquälerischen Volksbelustigungen mit Stieren bleiben erlaubt. Dennoch ein großer erfreulicher Sieg der Menschlichkeit.
Spanische Kampfstiere sind seit eh und je bevorzugtes Schutzziel vieler heimischer Tierschützer. Nur, wer sorgt sich um die österreichischen Maststiere? Verglichen mit denen, haben die Spanischen von den letzten Stunden abgesehen ein herrliches Leben. Doch auch das Ende der Maststiere ist trist, meist sehr trist und zum Unterschied das Leben zuvor meist nicht minder. Splitter im Auge des Nächsten – Balken... ?
Am besten, keine Maststiere essen.


Eine Information der:
Gesellschaft für humane Nutztierhaltung
Rossegg 41, 8045 Graz, Tel. 0316-46 37 17 und 0720-346 219 (fairytel)

 

Seite 13:

Vom fleischfreien Freitag zum fleischfreien Donnerstag ?


„Für eine bessere Welt müssen wir alle etwas an unserem Lebensstil ändern, und zwar jetzt“, so Sir McCartney. „Nur einen Tag in der Woche fleischfrei zu gestalten, ist ein kleiner Schritt, der eine große Wirkung entfalten kann,“ sagt der weltberühmte Musiker und Vegetarier. Seine „Meat Free Monday“-Initiative (fleischfreier Montag) zeigt erste Erfolge:


Der Stadtrat (Board of Supervisors) von San Francisko stimmte im April einer Resolution zu, die den Montag als »Vegetarian Day« bezeichnet, und über den Restaurants, Supermärkte und Schulen aufgefordert werden, ihr vegetarisches Angebot deutlich auszuweiten, ähnlich im Juli der Stadtrat von Washington DC.


Fleischfreier Donnerstag sagen dagegen Tieretliche Vegetarier/Tierrechtsgruppen n Europa. Im April 2009 war Gent in Belgien die erste Stadt, die ihn einführte. Als erstes deutsches Gemeinwesen ist im Februar 2010 Bremen gefolgt. In Schwerin hat sich die Oberbürgermeisterin für den Freitag entschieden; in der städtischen Kantine gibt es da nur fleischfreie Menüs, eines davon allerdings mit Fisch. Eine programmatische Erklärung einer Gemeinde wird noch nicht allzu viel bewirken. Aber wenn etwa das städtische Altenheim einen solchen Tag einführt, werden sich privat Heime leichter tun zu folgen.


Mit etlichen weiteren Städten, Unternehmen führen die Initiatoren aus Tierschutz und Vegetarismus Gespräche, doch sind sie diesbezüglich wegen des zu befürchtenden Sperrfeuers am Fleisch interessierter Verbände noch nicht in die Öffentlichkeit getreten.
In einigen kirchlichen Kreisen, katholischen und auch evangelischen will man die Tradition der Fleischabstinenz am Freitag wieder beleben. Auch ein Südtiroler Grüner setzt sich dafür ein.


Ä ltere mögen ob der Meldungen etwas wehmütig werden. War doch früher in katholischen Ländern der Freitag, aber darüber hinaus allgemein ein oder gar mehrere fleischfreie Wochentage selbstverständlich. Auch in religionsfernen Familien. Der frühere Profil-Herausgeber und bekannte Journalist Peter Michael Lingens erzählt, im reichen großbürgerlichen Hause seiner Großmutter in Wien habe es Fleisch grundsätzlich nur zweimal die Woche gegeben, und auch das beileibe nicht zum Sattessen, dafür gab es Gemüse. Aber auch nicht zuviel. Ein voller Magen hätte als Völlerei gegolten. Auch Atheisten steckte christliche Tugendlehre noch in den Knochen.


Die christlichen Fasten- und Fleischabstinenzgebote und -bräuche waren natürlich nicht tierschützerisch motiviert sondern Ausdruck der Buße. In evangelischen Ländern sind sie nach der Reformation weit gehend abgekommen, Martin Luther war kein Freund verordneter Bußtage. Im orthodoxen und katholischen Bereich waren sie bis vor wenigen Jahrzehnten noch sehr lebendig, selbst heute noch bieten viele Restaurants gerade am Freitag fleischfreie Speisen. Immerhin ist es geltendes röm.kath. Recht: Canon 1251: Abstinenz von Fleischspeisen oder von einer anderen Speise entsprechend den Vorschriften der Bischofskonferenz ist zu halten an allen Freitagen des Jahres ... , allerdings durch die zitierte Befugnis regionaler Instanzen verwässert. In der evangelischen Kirche in Deutschland bemerkenswert ist die Fasteninitiative «Sieben Wochen ohne» in der Passionszeit, um aus gewohnten Konsum- und Verhaltensweisen auszusteigen und neue Lebensziele zu finden.


Es lässt sich darüber diskutieren: Wäre es zweckfördernder statt des Donnerstags den Freitag vorzuziehen, der für Abstinenz bereits beackert ist. Immerhin hatten auch die frühen Christen ihre Feiertage auf „heidnische“ Festtage gelegt und alte Heiligtümer in christliche Kirchen gewandelt.
Ob Montag, Donnerstag, Freitag: die Zeichen für einen fleischfreien Wochentag stehen günstig. Das weltanschauungswertfreie Argument der Klimabelastung ist nicht zu widerlegen, auch vielen Fleischfreunden hängt „täglich Fleisch“ zum Hals heraus. Die Grünen-Chefin Glawischnig: Meine langjährige Fleischaskese hatte keine ideologischen Gründe, sondern lag an meiner familiären Gasthaus-Vergangenheit. Jahrelang von Montag bis Sonntag gebackenes Fleisch war irgendwann nicht mehr erträglich. Wenn ich einmal in einer Disco war, haben sich die Leute umgedreht und gesagt: Mmh, da riecht's nach Schnitzel.


Die Widerstände sind also überwindbar. Wenn möglichst viele von uns daran arbeiten, wo immer sie ein wenig Einfluss nehmen können, wird es weiter gehen.
E.L.

 

Seite 14 -16:

Bücher

Jonathan Safran Foer
Tiere essen
Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln 2010, 400 Seiten, geb., Format ca. 22 x 14,5 cm, 19,95 ¤(D). (Titel der amerik. Originalausgabe: Ea- ting Animals)
Den amerikanischen Erfolgsschriftsteller Foer braucht man hier wohl niemandem mehr vor- zustellen. Kaum eine Zeitung, die nicht lang und breit über ihn und sein neues Buch be- richtet hat. Die Ursache dieser Medienflut kön- nen wir nicht ergründen; war es die Tatsache, dass die Viehwirtschaft abseits jeder Ideologie als mitverantwortlich für den Klimawandel erkannt wurde, war es das Werk eines Werbe- gurus, sei es was immer, wir als Vegetarier können uns über so viel Medienpräsenz nur freuen.
Ü brigens, das Buch ist es wert hervorgehoben zu werden. Es unterscheidet sich von der übri- gen meist doch etwas doktrinären Art der Ve- gi-Bücher.
Foer erzählt in einfachen Worten seine Ent- wicklungsgeschichte weg vom Fleisch. Wie das war in seiner Familie mit dem Essen, wie er als Neunjähriger erstmals mit Vegetarismus in Berührung kam, als seine Babysitterin die an- gebotene Hühnersuppe mit den Worten ab- lehnte: Ich möchte niemandem wehtun. Wie er dann als Heranwachsender mal Fleisch aß, dann wieder Vegetarier wurde, u.a. um den Brüsten von Aktivistinnen näher zu kommen; nebenbei ein bisher in den vegetarischen Wer- beschriften sträflich vernachlässigtes Argu- ment. Wie er sich dann, als sein Kind auf die Welt kam entschloss, der Sache mit dem Fleisch ernsthaft auf den Grund zu gehen, drei Jahre lang recherchierte, auf Betrieben, in der Literatur und so zum überzeugten Vegetarier wurde. Er erzählt alle seine Erlebnisse und Erkenntnisse unprätentiös ohne erhobenen Zeigefinger, grausliche und schöne.
Es wäre erstaunlich, würde, wer das Buch liest, nicht zum Vegetarier.

Hans-Ulrich Grimm
Tödliche Hamburger: Wie die Globalisierung der Nahrung unsere Gesundheit bedroht, Hir- zel Verlag 2010, 176 Seiten, Format 23,4 x 16 cm, 19,80 ¤ (D)
Ein neues Buch des bekannten Journalisten und Ernährungskritikers (Bücher u.a.: Katzen würden Mäuse kaufen – die Suppe lügt – Die Ernährungslüge – Der Biobluss – die Kalorien- lüge). Grimm nimmt sich diesmal der Gefah-
ren an, die aus der zunehmenden Globalisie- rung der Nahrungsmittelindustrie und dem geänderten Konsumverhalten, Fertigspeisen aus dem Supermarkt etc. schlummern. Ursa- che (Mängel bei der Erzeugung) und Wirkung (Erkrankung des Konsumenten) können welt- weit auseinander liegen, der lange Weg zwi- schen Hersteller und Verbraucher zwingt zur Verwendung von Konservierungsstoffen, deren Langzeitwirkung vielfach unerforscht ist (Su- permarkt-Tauglichkeit nicht Gesundheit sei das Gebot); dies gilt ebenfalls für die künstlichen Vitamine und die Geschmacksverstärker, die Industrienahrung genießbar machen sollen. Grimm bringt eine Fülle von Beispielen, die zu gesundheitlichen Problemen oder Tod führten.
Nur einige Probleme stichwortartig aufeg- zeigt: die Tendenz der Supermärkte Frisch- ware durch Dauerware zu ersetzen (wir sehen es gerade bei der Frischmilch, die interessan- terweise immer länger hält); die naturwidrige Rinderfütterung, die zur Entstehung von le- bensgefährlichen Krankheitskeimen und an einigen Orten bereits zur Kontaminierung des Trinkwassers geführt hat; die staatlicherseits sogar geförderte Industrieverbundenheit (Drittmittel!) mancher Wissenschaftler.
Zu kurz kommt im Buch die Abwägung des Positiven und Negativen aus der aufgezeigten Entwicklung. Bei vielem Neuen sind die Wis- senschaftler uneins oder ratlos über die Folgen (z.B bei Hormonen).
Das war allerdings bei Neuem schon immer so. Manche Befürchtungen waren übertrieben, z.B. bzgl. der Folgen schneller Eisenbahnfahrten oder bzgl. der Wiener Hochquellenleitung, andere wurden spät, manchmal erst nach vie- len Todesfällen erkannt, z. Wiener Grün, As- best, Röntgenstrahlen.
Bedenklich stimmt den Konsumenten die Un- durchsichtigkeit: Wie ist es zu Zulassung oder Verbot von Stoffen gekommen? Und auch die Unausgewogenheit: Übervorsicht und großzü- gige Lebensgefährdung stehen nebeneinander (zB. die Opferung von Gehörlosen: Piepsen statt Einweiser beim LKW-Rückwärtsfahren zweks Verbilligung des Güterverkehrs).
Zusammenfassend gilt was wir bereits zu ei- nem ähnlichen Buch gesagt haben: Grimm wirft das Licht auf das viele Negative, bringt journalistisch geprägt viele Einzelfakten; ein ausgezeicnetes Buch um uns aufzurütteln. Für Leser, die die Probleme an Hand neutralen Materials gründlicher bedenken möchten, viel- leicht zu wenig.

Rainer E. Wiedenmann
Tiere, Moral und Gesellschaft – Elemente und Ebenen humanimalischer Sozietät, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009 (vs.verlag.de), 462 Seiten, brosch. For- mat ca. 21 x 15 cm, 49,90 ¤(D)
Die Philosophen haben schon lange ihre Absti nenz gegenüber Tieren aufgegeben. Erfreulich, dass sich auch die Soziologie seit einiger Zeit eingehender mit der Mensch-Tier-Beziehung befasst.
Die Studie entwickelt, heißt es im Klappentext, Grundlinien eines systemtheoretischen Ansat- zes, der es erlaubt, die Konstitutionsbedingun- gen, Typen und Verlaufsformen von Mensch- Tier-Beziehungen in ihren mikro-, meso- und makrosozialen Bezügen zu erfassen. Sie glie- dert sich neben der Einleitung in die Kapitel: Cartesianische Ordnung und tierliche Ambigu- ität – Zum Mehrebenenaufbau humanimali- scher Sozialität – Humanimalische Interakti- onssysteme – Tiermoralische Orientierungs- muster: Kontexte und Konstitutionsbedingun- gen – Milieuspezifische Tiermoralen der Früh- neuzeit: Zwei Fallstudien und zum Schluss: Humanimalische Sozialität; Moral und gesell- schaftlicher Wandel.
Die Studie, die überarbeitet Fassung einer Habilitationsschrift richtet sich, für eine solche verständlich, wie aus dem Vortext erhellt, nicht an eine allgemein gebildete Leserschaft sondern an Insider der wissenschaftlichen Soziologie. Dem entsprechend konsequent verzichtet der Autor auch darauf, den Kapiteln allgemeiner gehaltene Zusammenfassungen nachzustellen.
Dennoch ist das Werk auch für der Soziologen- zunft und ihrem Bemühen, die Vielfalt menschlichen Lebens zu sezieren und in Ord- nungssysteme einzufächern, Fernstehende interessant. Vor allem wenn diese an Ge- schichte und Entwicklung der Mensch- Tierbeziehungen Anteil nehmen; dank der 40 Seiten auch für Laien verständlich geschriebe- ner Fallstudien über Tiermoralen in der frühen Neuzeit, vornehmlich im 18.Jahrhundert, an kontinentalen Fürstenhöfen und in England. Darüber hinaus finden Tierfreunde vor allem in den zahlreichen Fußnoten des Hauptwerkes wenn auch etwas mühsam viel Interessantes und Bedenkenswertes.


Peter Brang
Ein unbekanntes Russland – Kulturgeschichte vegetarischer Lebensweisen von den Anfängen bis zur Gegenwart, Böhlau Verlag Köln 2002, 472 Seiten, 23 x 15,5 cm, 44.90 ¤(D), 46,20 ¤(A), ISBN 978-3-412- 07902-4

Peter Brang, emeritierter Professor für Slawi- sche Philologie in Zürich hat diese kulturge- schichtliche Studie schon vor acht Jahren ve- fasst. Sie war schon damals in der anima vo- gestellt worden. Wir erinnern daran, weil das Buch jetzt zum hundertjährigen Tolstoi- Jubiläum besonders aktuell und im Buchhandel noch erhältlich ist.
Der Autor stellt eingehend die Entwicklung des Vegetarismus in Russland dar, vor Tolstoi, mit Tolstoi und danach. Es liegt auf der Hand, dass der weltberühmte Schriftsteller und sein Weg zum Vegetarismus, der für ihn nur eine erste Stufe in Richtung Selbtvervollkommnung war, eingehend dargestellt ist. Seine Ausstrahlung ins Ausland, doch auch die Wegbereiter vor ihm und seine Zeitgenossen werden ausführlich behandelt. Dank Tolstoi setzten sich un- gewöhnlich viele russische Schriftsteller und Künstler mit dem Vegetarismus auseinander
Brang zeigt auf, wie lebendig – für uns Heutige fast erstaunlich – der Vegetarismus im zaristi- schen Russland war (übrigens auch im westlichen Europa).
Ausführlich ist die Rede von der „Tolstojaner- bewegung“, von den Vegetariervereinigungen, den vegetarischen Zeitschriften und Restau- rants, den Schlachthäusern und Kochbüchern, von der Haltung der russischen Ärzte, der or- thodoxen Kirche, der Sekten, der Juden und der Esperantisten gegenüber dem Vegetaris- mus.
Das Werk behandelt auch die Entwicklung nach Tolstoi bis zur Vernichtung des blühenden vegetarischen Lebens durch den Kommunismus. Es berichtet auch über das zaghafte Wiederaufleben nach der Wende,

Kochbücher:
Angelika Eckstein
Vegane Weihnachtsbäckerei
Vollwertige Rezepte,pala-verlag, Darmstadt, 2010, 160 Seiten, Hardcover, Format ca. 17 12 cm, 9,90 ¤(D), ISBN: 978-3-89566-275-1
Für ein persönliches Weihnachtsfest gehört der Duft von Keksebacken im Advent einfach dazu. Und diese Zeit nähert sich ja schon mit großen Schritten. Noch immer weit verbreitet ist die Meinung, man könne doch nicht ohne Eier, Butter und Milch Bäckereien herstellen. Doch weit gefehlt! Vegan Backen ist gar nicht schwer, wie uns Angelika Eckstein mit ihrem Backbuch zeigt. Und zudem sind diese Back- waren auch noch gesündern, weil sie kein Cholesterin enthalten und durch die Verwen- dung von Vollkornprodukten zusätzlich den Körper mit Mineralstoffen und Vitaminen ver- sorgen. Auch Allergiker haben einen reichen Fundus in diesem Buch, weil kaum Sojaprodukte verwendet werden.

Das Buch beginnt mit wertvollen Hinweisen zu den Rezepten, die alles vom Planen, Einkau- fen, Backtemperaturen bis hin zu Mengenan- gaben und Grundsätzliches zum Backen mit Vollkornmehl beinhalten. Dann folgen rund 75 vollwertige Rezepte die Schritt für Schritt leicht verständlich erklärt werden, unterteilt in Kapitel wie Lebkuchen & CO.; Kekse, Cookies, Spritzgebäck & Co.; Doppeldecker, Kugeln, Päckchen & Co.; Schnitten, Riegel, Ecken & Co.; Süße Versuchungen; Konfekt; Stollen, Striezel, Weihnachtsbrot & Co.
Bei Köstlichkeiten wie Schokowürfel, Limetten- sterne, Paranuss-Bananen-Kekse, Sesam- Hirse-Plätzchen, Orangenkringel, gefüllte Kirschkugeln, Ingwerecken, Pistazienkugeln, Mohn-Walnuss-Striezel, Haselnussstollen und vieles mehr, bleibt kein Leckermäulchen un- befriedigt.
Bei vielen Rezepten gibt es wertvolle Extra- tipps die zum besseren Verarbeiten, Verzieren und Gelingen beitragen, aber auch zu kreativen Experimenten einladen. Illustriert sind die Rezepte zusätzlich mit stimmungsvollen Weih- nachtsmotiven von Sabine Metz.
Allen Bäckerinnen und Bäckern viel Freude beim Kneten, Verzieren und Genießen der veganen Köstlichkeiten.
Heike Kügler-Anger
Cucina vegana Vegan genießen auf italienische Art pala-verlag Darmstadt 2008, 200 Seiten, Hardcover, Format ca. 21 x 14 cm, 14 ¤(D), , ISBN: 978-3-89566-247-8 Wer liebt sie nicht, die Köstlichkeiten der ita- lieníschen Küche? Zudem lassen mediterrane Speisen bei den meisten Menschen, wie auch bei der Autorin dieses Kochbuches, Erinnerun- gen an vergangene Tage und Erlebnisse im sonnigen Süden wach werden. Selbst ein- fachste Dinge, wie der Duft sonnengereifter Tomaten, fruchtiges Olivenöl und Pizzabrot aus dem Holzofen können zum Träumen verfüh- ren.
Die 110 Rezepte sind ein Streifzug durch alle Regionen Italiens, wobei die Autorin durch jahrelanges Probieren, Verändern und Erfinden ganz ohne tierische Zutaten, ohne Tofu oder Sojamilch auskommt, was vegane Sojaallergi- ker besonders freuen wird.
Die Autorin beginnt mit einer interessanten Einführung in die italienischen Essgewohnhei- ten und deren Entwicklung, Traditionen, be- leuchtet die gesundheitlichen Vorteile der „Ar- me-Leute-Küche“, informiert über Vegetaris- mus in Italien und gibt eine Auflistung der Grundzutaten, die niemals in der italienischen Küche fehlen dürfen.

Das erste Rezeptkapitel führt uns in den „Oli- venhain“ – denn ohne Olivenöl geht in der italienischen Küche gar nichts. Hier erfahren wir unter anderem, wie wir z. B. Olivenöl mit Zitronenarmoma oder Basilikumaroma selbst herstellen und wie köstliche Pesto-Variationen und marinierte Paprika am besten gelingen.
Dem Streifzug im Olivenhain folgen das „Querbeet“ mit kleinen Vorspeisen, Suppen und Eintöpfen wie sizilianisches Auberginen- gemüse, Brotsuppe mit Tomaten und umbri- sche Zwiebelsuppe. Im „Gemüsegarten“ war- ten Salate, Gemüsebeilagen, Aufläufe und Pfannengerichte wie Birnen-Fenchel-Salat, Gemüsebällchen, Knoblauchtomaten, Radic- chio mit Pinienkernen und Rosinen, Bauern- auflauf mit Riesenbohnen und Venezianische Kartoffelpfanne. „Von Feld und Acker“ macht uns Teigwaren mit Sauce, gefüllte Teigwaren, Gerichte mit Reis, Maisgrieß und Kartoffelklöß- chen schmackhaft.
Wir lernen in diesem Kapitel wie wir selbst hausgemachte Pasta herstellen und daraus Mangoldlasagne mit Haselnusssauce oder Cap- pelletti mit roter Pestofüllung zaubern. Venezi- anisches Erbsenrisotto, Kräuterpolenta und Kürbisklößchen mit frittierter Petersilie schme- cken aber auch nicht weniger gut. Der nächste Rezeptteil bringt uns Brot, Pizza und geröste- tes Weißbrot „Aus dem Holzofen“. Da gibt es toskanische Rosmarinbrötchen und Vollkorn- fladenbrot mit Zwiebeln. Auf der knusprigen Pizza mit gegrilltem Gemüse fehlt nichts, schon gar nicht Käse. Auch die Pizzataschen mit Tomaten und Kapern, Crostini mit Trauben und Nüssen oder Pilzcreme schmecken un- schlagbar gut.
„ Von Baum und Strauch“ vollendet das Menü mit Desserts, Halbgefrorenes und Fruchteis, Kuchen und Gebäck. Espresso-Mandel-Kuchen, Schokoladen-Bananen-Eis und gefüllte Birnen sind ein mehr als würdiger Abschluss.
Der Vegetarierbund Deutschland E.V. hat die- ses Kochbuch als „Kochbuch des Jahres 2010“ ausgezeichnet. Wenn auch Sie sich mit diesem Buch auf einen kulinarischen Spaziergang durch Italien einladen lassen, werden Sie es ganz sicher nicht bereuen, sondern vielmehr ein Fest der Sinne erleben.


Beim Nachkochen dieser unwiderstehlich guten Rezepte wünsche ich Ihnen
buon appetito, Ihre Michaela Schaller


Vorankündigung
Voraussichtlich in der ersten Oktoberhälfte erscheint ein neues Buch von Barbara Rütting Wo bitte geht’s ins Paradies?
Burnout einer Abgeordneten und Neuanfang

 

Seite 17:

Notizen

Wissenschaftliche Studie: multinationale Konzerne Triebfedern hinter der staatlichen Repression gegen die kritische Zivilgesellschaft
Univ.-Prof. Dr. John Sorenson, Prof. an der Brock Universität, Ontario, Kanada, hat sich wissenschaftlich mit der Frage die Triebfedern hinter der staatlichen Repression gegen die kritische Zivilgesellschaft in Bezug auf die Situation in Amerika und England auseinandergesetzt. Im Rahmen einer Veranstaltung der Forschungsstelle für Ethik und Wissenschaft im Dialog an der Universität Wien am 10.September führte er aus:
Schutz vor Terrorismus ist ein wichtiges Anliegen; wir möchten zu Recht unschuldige Menschen vor Gewalt schützen. Doch das Terror-Etikett wird immer mehr manipuliert und von Leuten entwertet, die es benützen möchten, um abweichende Meinungen zu kriminalisieren. Multinationale Konzerne, die Tiere uneingeschränkt und ohne Belästigung durch die immer einflussreicheren Tierschutz- und Umweltschutzvereine nutzen wollen, haben sich zusammengeschlossen und große Geldmittel investiert, um die Politik u. a. durch Parteispenden und gezieltes Lobbying zu drakonischen Maßnahmen zu bewegen. So kam es z.B. in den USA zu zwei Gesetzen, die explizit ausschließlich dem Schutz der Tierindustrie vor politischem Aktivismus dienen (Animal Enterprise Protection Act 1992 und Animal Enterprise Terrorism Act 2006). Zusätzlich wird die Öffentlichkeit manipuliert, um eine Drohung zu fürchten, die gar nicht existiert.
So führt das FBI Tier- und Umweltschutz als die größte, in Amerika entstandene Bedrohung der nationalen Sicherheit an.
Quelle: vgt


Politik mit der Angst des Bürgers
Es bestehe die Gefahr, dass der Rechtsstaat beschädigt und in manchen Bereichen sogar ausgehöhlt wird, so der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Gerhard Benn-Ibler, zu Eröffnung des diesjährigen Anwaltstags in Salzburg. Er warnte vor einer drohenden Rückentwicklung des Rechtsstaats. Als unübersehbaren Angriff auf den Rechtsstaat bezeichnete er etwa die immer stärker werdenden Tendenzen, persönliche Freiheiten gegen eine nur scheinbare Sicherheit zu tauschen. Nach jedem Anlassfall werde immer tiefer in Grundrechte eingegriffen, um immer neue Überwachungsmaßnahmen durchzusetzen - nach dem Motto: „Wer nichts zu verbergen hat, braucht keine Angst zu haben.“ „Wir wollen keinen durchsichtigen Staatsbürger“, sagte der ÖRAK-Präsident. Hier werde mit der Angst des Bürgers Politik gemacht. Generell sei zudem eine Verstrafrechtlichung immer weiterer Lebensbereiche zu beobachten.
Er forderte klare, scharf abgegrenzte Straftatbestände, die das strafbar Verbotene eindeutig erkennen lassen.
Er kritisierte auch das geplante Terrorismuspräventionsgesetz. Durch dieses könne es zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit kommen. Die Tatbestände im entsprechenden Entwurf seien nicht exakt genug definiert, es gebe keine klare Grenzlinie, was erlaubt und was verboten ist. Wenn etwas einmal Gesetz werde, habe man nicht mehr im Griff, bei welchen Sachverhalten es angewendet wird. Das gelte auch für den umstrittenen „Mafia-Paragrafen“ 278a StGB, der im Tierschützerprozess angewandt wird.
Der Präsident kritisierte auch die extreme Höhe der Akten-Kopierkosten (1 ¤ je Seite) die in größeren Verfahren zur Einschränkung des Rechtsstaates beitragen. Die Akten im Tierschützerprozess zählen beispielweise weit über 100.000 Seiten.
Quelle ORF u.a.


Tierschützerprozess
Am 15. September gab es den 46. Verhandlungstag. Ein Ende des Prozesses ist noch nicht abzusehen.

Clinton vegan?
Ex-Präsident Clinton hat sich laut Pressemeldungen aus gesundheitlichen Gründen entschlossen vegan zu leben. Seine Tochter Chelsea soll schon seit längerem Veganerin sein.


Gibt es auch glückliche Kühe?
Hochleistungskühe, bis zum Schluss ausgebeutet, werden heutzutage in der Regel nur ca. sechs Jahre alt und dann als unrentabel ausgeschieden, d.h. getötet. Im Bezirk Wiener Neustadt wurde im September eine 15jährige Kuh wegen Altersschwäche eingeschläfert. Nachträglich stellte sich heraus. Sie hatte BSE, jedoch nie Anzeichen der Krankheit gezeigt. Es war der achte BSE-Fall in Österreich.


Schlachthof für 134 Millionen Hähnchen
Im niedersächsischen Wietze soll ein Mega-Schlachthof mit einer Schlachtkapazität von 27.000 Hähnchen/Stunde entstehen, gefördert vom Land Niedersachsen mit 6,5 Millionen ¤.

 

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Rehleinaugen und Hundeaugen

und Kinderaugen, traurige –

Unsere Innenministerin, ihre Polizei und die Hunde
Unsere Frau Innenminister Dr. Maria Fekter
lässt sich von Rehaugen nicht beeindrucken.
Das ist allgemein bekannt. Bislang gab es noch
einen kleinen Hoffnungsschimmer, wenigstens
Hundeaugen könnten ihr Herz rühren. Leider,
die Hoffnung war vergebens. Es scheint so: ob
ein Hund unnötig krepiert, ist ihr wurscht.
Schade.


Sie erinnern sich: Bei einem (unnötigen)
Cobraeinsatz im Mai musst ein Hund sterben,
auch unnötig. Einfach nur, weil es das Innen-
ministerium unterlassen hatte, die Cobra-
Leute im Umgang mit Hunden zu schulen.
Cobra-Einsätze, ob nötig oder nicht, sind häu-
fig. Hunde in Wohnungen sind noch viel häufi-
ger. Jeder auch mit nur mäßigem Verstand
begabte Mensch kann sich ausrechnen: eher
früher als später werden Cobra und Hund zu-
sammenkommen. Und der Hund wird die Zäh-
ne fletschen, weil er weiß ja nicht, dass das
gegenüber Amtspersonen verboten ist – auch
wenn sie mitten durch die geschlossene Tür
marschieren. Kein Problem, dann soll ihn die
Cobra halt totschießen. Ist eh nur ein Hund.
Ob Kinder weinen, ob es ein Tierschutzgesetz
gibt, was kümmert’s uns.


Wir haben die Frau Innenministerin gebeten,
diesem unguten Zustand ein Ende zu machen
und die Cobra-Leute mit Mitteln auzurüsten,
auch bissige Hunde ruhig zu stellen. Es ist
nämlich möglich Leute zu verhaften, ohne ihre
Hunde umzubringen.


Leider die Frau Ministerin schweigt. Wie ge-
sagt, es scheint, ob ein Hund stirbt, rührt sie
nicht.

Terror

Zwei Meldungen:


Brandanschlag auf leerstehende Hühnermastanlage in Sprötze, Niedersachsen
Bei einem Brandanschlag auf eine kurz vor der Fertigstellung stehende Hühnermastanlage für 37.000 Hühner in Sprötze wurde am 30. Juli die komplette Anlage zerstört. Der Schaden beläuft sich laut Betreiber auf 500.000 Euro.

In einer Aussendung vermutet der deutsche Verein der Tierbefreier e.V.: Zwar gibt es bis her kein Bekennerschreiben zu der Aktion, da aber seit den 80er Jahren allein in Deutschland mehr als ein Dutzend größere Brandanschläge auf Tierausbeutungsunternehmen durchgeführt wurden, so auch auf leer stehende Ma sentierhaltungsanlagen, scheint es sehr wahr scheinlich, dass es sich auch im vorliegenden Fall um eine solche Aktion handelt.

50.000 Nerze in Griechenland "befreit"
Aus einer Nerz-Farm in Griechenland haben Unbekannte rund 50.000 Tiere befreit. Seit der Aktion Anfang vergangener Woche verendeten
aber schon 15.000 Tiere; wegen hoher Tem peraturen verdurstet, unfähig sich selbst zu versorgen. S
uedost schweiz.ch, 29.8.2010


Wir haben immer betont: Derartige Aktionen (falls es sich nicht um provokative Falschmeldungen handelt) meist irregeleiteten Einzeltä ter sind dumm, schaden dem Tierschutz und bringen nichts als den Polizeistaat.


Natürlich reagieren die Behörden. Ihre Organe meist in Tierschutzsachen unbedarft, finden niemand und stürzen sich zum Ausgleich auf bekannte Tierschützer, siehe Tierschutzprozess. Wie es ähnlich auch vor fünfzehn Jahren bei den Briefbombenanschlägen war. Man stürzte sich auf tatsächliche oder angebliche Neonazi, stellte sie vor Gericht – eine Blamage – kontrollierte 3.000 Aula-Bezieher. Der Täter kam aus einer guten soziademokratischen Familie.


Was allerdings gern übersehen wird, ist der intensive Terror der anderen Seite. Nicht nur gegen Tiere und Konsumenten. Teils „legitim“ mittels Zivilprozessen gegen Tierschützer, tels kriminell: H.-U.Grimm hat es in Tödliche Hamburger aufgelistet: Ein belgischer Tierarzt 1993 nächtens in seinem Haus beschossen, ein belgischer Europa-Abgeordneter Opfer mehrerer Anschläge, der Tierarzt Ermens von maskierten Männern zusammengeschlagen, dem Veterinär V.d.Wiele die Augen verätzt, der belgische Tierarzt Van Noppen im Februar 1995 mit drei Schüssen hingerichtet. Österreichische Tierschützer wurden wiederholt zusammengeschlagen, Reifen aufgeschlitzt usw.

In England gibt es bereits strenge Terrorgesetzgebung, die Polizei kann unbescholtene Bürger vier Wochen ohne richterlichen Befehl in Haft halten. Diese Gesetzesverschärfung richtet sich zwar gegen die Al Kaida – der Westen, der im Orient indirekt oder direkt viele Hunderttausende umgebracht und vertrieben, zahllose Häuser zerstört hat usw. fürchtet nicht unbegründet Gegenterror – doch all diese Polizeibefugnisse lassen sich auch gegen Tierschützer anwenden. Tatsächlich wurden in England und USA schon verschiedene speziell gegen Tierschützer gerichtete Gesetze erlassen.E.L.

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Veganer Backkurs in Graz (Umgebung)
vegan Backen - gar nicht schwer.
Kuchen, Kekse, Schnitten, Kugeln & Co versüßen uns alljährlich das Weihnachtsfest. All diese Köstlichkeiten kann man auch vegan, vollwertig und gesund zubereiten.
Haben Sie Lust mit uns zu kneten, for-men, verzieren und naschen?
Wann: Samstag den 20. und 27. No-vember von 14 bis 18 Uhr, Ort: Thal bei Graz
Nähere Infos: D. Richter email: da-vid.Richter @ gmx.at der Tel.:0676-5852629


Ein neuer Vegi-Treff (Tafelrunde) in Wien:
Frau M. Dajanovic schreibt uns:
Ich möchte gerne andere Vegetarier in Wien zusammenführen, eine Art Stammtisch /Tafelrunde 1x monatlich oder so, lockeres Zusammensitzen mit Essen eventuell, Interessenaustausch etc. Inte-ressierte bitte melden an:
e-mail:Tara777@gmx.net


Liebe Leserinnen und Leser, bitte bei Beitragszahlungen Namen und Adresse nicht vergessen und Adressänderungen mit-teilen!
Impressum: anima- Zeitschrift für Tier-rechte
Medieninhaber und Verwaltung: Österr. Ve-getarier Union (ZVR-Zahl 90713 6740, BPD Graz, DVR 0955 906), Herausgeber und Redaktion: Arbeitskreis Tierrechte der ÖVU/ Leiter Erwin Lauppert (E.L.), auch für nicht gezeichnete Texte verantwortlich.
neue Adresse: 8045 Graz, Rossegg 41, Tel. (0316) 46 37 17 und 0720-349 056 (fairytel), FAX 0720-349 156, email: anima @ vegetarier.at.
Beiträge geben, soweit nicht ausdrücklich vermerkt, lediglich die Meinung der Verfas-ser, nicht die der ÖVU wieder. Nachdruck nur mit schriftlicher Zustimmung. Fotos, wenn nicht bezeichnet: ÖVU, Druck: Druck-werk 8020 Graz

Daniela Spera: Vegetariern dank Hermann Nitsch
Die langjährige ORF (ZIB2)-Moderatorin und neue Direktorin des Jüdischen Museums in Wien erzählt in einem Interview mit der Wiener Zeitung Die Presse (17.7.):
Sie koche koscheres Fleisch wegen der Kinder, doch selbst esse sie wenig bis überhaupt kein Fleisch. „Und das eigentlich durch Hermann Nitsch.“ Wegen seiner Aktionen. Als sie über ihn ein Buch schrieb, habe sie miterlebt, wie ein Tier getötet wird. „Das ist heute ganz aus unserem Bewusstsein ausgeblendet, wenn wir Fleisch essen.“ Es sei nicht Abscheu vor seinen Aktionen gewesen, „aber das Töten ist weg aus unserem Bewusstsein. Wie viele Tiere getötet werden, damit die Schnitzel im Supermarkt liegen. Und dann kommt der Geruch des Fleisches dazu, ich habe wirklich Schwierigkeiten damit. Ich muss für die Kinder natürlich öfters Fleisch zubereiten, das fällt mir nicht leicht.“


Eva Glawischnig, Bundessprecherin der Grünen
kürzlich in einem Interview:
Ich war 18 Jahre Vegetarierin und habe erst mit der ersten Schwangerschaft wieder begonnen, Fleisch zu essen, weil mein Mann sich so gesorgt hat, dass das Baby ein Hase wird. Meine Fleischaskese hat aber keine ideologischen Gründe, sondern liegt an meiner familiären Gasthaus-Vergangenheit. Jahrelang von Montag bis Sonntag gebackenes Fleisch ...
Anm.: Dass vegetarische Kinder zu Hasen mutieren, ist ein Aberglaube, den man in allgemeinen nur mehr in den hintersten Ge-birgstälern antrifft. Aber Kärnten ist vielleicht anders. Dort glauben ja sogar manche, der Tatsache, dass die Zahl der Kärntner Slowenen in den letzten 150 Jahren von 50 % auf 2 % gesunken ist, lasse sich nur durch rein deutsche Ortstafeln begegnen.

 

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Botox, Pelz und ein steinernes Herz

Botox macht Frauen schön, glauben wenigs-tens manche. Andere wieder meinen, nicht Äußerlichkeiten, der unvergängliche Schmuck der Freundlichkeit und Herzensgüte sei es, der einen Menschen schön macht. Sei dem wie es sei, das Gift lähmt die Muskelnerven, so wird das das Gesicht zwar ein bisschen steinern aber faltenfrei, ein paar Monate lang. Für gemütvolle Menschen ist es allerdings nichts, denn Mittel, die das Botulinum-Toxin enthalten, müssen immer wieder, jede neue Charge, getestet werden, im LD 50-Test. Der ist grausam. Man wartet, bis die Hälfte der Versuchstiere qualvoll umgekommen ist, und das kann Tage dauern. Mit einem steinernen Herzen tut man sich da leichter.


Was soll’s, outen ist modern. Gesicht aus Stein, Herz aus Stein. Übrigens, das Herz outen geht auch ohne Giftbrühe.
Der Winter wird pelzig, titeln Wellness-Zeitungen. Viele Designer setzten wieder auf Pelz, ausgenommen Karl Lagerfeld, der steht auf Kunstpelz/fake fur (Bravo Karl Lagerfeld). Wie Naturpelz erzeugt wird, die Tiere da gehalten und getötet werden, ist ja hinlänglich bekannt. Doch ein steinernes Herz erträgt das schon. Zum outen braucht man übrigens nicht einen ganzen Pelzmantel, ein kleines Krägelchen tut es auch; auch daran hängt Leid und Tod. Viele Kleiderketten bieten das deshalb gar nicht mehr an, doch einige bleiben hart, Kleider Bauer zum Beispiel. Schön, dass jeder wählen kann, wo er einkauft.
E.L.